|
von Herbert Goltzen |
In den letzten Jahren wurde in der Öffentlichkeit mit lebhafter Anteilnahme die Auseinandersetzung über die Frage verfolgt, ob es in der Kirche weibliche Pastoren geben dürfe. Muß nicht die Kirche die Konsequenzen daraus ziehen, daß die „Gleichberechtigung” der Frau verfassungsrechtlich und tatsächlich anerkannt und durch die Bewährung von Frauen in allen Berufen auch glaubwürdig vollzogen ist? Gehörte es nicht zu der beklagenswerten Neigung des offiziellen Kirchentums, sich an überholte Gesellschaftsformen zu lange zu binden und notwendige Reformen und Antworten auf die Fragen der Gegenwart immer erst zögernd; ängstlich und eine Generation zu spät durchzuführen? Muß nicht auch die Kirche die in ihrem Verkündigungsgehalt unveränderliche Botschaft des Neuen Testaments „entsoziologisieren”, von den historisch und geographisch bedingten gesellschaftlichen Vorstellungen und Lebensformen des Orients, des Judentums lind der Antike befreien und in die sozialen Lebensformen unserer Gegenwart übersetzen? Ist es nicht grotesk, daß eine evangelische Oberkirchenrätin Bundrstagsabgeordnete und Bundesministerin sein kann, daß aber Synoden und Pfarrer noch lange darüber debattieren, ob eine theologisch gebildete, mit der Gabe der Menschenführung ausgestattete Frau ein vollwertiges Pfarramt übernehmen darf? Ist das Pfarramt d a s Amt der Kirche? In den evangelischen Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses ist als geistliches Amt nur der Einheitstyp des Pfarrers übriggeblieben. Gefordert wird akademische Bildung, zwei Prüfungen wie bei jedem anderen akademischen Beruf, wodurch die Berechtigung auf eine Beamtenstellung erworben wird. Die Ordination ist die liturgische Form der Einführung in dieses und nur dieses kirchliche Amt, sie markiert kirchenrechtlich die Zuerkennung,der „Rechte des geistlichen Standes”. Als im 19. Jahrhundert neue seelsorgerliche und missionarische Aufgaben auf die Christenheit zukamen, die auch neue Typen der Mitarbeit erforderten, gelang es nicht, sie geistlich unterzubringen und als Ämter der Kirche einzuordnen. So wurden Missionare, Diakone und Diakonissen ausgebildet und angestellt von Vereinen, unabhängig von der organisierten Kirche. Die Mitarbeit an der Verwaltung und rechtlichen Ordnung der Landeskirche und Gemeinde fand überhaupt keine geistliche Einordnung: Kirchenjuristen, Bauherren, Verwaltungsbeamte ebenso wie „Presbyter” (Kirchenälteste) und Synodale wurden nach gesellschaftlichen Vorbildern berufen und eingeführt, ohne eine Funktion und Verwurzelung in der unter Gottes Wort versammelten Gemeinde zu erhalten. Unterricht und Jugenderziehung sind rein fachwissenschaftlich ausgerichtet: Professoren an der staatlichen Universität, Studienräte „mit Religionsfakultas” wie andere Lehrer stehen nicht in einem geistlichen Amt der Gemeinde. Auch die neuen Berufe des 20. Jahrhunderts, etwa Gemeindehelferinnen, Jugendsekretäre, Sozialsekretäre, Fürsorger, Leiter christlicher Verbände und Werke, sind nicht durch geistliche Berufung und Sendung dem Amt der Kirche zugeordnet. Unter diesen Umständen bietet sich für Frauen, welche mit dem Rüstzeug akademischer Bildung aus innerer Berufung der Kirche in einem vollen Amt dienen wollen, in der Tat kein anderer Einsatz an als das Einheitsmodell des akademisch gebildeten hauptamtlichen Pfarrers. Sie würden es mit Recht als unbillig empfinden, wenn sie mit der Begabung zu theologisch-wissenschaftlicher Arbeit und einem Ausbildungsgang, der dem ihrer männlichen Kommilitonen gleich war, dann darauf verwiesen würden, als „gehobene” Gemeindehelferinnen oder in Organisationen der Inneren Mission oder vereinsmäßiger „Werke” eine Verlegenheitsverwendung zu finden. Solange es