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Auf den Trümmern Münchens - 1944
von Friedrich Reck-Malleczewen

LeerAuf den ersten Blick, wenn der Zug in diese rührend romantische Glashalle hineingleitet, scheint alles beim Alten zu sein. Auf den zweiten, wenn man die Schalterhalle passiert hat, sieht man in eine grausame und ungeheuerliche Veränderung hinein, die zunächst dem Ankommenden die Orientierung nimmt. Ein riesiges Brotmesser hat von oben nach unten die ganze Fassade fortgesäbelt, und da jenseits des Platzes nur noch ein Trümmerfeld sich dehnt, sieht man tief hinein in die Eingeweide eines Stadtkadavers. Fast bis zum Marienplatz. Hinweg über pulverisierten Mörtel, hindurch zwischen Staubwirbeln, die der kalte Frühlingswind als Schemen der toten Vergangenheit über die Wüstenei tanzen läßt.

LeerDies der Platz mit dem rauschenden Brunnen und den vertrauten Kastanien, deren Blüten einst so blutrot glühten im Frühlingslicht. Die verstümmelten steinernen Brunnenweiber, sonst aber? Keine Bank mehr, keine Kastanien, kein Brunnenrauschen. Wirrsal von gefälltem Baumgeäste, verrostete Drahtspiralen, geborstene Kabel, geschmolzene Asphaltbrocken. Verdorbener Hausrat, abgeblätterte Affichen, eine geborstene Litfaßsäule.

LeerVor dem halbverbrannten Reginehotel auf dem grünen Platz haben sie schon vorher mit ihren roh in die Hyazinthenbeete gerissenen Wunden Kiesorgien gefeiert und Unterstände gebaut - sie, denen nichts so verhaßt ist, wie friedlich grünende Natur, Blumenduft und sommerlicher Friede. Ein stinkender Schutthaufen ist der Luitpoldblock, aus dem dritten Stockwerk, vor dem man wie von einem frisch angeschnittenen Käse die Front fortrasiert hat, grüßt über der gähnenden Tiefe an der stehengebliebenen Wand ein farbenfrohes Bild mit roten Jagdröcken, blinkenden Hörnern und einer Koppel gelbweißer Hunde, die durch den bunten Herbsttag jagen. So, Freunde, war einst das Leben hier, heiße bunte Jagd über herbe Heide, hingegeben und verschwenderisch und verbrausend, wie der Rausch dieser Reiter.

LeerVor dem lohenden Himmel des deutschen Städtebrandes reckt als riesiger Schatten sich die Frage nach der Schuld. Vergessen hat man, was man gestern selbst der Welt angetan, vergessen die Wunden von Westminsterabbey und die Schande von Norfolk, vergessen auch jene Radiostunden des ersten Kriegsjahres, wenn junge deutsche Flieger frisch von der Verwüstung unersetzlicher Kleinodien ans Mikrophon gezerrt wurden, und es haftete an ihnen noch der Brandgeruch des Warschauer Belvedere und der Rotterdamer Altstadt, und nie, so erklärten sie, hatten sie etwas so Schönes gesehen, als die Vernichtung des Unwiederbringlichen. Du unterschätzt, Du armes krankes Volk, das Gedächtnis Deiner Zeitgenossen, Du bist im Begriff, zum zweiten Male Dich hinwegzulügen über die Stunde der Selbsteinkehr und vergißt, daß Selbsteinkehr den letzten Schlüssel Deiner Zukunft bedeutet. Ich kann jene österreichischen Bauern verstehen, die nach der sinnlosen Zerstörung ihrer gotischen Dorfkirche, nach dem Maschinengewehrmord ihrer im Felde arbeitenden Weiber den abgeschossenen, mit der qualmenden Zigarette dem Flugzeug entsteigenden Neger mit Knüppeln erschlugen.

