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Das Fenster
Das Pfingstfenster in Niederweningen
von Gertrud Grimmer

Aus blauem Himmel schweben weiße Tauben
Hernieder auf die blutbefleckte Erde;
Es spricht der Schöpfergeist ein neues Werde
Und goldne Blumen blühen auf im Grund.

Wo vordem noch der Schlange gleißend Blinken
Die Menschen schuldhaft in den Tod verstrickt,
Aus leerem Aug' das öde Grauen blickt,
Bricht reines Leben machtvoll jetzt herfür.

Noch brennt des roten Apfels frische Wunde,
Die Überheblichkeit in Arglist biß,
Und schon steigt sieghaft strahlend aus dem Riß
Das Kreuz, das Erd und Himmel ganz erfüllt.

Hoch oben schwebt im Rund ein Engelreigen
In sel'gem Hingewendetsein auf Gott,
In rätselvollem, lichterfülltem Schweigen,
In innig betendem vor IHM sich Neigen,
Der aller Welten Herr und König ist.

Wie Gott der Vater eins ist mit dem Sohn
Und Sohn und Vater mit dem heil'gen Geist,
So ragt durch Christi Sein und Opfertod
Die Ewigkeit hinein in unsre Zeit;
Und heil'ges Feuer, das vom Himmel fällt,
Wird uns Verbindung mit der Gotteswelt.

Pfingstfenster Niederweningen Wie der Mensch des göttlichen Lichtes bedarf, das durch ihn hindurchstrahlt, um als das zu erscheinen, wozu er bestimmt ist, so bedarf auch das Glasgemälde des Lichtes als seines wesentlichsten Elementes. Gerade das durchscheinende Licht ist es ja, was dieses Darstellungsmittel besonders geeignet macht, das Wesen jener andern Wirklichkeit wiederzugeben, deren Klarheit wir erst dann „von Angesicht zu Angesicht” zu schauen vermögen, wenn unsere Augen nicht mehr gehalten sind. Noch erkennen wir das Ewige ja nur „wie in einem Spiegel in einem dunklen Wort”.

LeerDas Pfingstfenster in Niederweningen möchte uns zu einem Blick in die reine Welt des wahren Lichtes verhelfen. Aus tiefblauem Grunde hebt sich machtvoll das Kreuz in dunklem Rot. Kraftvoll jede Umrahmung sprengend, erfüllt es den ganzen Raum, verbindet Himmel und Erde, ist tragende Mitte alles Geschehens, in der Farbe uns mahnend an das Blut des Heilandes, das für uns vergossen ist zur Vergebung der Sünden. So bildet es die Brücke über den Abgrund, der die himmlische, von der Mandorla umschlossene Welt von der irdischen trennt. Auf dem Kreuz aber steht geschrieben das Wort aus der Offenbarung des Johannes, Kapitel 5, Vers 12: „Das Lamm, das erwürget ist, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Amen.”

LeerWie es Johannes im Geiste geschaut hat, sind es die vier Wesen um den Thron des Lammes, die zusammen mit den vieltausendmal tausend Engeln diesen Lobpreis anstimmen, stellvertretend für die ganze Schöpfung. Vierfach ist die Ausprägung der Gestalten, ein Zeichen der großen Mannigfaltigkeit und des Einbezogenseins aller Daseinskräfte in die allumfassende Einheit Gottes. Es sind ja auch die Sinnbilder für die vier Evangelisten. Völlig im Wirkungsbereich des Kraftfeldes, das von dem Thron Gottes, der Kreuzung der Kreuzbalken ausgeht, sind sie in schrankenloser Hingabe nur auf den Einen ausgerichtet, gleichzeitig ruhend und bewegt, in tätigem Dienst und doch getragen, mit Flügeln voller Augen, das Haupt umglänzt von der Gloriole. Reiche, strahlende und doch gehaltene Farben eignen ihnen. Hell leuchten die 24 silbernen Sterne hervor, es sind die 24 Ältesten, „angetan mit weißen Kleidern”. Aus dieser Himmelswelt der reinen Anbetung fällt der Heilige Geist in 50 Feuerflammen, die gleich segnendem Tau herniedertropfen und dabei doch Gott entgegenlodern, auf die von Sünde und Tod beherrschte Erde, die nach dem Bruch der ewigen Ordnungen durch den Menschen zu einer Stätte des Grauens, der steinigen Öde geworden ist. Bei der Berührung von oben her aber geschieht das Wunder, daß neues Leben emporblüht. Im Bilde der zwölf goldenen Blumen als der zwölf Apostel wächst die aus Gott geborene christliche Kirche dem Licht entgegen, mitten aus Dürre, Bedrängnis und Bedrohung, ein gottgewirktes und in Gott geborgenes Sein, in der Zahl der Vollendung alle Gläubigen miteinschließend, die ganze Gemeinde.

LeerDie sieben lichten, silbergrauen Tauben in perlmutterfarbenem Kreis, eine jede wiederum auf dem Kreuzeszeichen ruhend, weisen hin auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes und lassen im Kleinen noch einmal das Wunder der Heiligen Dreifaltigkeit sichtbar werden, das in der ganzen Darstellung durch Gottes Gnade Gestalt annehmen durfte.

Evangelische Jahresbriefe 1951, S. 123-124

© Joachim Januschek
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