für den hauptamtlichen Dienst in der Kirche nur diesen Monotyp des Pfarramts mit der öffentlich-rechtlich geregelten Vorbildung des darauf hinführenden Studiums gibt, kann die Berufung zum geistlichen Amt nur in dieser Gestalt ihre Erfüllung suchen. Die Verlegenheit, die die Kirche ihren „Vikarinnen” gegenüber empfindet, und die Not, die diese, ihre begabten und bewährten Mitarbeiterinnen in ihrer ungeklärten und nicht restlos befriedigenden Zwitterstellung empfinden, ist nicht in erster Linie in der Verschiedenheit der Geschlechter begründet, sondern in dieser unbiblischen, das Wirken des Heiligen Geistes einengenden Verkümmerung der Funktionen und Vollmachten der mannigfaltigen Dienste. Eine wirkliche Hilfe liegt nicht darin, daß die Theologinnen ihre soziale Besserstellung und ihre kirchliche Gleichberechtigung dadurch erringen, daß sie in den Zug der Talarträger einschwenken können, sondern darin, daß die mancherlei Berufungen und Begabungen zum vollen Einsatz für die Gemeinde Christi wieder in den mannigfach ausgegliederten Diensten und Ämtern der Kirche ihren legitimen Ort finden, und zwar als geistliche Berufe im echten Sinne, die unter Gebet und Segnung ihre Vollmacht empfangen. Wenn eine solche Erneuerung von Ämtern pneuma-erfüllter (geist-bevollmächtigter) „Mitarbeiter Gottes” auf „Gottes Ackerfeld und Bau” (1. Kor. 3, 9) geschähe, die nicht historische Zustände des 1. Jahrhunderts kopieren, aber im gleichen Gehorsam wie die Urkirche den „Bedürfnissen” der Gemeinde der Heiligen antworten würde, dann würden nicht nur die Funktionen des Diakonats, der Mission, der Unterweisung, der Standesseelsorge und der öffentlichen Diakonie ihre rechte geistliche Einordnung und Wertung in der Zusammenarbeit mit dem herkömmlichen Hirtenamt finden, sondern dann würde auch für die geistlich gleichwertige, eigenständige und voll verantwortliche Mitarbeit berufener und gebildeter Frauen die rechte Lebensform gefunden werden. In der ganzen Heiligen Schrift wird Gott im Bilde des Vaters geschaut. In der orientalischen Umwelt wie in den heidnischen Religionen des klassischen Altertums und den späten Mysterienkulten werden auch Muttergottheiten und weibliche Göttergestalten verehrt. In allen Naturreligionen spielt die Vergöttlichung der Urmutter Erde eine Rolle. Es gehört zu der strengen Unterscheidung des Schöpfers von allem Geschöpflichen, daß die biblische Botschaft diese in der Luft liegenden religiösen Gedanken niemals aufgenommen hat. So wie der Schöpfer den Menschen nach Seinem Bilde geschaffen hat, so kann der Mensch bei allem Wissen um seinen unendlichen Abstand von Gottes Wirklichkeit nicht darauf verzichten, Gott in gewissen „anthropomorphen” Zügen zu erfassen, wenn er überhaupt glaubend, anbetend und antwortend mit Gott Gemeinschaft halten darf. Zu diesen uns offenbarten Zügen, die wir nicht auslöschen können, gehört es, daß Gott Seinem Volke als der Herr, als Vater und Schöpfer, als Hirt Seiner Herde entgegentritt. Bei den Propheten offenbart Er sich als der Liebende, der um Israel als Seine Braut wirbt und ihr, wenn sie Ihm untreu wird, zürnt und sie zu sich zurückholen will. Der Vater offenbart sich in Jesus als Seinem Sohn, der Herr nimmt sich der verschmachteten Herde an in der Gestalt des guten Hirten Jesus. Kann der Erzhirte, der dem Petrus befohlen hat: „Weide meine Schafe!”, anders repräsentiert werden als durch Männer, die in seinem Dienst Hirten, Pastoren sind? Zu allen Zeiten des Gottesvolkes hat es dieses Hirtenamt gegeben - kann es ohne Verkehrung seines Auftrages durch Schäferinnen ausgeübt werden? Jesus hat treue, opferbereite, hingebende und tapfere Frauen um sich gehabt. An einfühlender Liebe und an Glaubensmut in gefährlicher Lage konnten