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LeerIch kann aber ebenso wenig meinen Frieden machen mit jenen Hornbrillenbubis, die eiseskühl auch jetzt noch, in der Stunde des anhebenden Weltenbrandes so tun, als seien die Missetäter nur auf der Gegenseite, die Legionen der Erzengel aber nur bei uns zu finden. Und könnte ich noch eine Verbrecherbande verstehen, die um ihr Leben kämpft, so verstünde ich ganz gewiß nicht eine Hammelherde, die ihnen, ohne Gedächtnis, ohne Nachdenken, ohne den Willen zur Selbsterkenntnis und zur inneren Reinigung nachläuft und ihr glaubt.

LeerAuch dann nicht, wenn die Staatsangehörigkeit dieser Hammelherde die meine ist. Gerade auch dann nicht, wenn es sich um die Nachfahren großer Denker, um die Nachfahren von Dombauern und Städtegründern handelt. Einkehr bei sich selbst ist, hüben wie drüben, gleichbedeutend mit der allerletzten Hoffnung auf Rettung in einem ‚neuen und gewissen Geist’. Versäumt man sie nach so unfaßbaren Greueln auch jetzt, so ist Europa verloren.

LeerGewiß gibt es eine Stufe der menschlichen Erkenntnis, auf der alle derartigen Schuldfragen müßig werden. Wäre etwa die französische Revolution unterblieben, wenn die Bastille einen tatkräftigeren Verteidiger gehabt hätte, wäre Wilhelm II. nach gewonnener Marneschlacht siegreich heimgekehrt, wenn in jenen schicksalsschweren Septembertagen des Jahres 1914 das Automobil jenes Oberstleutnant Hentsch mit seinem Insassen sich überschlagen hätte?

LeerJede potentielle Energie hat die Tendenz, kinetische Energie zu werden, und die Handgranate, die ich mir beschaffe, wird eines Tages explodieren, auch wenn ich sie in einem Banksafe unter vierfachem Verschluß aufbewahre. Die Menschheit stand schon gestern vor der Notwendigkeit, zu wählen zwischen der Maschine und den hochbrisanten Sprengstoffen einer- und ihren alten Göttern andererseits, und in dem Augenblick, da sie sich für die Maschine entschied, weinten in den zu Museumsobjekten herabgewürdigten Tempeln die Götter. Es ist, da dies alles in der schaurigen Automatik des Ungeistes sich vollzog, fast gleichgültig, ob dieses Mal an den Bombenhebeln amerikanische oder deutsche Hände rührten. Unsere Dome und Paläste, unsere Schmerzensmänner und heiligen Schreine - sah dies alles uns nicht schon lange an mit den Augen der Sterbenden? Wie die Habe eines Toten, die heute noch beisammensteht im Haus ohne Leben, und morgen wird sie in alle Winde verstreut sein? In die Trödelbuden, in den Salon eines Chikagoer Schmalzsieders. Ins Museum, wo morgen ein Metzgerbursch, der Sixpence Eintrittsgeld erlegt hat, sich auf einen Stuhl setzt, auf dem gestern ein Kaiser saß.

LeerEs sah Euch an mit ratlos-weinenden Augen, es wußte um den Untergang und um den großen Aufbruch aus den Schlössern. Sah ich auf einer meiner letzten Reisen nach München die Domtürme zu Sankt Marien, so war es immer der nämliche Blick-,Nimm Abschied von uns, vielleicht siehst Du uns zum letzten Male'. Meint man etwa, es ließen sich diese gotischen Gewölbe, die mozartschen Partituren und staufischen Kaiserpfalzen als Museumsbestandteile erhalten, wenn kein Leben die Dome mehr füllt, wenn man im Leibe ein Maschinenherz hat und an Stelle Gottes einen Turbogenerator verehrt? Die Menschheit hat gewählt und hat sich entschlossen, die Exkrementalvisagen zu adorieren, es ist ganz folgerichtig zugegangen beim Brand unserer Dome und Städte, und folgerichtig habe ich schon deutsche Architekten jubeln hören über die langersehnte Gelegenheit, an Stelle der alten Städte ihre steingewordenen Gotteslästerungen setzen zu können. Oh, jenseits aller konventionellen Redensarten haben sie sie lange schon gehaßt, die alten frommen und gesund gewachsenen Gebilde, sie haben sie gehaßt, wie der Bucklichte immer die gerade Gewachsenen, der Parvenü den Aristokraten hassen wird. So freilich und auf ihre Weise haben sie recht, diese Architekten. Hätte die Fliegerbombe es nicht besorgt, so wäre es eben Herrn Speer gelungen, das Münchener alte Rathaus zu beseitigen und an der Stelle des Hofgartens die größte Oper der Welt zu errichten.

