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von Oskar Planck |
Das dritte Jahr des Berneuchener Hauses war ein gutes Jahr, auf das wir dankbar zurückschauen. Bei einem Geschäftsunternehmen würde man von einem erfolgreichen Jahr reden - wir empfinden dieses Jahr als ein Geschenk. Unser Haus ist ein Einkehrhaus. Was man darunter versteht, ist einem Protestanten schwer begreiflich zu machen. Wenn uns ein Katholik besucht, sagen wir: „Kirchberg ist ein evangelisches Exerzitienhaus.” Dann nickt er verständnisvoll, wenn auch etwas erstaunt, daß es so etwas auf protestantischem Boden gibt. Kommt aber ein Protestant, dann müssen wir zuerst sagen: „Wir sind kein christliches Erholungsheim.” Beim christlichen Erholungsheim geht man von der Gaststätte oder Sommerfrische aus und fügt eine pietistische Hausandacht hinzu. Unser Einkehrhaus aber geht von den geistlichen Wochen aus, die wir ein Menschenalter hindurch an den verschiedensten Orten und mit mancherlei Kompromissen gehalten haben, und will ihnen eine bleibende Stätte schaffen. Sie fügt also zur geistlichen Woche die geistliche Heimat. Das tragende Gebälk des Berneuchener Hauses ist das viermalige Stundengebet am Tage, die zweimalige Sakramentsfeier in der Woche und das Begehen der Festzeiten nach der Ordnung des Kirchenjahres. In dieses Fachwerk fügen sich Ruhetage, Einkehrtage, Arbeitstage und Tage der Begegnung, vor allem aber geistliche Wochen ein. Es hat sich gezeigt, daß die einzelnen Jahreszeiten für den einen oder anderen Veranstaltungstyp besonders geeignet sind. Von Neujahr bis Ostern hatten wir vorwiegend Arbeitstagungen, von Ostern bis Mitte September geistliche Wochen, von Mitte September bis Ende Oktober Michaelsfeste und Pfarrkonvente, im November und Dezember Tage der Ruhe und Einkehr. Unsere Erfahrung geht aber dahin, daß Menschen, die in unserem Hause Stille oder Besinnung suchen, sich nicht an unsere Jahresplanung halten können und daß wir für diese Gäste das ganze Jahr über einige Zimmer bereit haben sollten, besonders auch Einzelzimmer. Wir hoffen, daß im Zug der Umbauten dieser Wunsch erfüllt werden kann. Im Winter ist die freigewordene Försterwohnung so umgebaut worden, daß die Hausgemeinde keine Gästezimmer mehr belegen muß. Im Nordgiebel des Dachgeschosses sind drei wohnliche Zimmer mit fünf Betten eingerichtet worden. Den größten Raumgewinn für unsere Gäste ergäbe die Einbeziehung der Klosterschenke. Ein würdiger Meditations- und Beichtraum im Erdgeschoß ist ganz aus freiwilligen Sonderspenden erstellt worden. Allen, welche die Wasserknappheit, in dem regenarmen Jahr 1959 mitgemacht haben, wird es eine Freude sein zu hören, daß im letzten Herbst ein großes Reservoir gebaut und ein neues Zuleitungsnetz gelegt worden ist. Was unsere Mitarbeiter anbetrifft, so haben sich zu den Vätern unserer Bewegung - Stählin, Ritter, Stökl, Schmidt, Grimmer und Knoch - Männer wie Köberle, Friedrich Winter, Rohleder, Thilo, Lotz, von Hase, Ellwein u. a. gesellt, die zum Teil neue Wege einschlugen. Hier einige statistische Zahlen: Im Laufe des Jahres 1960 sind 1192 Gäste in unserem Hause eingekehrt, also 100 im Monatsdurchschnitt. Davon waren 530 Männer, 662 Frauen. 