sie den Kleinglauben und die Leidensscheu der Jünger beschämen. Aber Jesus hat merkwürdigerweise trotzdem, in seiner irdischen Wirksamkeit wie nach seiner Auferstehung, nicht einer dieser treuen Frauen, sondern den zwölf Jüngern das Amt, Ihn zwischen Seiner Himmelfahrt und Seiner Zukunft zu repräsentieren, anvertraut. In der Urkirche haben Frauen ihren Dienst in der Gemeinde getan. Sie waren Diakonissen, ja Mütter der Gemeinde, deren Hinscheiden als schwerer Verlust empfunden wurde. In den Briefen des Paulus werden einige namentlich genannt und begrüßt. In den Gemeinden des Timotheus wird bereits genau festgelegt, unter welchen Bedingungen und zu welchen Aufgaben Frauen, die nicht durch familiäre Pflichten gebunden sind, ganz in den Dienst der Gemeinde gestellt werden. Diese Jungfrauen und Witwen werden „angenommen” und also offenbar auch feierlich vor der Gemeinde in ihren Dienst gesandt. Aber von ihrem Dienst werden deutlich unterschieden die Ämter der Bischöfe, Diakonen und Ältesten (1. Tim. 3 bis 5). In den Apostolischen Konstitutionen, einer gegen Ende des 4. Jahrhunderts entstandenen Kirchenordnung, steht die Weihe der Diakonissin zwischen der Priester- und Diakonenweihe einerseits und der Weihe der Subdiakonen andererseits. Der Diakonissin wird vom Bischof unter Assistenz der Presbyter, Diakonen und Diakonissen die Hand aufgelegt, und die Gabe des Heiligen Geistes wird erfleht, damit sie das ihr anvertraute Werk würdig verrichte. Ihr kam im Gottesdienst zu, auf der Frauenseite des Gotteshauses zu wachen und Ordnung zu halten; sie hatte die weiblichen Katechumenen zu unterweisen und bei ihrer Taufe zu helfen, und sie hatte Kranke zu betreuen. Aber auch solange dieses Amt mit gottesdienstlicher Ordination und umrissenen Funktionen lebendig war, gehörte es eindeutig zum Diakonat. Niemals jedoch hat es in der Kirche Frauen im Amt der Gemeindeleitung und als Vorsitzende der eucharistischen Tischgemeinschaft gegeben. Die einzige „Pastorin”, die im Neuen Testament erwähnt wird, ist die als „Isebel” gebrandmarkte „Prophetin” in Thyatira (Offb. 2, 20 ff.). Sie hat sich das Lehramt angemaßt und einen Konventikel um sich gesammelt; ihre Wirksamkeit wird als „Verführung zur Hurerei und zum Götzenopfer” verurteilt, offenbar weil sie sich außer der öffentlichen Predigt auch das Halten des Opfermahls angemaßt hatte. Mit welcher Begründung werden in der Urkirche diese Funktionen des Hirtenamts im engeren Sinne den dazu ordinierten Männern vorbehalten? Es handelt sich keineswegs um eine unreflektierte Anpassung an die Anschauungen und Sitten der jüdischen und heidnischen Umwelt. Paulus ist bereit, „den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche zu werden”, um missionarisch Menschen zu gewinnen. Er bedient sich vielfach der Begriffe und Gedankenführung hellenistischer Mysteriensprache, um das Evangelium der Umwelt zu verdolmetschen. So hätte es nahegelegen, die Vorstellungen der orientalischen Muttergottheiten und die Institutionen von Priesterinnen und Vestalinnen zu übernehmen, wenn das dem Evangelium Eingang hätte verschaffen können. Die frühchristlichen Sektenbildungen des Montanismus und der Gnosis haben das bewußt getan. Wenn Paulus und die alte Kirche das nicht tun, wissen sie ihr Handeln im Willen des Schöpfers und im Gebot des Herrn begründet. Dabei weiß man soziale Wertungsunterschiede zwischen den Geschlechtern, Ständen und Kulturkreisen in der Gemeinde überwunden: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht männlich noch weiblich, denn ihr seid alle einer in Christo Jesu” (Gal. 3, 28). Ein Gebet wie das der Synagoge, in dem der Fromme dankt, daß er nicht als Frau, als Sklave oder als Unbeschnittener geboren sei, wäre in der Kirche