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LeerSo oder so, die Götter, die heimatlos gewordenen, sie weinen, und in seinem Tagebuch, schon vor mehr als sechzig Jahren, notierte Dostojewski die damals noch rätselhaft erschienenen Worte ‚Das Ende der Welt ist nahe’. Bitte nehmt sie nur so wörtlich wie möglich und bildet Euch nicht ein, sie seien in ‚übertragenem Sinn’ gemeint! Ist es nämlich so weit mit uns gekommen, daß auch aus diesem Ozean von Jammer, der Hochflut der Tränen ein ‚neuer und gewisser Geist’ nicht mehr entsteigen kann, so hat in dieser letzten technischen Emanzipation vom animalischen Paradiesesglück der Erdball seine Mission erfüllt, und dann wird er, wie alles zu Ende Gelebte und alles zwecklos Gewordene - ich weiß nicht in welcher kosmischen Katastrophe - in Splitter fliegen. ‚Wenn das Haus fertig ist, kommt der Tod’, sagt ein türkisches Wort. Es dürfte nicht nur für Häuser und einzelne Menschenleben - es dürfte auch für Planeten seine Gültigkeit haben.

LeerGewiß, noch will ein neuer Frühling blühen, will aus altem heiligem Schutt Gras sprießen, werden vielleicht noch viele Frühlinge kommen mit Menschenträumen und Hoffnungen, mit Weiberlachen und Männerwagnissen und Kindern, die jauchzend nach dem bunten Sonnenkringel über ihrem Bette haschen.

LeerWir wollen also so tun, als gebe es jene grausame und herrliche Alternative nicht, von der ich eben sprach, als ginge Euer Versuch, ohne Götter leben zu wollen, noch eine Weile weiter; als zeige nicht auch schon die Technik ihre Altersrunzeln und ginge es noch eine Weile so weiter mit diesem Geschrei, das die Unsterblichen aus ihren Tempeln verjagt hat.

LeerIhr also von drüben, Ihr werdet den zweiten punischen Krieg gewinnen, werdet die Verbrecher hängen und Deutschland, sei es unter Fußtritten, aus seiner Lethargie wecken: ja, nehmen wir dies alles einmal an.

LeerWenn Ihr aber kommt, wenn Ihr den heiligen und ach so geschändeten Boden dieses europäischen Herzstückes betretet, warten Euer noch andere und schwerere Aufgaben, als die Vergeltung sie stellen könnte. Ihr werdet uns also von der preußischen Häresie befreien, Ihr werdet, vielleicht ohne es zu wissen und sei es im Torso, das alte Reich der Deutschen herstellen und werdet uns damit zu einem Zustande verhelfen, in dem wir, sei es in Bettelarmut, den Krieg werden gewonnen haben.

LeerIhr werdet uns von der Gewaltherrschaft der I.-G.-Farben und der des Langnamvereins befreien, Ihr werdet jenen Nationalismus austilgen, der, ein abscheuliches Zerrbild der Nation, als räudiges Relikt der französischen Revolution Europa nun genug zerstört hat, und wir werden es Euch danken.

LeerDanken werden wir Euch die Austilgung jener preußischen Hyksos, die in der Existenz einer möglichst großen Armee nicht das Instrument des Staates, sondern den letzten Zweck unseres Volkes sahen, danken werden wir Euch den Sturz jener berittenen Kaufleute, die, an die Stelle der alten Dynastien sich setzend, sich als die Herren unseres Geschickes aufspielten und mit Vermassung, Proletarisierung, Expropriierung des Bürgertums und Entwurzelung des Bauern, mit dauernder Kriegszettelung und schließlich mit Schilderhebung eines Unterweltlers Deutschland erbarmungsloser verheert haben, als es der Dreißigjährige Krieg zu tun vermochte.