465 Gäste waren schon mehrmals in Kirchberg, haben hier ihre geistliche Heimat gefunden und bilden den festen Stamm, auf den wir uns verlassen können. Unser Berneuchener Haus ist keineswegs ein auf Süddeutschland beschränktes Unternehmen. Ein starkes Drittel unserer Gäste wohnt jenseits der Mainlinie. Eine andere Aufschlüsselung ergibt, daß 418 Gäste aus dem Kreis der Michaelsbruderschaft, 257 aus dem Berneuchener Dienst stammen. Die übrigen 517 Gäste standen bisher nicht in Verbindung mit uns - eine sehr erfreuliche Ausweitung unseres Wirkungskreises. Die Michaelsbrüder ließen sich vor allem auf Arbeitstagungen und auf den Michaelsfesten sehen, die hier zahlreiche Konvente gehalten haben. Manche, die als Kritiker kamen, sind als Freunde und Förderer unserer Arbeit heimgekehrt. Die Mitglieder des Berneuchener Dienstes kommen zumeist einzeln und aus persönlichem Antrieb zu geistlichen Wochen und Einkehrtagen. Man fragt uns manchmal, ob auch Jugend nach Kirchberg komme, und gibt der Befürchtung Ausdruck, daß wir unter Vergreisung leiden. Unsere Kartei beweist das Gegenteil. Es hat uns selber überrascht, als wir 562 Gäste unter 30 Jahren zählten. Die geschlossenen Gruppen der Jungbruderschaft, der Studentengemeinden u. a. fallen dabei stark ins Gewicht. Diese Jugendgruppen drängen darauf, wieder hierher zu kommen. In diesem Zusammenhang ist schließlich der Hausgemeinde zu gedenken, die unser Haus bewirtschaftet, beseelt und die Atmosphäre schafft, in welcher der Gast leben soll. Die Aufbauzeit war schwer, und das Zusammenleben in solcher Einsamkeit will gelernt sein. Jeder brachte sein eigenes Leitbild mit. Aber nach drei Jahren hat sich nun ein bestimmter Lebensstil herausgebildet. Nicht wir haben das Haus, sondern das Haus hat uns geprägt. Das „Ora et labora” hat uns zu einer Hausgemeinschaft zusammengeschlossen. Besonderer Dank gebührt den freiwilligen Helfern aus Bruderhäusern und aus dem Berneuchener Dienst, die, von ihrem liturgischen und diakonischen Auftrag erfüllt, unmerklich und unbewußt, die Haltung der Hausgemeinschaft beeinflußt haben. Dem Hausvater und der Hausmutter oder Heimleiterin stehen drei Mitarbeiterinnen zur Seite: Die Hauswirtschafterin in der Küche, die Gästeschwester im Haus und die Kontoristin im Büro. Eine Haustochter, die ihr diakonisches Jahr bei uns zubringt, und in „Stoßzeiten” eine oder zwei freiwillige Hilfen vervollständigen den Arbeitsstab. Im vergangenen Jahr sind vier Mitarbeiter nach Ablauf ihrer Vertragszeit von uns geschieden: Schwester Elisabeth Gräning ging als Pfarrvikarin nach Wien, Waldtraud Lenzner heiratet, Dorothea Kreuser will Gemeindehelferin werden und Jörg Christoph Pfisterer macht sein landwirtschaftliches Praktikum. Diese treuen Helfer sind noch nicht alle ersetzt. Wir brauchen „für sofort oder früher” noch eine zweite Haustochter. Wer kann uns eine vermitteln? Meine Frau und ich werden unser Amt jetzt in jüngere Hände legen. Die Ausweitung der Kirchberger Arbeit erfordert diesen Wechsel. Wir sind dankbar, daß uns Gott bis in unser Alter die Kraft geschenkt hat, am Aufbau dieses Werkes mitzuarbeiten, auf das unser Leben in vierzig Ehe- und Dienstjahren deutlich hingeführt und in dem es seine Erfüllung gefunden hat, und daß Bruder Rohleder und Fräulein von Laer sich bereit gefunden haben, die Arbeit zu übernehmen. Wir bleiben aber in Kirchberg wohnen. Damit erfüllt sich der ursprüngliche Plan, daß immer ein zweiter Bruder zur Unterstützung des Leiters bereitstehen soll. Quatember 1961, S. 76-78 |
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