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LeerDanken werden wir Euch dies alles, auch wenn Ihr auf den ersten Blick den Sinn unseres Dankes vielleicht nicht zu verstehen vermöchtet. Ihr wollt eine Industrie zerstören, die, ewig auf Staatsbeihilfe angewiesen, längst zum tönernen Moloch geworden und auf das periodische Anstiften von Kriegskonjunkturen angewiesen war. Ihr wollt den im Zeichen dieser Industrie angewachsenen und zur letzten Ursache dieser Kriege gewordenen Menschenballast entfernen und auf diese Weise die Welt und uns wenigstens vor dem dritten dieser punischen Kriege bewahren? Ja wir wollen Euch danken, wenn Ihr Deutschland wieder zu seiner eigentlichen Bestimmung verhelft.

LeerResorbiert, wofern Ihr es auf humane Weise könnt, in Eure eigenen Betätigungsfelder unseren ja doch längst heimatlosen und entwurzelten Menschenüberfluß, laßt wieder jene alte Substanz zu Tage kommen, die einst dieses deutsche Land zum lebendig schlagenden Herzen der Welt machte - wir wollen in genügsam Besinnlichem dort wieder beginnen, wo unser Weg in die schmutzigen Wirrnisse des neunzehnten Jahrhunderts abzweigte.

LeerIhr werdet, wenn Ihr klug seid, keine Girlisierung und Fordisierung unserer Heimat uns zumuten, Ihr werdet nicht verlangen, daß der deutsche Bauer zum Farmer werde. Ihr werdet, wenn Ihr klug seid, aus der obwaltenden Existenz der alternden Technik die Konsequenzen ziehen. Ihr werdet durch Schaffung eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsgebietes und Niederlegung der inneren Zollschranken Europa von den inneren, den kulturzerstörenden Friktionen befreien. Ihr werdet durch Niederlegung der Zollschranken den alten Erdteil auf lange Jahre von seinen wirtschaftlichen Sorgen befreien und ihm zu der nun so nötigen Atempause, vielleicht gar zu einer stillen, im Abendlicht liegenden bürgerlichen Nachblüte verhelfen. Ihr werdet Europa gegen die Perser, die nicht nur vom Osten kommen könnten, mit einem Limes versehen, Ihr werdet den Limes mit einer europäischen Armee besetzen und diese Armee wird immerhin den Vorzug haben, daß sie nicht, wie die bisherigen, die Hälfte des menschlichen Arbeitsertrages verschlingen wird. Ja, dies alles kann sein und wird sein, wenn Ihr klug zu Werke geht - es könnten noch gute und besinnliche Jahre werden im stillen Abendlicht unserer Zeit.

LeerEs fragt sich eben nur, was dann sein wird. Wieder könnte Euch der ungeheure Warenmangel der ausgeplünderten Welt zu neuer Rationalisierung verführen, als gälte es, die Märkte des Mondes und des Jupiter zu versorgen, wieder könntet Ihr Euch in ein wahnsinniges Produktionstempo hineinhetzen lassen, wieder könnte in Euern Weltzentren die nahe Symbiose der Massen das Ventil der Menschenvermehrung unnatürlich erweitern.

LeerUnd eines Tages, wenn die geleerten Warenlager wieder aufgefüllt sind, wird Euch nicht von neuem das Gespenst einer sinnlos gewordenen Produktion, das Gespenst der großen Wirtschaftskrise ex 1930 begegnen? Wird nicht von neuem die Rache des Maschinendämons über Euch kommen, werdet Ihr nicht von neuem Euch ratlosen, existenzlosen Massen gegenübersehen, in deren Seelen außer den Trieben von Atzung und Beischlaf nichts ist als das ungeheuerliche von den Maschinen geschaffene Vakuum?

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LeerDie deutsche, will sagen die Hitlersche Lösung, die eigene Arbeitslosigkeit durch Aufrüstung und die inskünftige Konkurrenz der anderen durch die also ermöglichte Waffengewalt zu beseitigen, war die Methode eines armseligen Dummkopfes, wir wollen es Euch, wie gesagt, danken, daß Ihr sie beendigt habt. Die Eure aber, vor diesen kommenden Problemen, vor den unvermeidbaren Konsequenzen der rasenden Maschinenwirtschaft die Augen zu verschließen, ist sie nicht ebenso unzulänglich?

LeerWas also werdet Ihr tun, wenn diese Woge der verzweifelten Seelenleere anrollt? Und was werdet Ihr tun, wenn die zweite, die des Jammers um die verlorenen Götter, kommt, Verzweiflung an den sinnlos werdenden Maschinengötzen, Verzweiflung an der ungeheueren Sinnlosigkeit der Existenz, Schrei nach dem ausfüllenden Medium, Sektierer-, Derwisch- und Flagellantengeschrei?

LeerSeid gewiß, daß es so kommt. Seid gewiß, daß ich in dieser Vision Eurer nicht spotte, seid gewiß, daß es Angst und Sorge ist, die mich so sprechen heißt. Wenn es also kommt, werdet Ihr dem Kommenden mehr entgegensetzen können, als einen bewunderungswürdigen englischen Stoizismus, die Seele des Gentlemans und jenes stolze ‚Behave you as Britons’, das einst von der Kommandobrücke der trotzdem sinkenden Titanic zu hören war in der Not des allgemeinen Unterganges?

LeerDas ist viel, bei Gott! Aber es wird nicht genügen. Das ist bewunderungswürdig, wird Euch aber, auch Euch, nicht der Notwendigkeit entheben, nach Gott zu rufen, das Kreuz auf Euch zu nehmen und für die Errettung des unterdrückten Geistes die Märtyrerkrone aufzusetzen.

LeerDenn es gibt für diese entweihte und verwirrte Erde keine andere Rettung mehr, als jene unbekannte, die in des geschmähten und verspotteten Gottes Hand ruht, es gibt keinen anderen Ausweg, als den, den Gott in seinem Erbarmen noch einmal zeigen könnte. Er griff ein, als die Antike starb und die Welt ebenso ausweglos schien, aber er verlangte als Zoll für den Weg die Verleugnung des Gestern, den treuen Dienst gehorsamer Knechte an Seiner Majestät und das willige Erlegen jener Münze, die an der dunklen Pforte des selbstlosen Todes erhoben wird.

LeerOder glaubt Ihr, man könne das Große und Unfaßbare im Ätherrausch sich erschlafen und es könnten die entweihten Tempel und die in den Kot gerollten Kronen und Gesetzestafeln gesäubert werden ohne den Todesschrei getreuer Blutzeugen?

LeerIch sah heute über der ferne verglimmenden Stadt meiner Jugend die schwarzen Brandwolken und hörte das Brausen der stählernen Automaten in der Luft, ich sah in meiner Hand die geöffnete Apfelblüte, die mich anschaute wie das Auge Gottes.

LeerDie große Prüfung neigt sich dem Ende zu. Mehr als eine Verheißung und mehr als eine Drohung ist schon in Erfüllung gegangen. Wir Verzweifelten haben nur die Hoffnung auf Deine Wiederkehr. Wenn Du zu uns, die wir im stinkenden Pfuhl unserer Hölle kauern und schlafen, nicht kommst, dann bedeutet es, daß unsere Strafe noch zu kurz, noch zu leicht erscheint vor unserer Treulosigkeit; und daß Du Deinen Gesetzen freien Lauf lassen willst.

LeerAber wir Übriggebliebenen warten auf Dich, Tag für Tag wollen wir auf Dich warten, unserer Unwürdigkeit, jeder Unmöglichkeit zum Trotz. Alle Liebe, die wir unseren verwüsteten Herzen noch abringen können, sie sei Dein, Gekreuzigter, der Du Dich hast martern lassen aus Liebe zu uns. Und der Du uns jetzt marterst mit all der Macht Deiner unwandelbaren Liebe.

Quatember 1954, S. 213-218

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-02
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