unmöglich gewesen. Die Begründung sieht Paulus in der Schöpfung. Der Mann, Adam, steht unmittelbar zu Gott, die Schöpfung des Weibes ist mittelbar und um des Mannes willen geschehen. Daher scheint ihm die Beziehung der Frau zum Wort Gottes, zum Evangelium über den Mann zu gehen. Ähnlich sieht er im Epheserbrief Christus als das „Haupt” der Gemeinde (als der Braut Christi), den Mann als das „Haupt” seiner Frau. Die Bewegung geht von Christus liebend zur Gemeinde, vom liebenden Mann zu seiner Frau - entsprechend ist die Gemeinde Christo, sind die Frauen den Männern untertan. In der Stellung des Mannes zu seiner Frau spiegelt sich das Mysterium Christi zu seiner Braut, der Ekklesia. Diese unterschiedene Beziehung von Frau und Mann zum Herrn, die aus der Ordnung der Schöpfung (1. Kor. 11 und 14) und aus dem Christusmysterium (Eph. 5) begründet wird, ist keine selbständige Metaphysik der Geschlechter. Sie soll nur begründen, was als für alle Gemeinden verbindlich feststeht und als auf den Herrn zurückgehende Tradition von Paulus bereits übernommen worden ist. Auch in der Haustafel von Kol. 3 wird als verbindlich erklärt, daß die Frauen ihren Männern „untertan” sind, ebenso wie die Kinder den Eltern und die Knechte den Herren. Den auf ihren Gehorsam Angeredeten wird gezeigt, daß hinter den ihnen Übergeordneten der Herr steht - Ihm gilt ihr Gehorsam. Andererseits bedeutet ihr Stand „unter” keine Geringerwertung und keine Einbuße am Heil. Die Übergeordneten werden ebenso auf ihre Aufgabe angeredet: sie sind den ihnen Unter- und Zugeordneten die Liebe Christi schuldig, auch sie stehen unter dem Herrn. Die Richtung vom Haupt zum Leib, vom Mann zur Frau, vom Vater zum Kind, vom Herrn zum Knecht wird nicht umgekehrt und beider Standort wird nicht nivelliert. Aber die gegebene Autorität wird „im Herrn” zu einer abgeleiteten und begrenzten Autorität. „In Christo” hat sie nichts Verletzendes, und sie kann sich nicht von Seiner Autorität unabhängig machen und etwa zu einer absoluten Beherrschung auswachsen. Der Mann bleibt relativ Haupt, der Hirte bleibt für die Herde relative Autorität. Wenn auch die Deutung aus dem Sündenfall (1. Mose 3) nicht überzeugt, so dient doch diese Spekulation nur der nachträglichen Erklärung des Tatbestandes, daß es in der frühen Kirche unbestritten keine Gemeindeleitung, keinen Vorsitz in der zum Hören der Predigt und zur eucharistischen Tischgemeinschaft versammelten Gemeinde durch Frauen gab. Die Entscheidung des Herrn, die von Ihm selbst ausgeübten Vollmachten den Jüngern und nicht den gläubigen Frauen Seines Gefolges anzuvertrauen, ist in der apostolischen Kirche verbindlich geblieben. Sie würde auch ohne weitere Begründung verbindlich bleiben, und die Christenheit hat sie bis in die Neuzeit durchgehalten. Gewiß kann Gottes freie Barmherzigkeit in besonderen Lagen auch außerhalb des geordneten Amtes wirken. Wenn in einer Verfolgung alle ordinierten Amtsträger ausgewiesen oder ausgestorben wären, könnten Menschen sich um der armen hungernden Seelen willen zur Wahrnehmung geistlicher Dienste aufgerufen fühlen, die sonst nicht dazu geordnet waren, um die Weitergabe des Evangeliums in Predigt und Sakrament nicht abreißen zu lassen, und es möchte dann auch eine Frau mit solchem Ruf begabt werden. Aber wenn Gott auch die von ihm selbst gegebenen Ordnungen durchbrechen kann, so sind wir doch in der Regel an sie gebunden und können nicht unter Berufung auf solche denkbaren Ausnahmefälle seine Ordnungen willkürlich verändern. Dazu kommt noch eine andere Erwägung, die im Zeitalter des Suchens nach ökumenischer Verbindung verpflichtend ist. Die getrennten Kirchen fragen wieder nacheinander und suchen aneinander die vestigia ecclesiae, die trotz der leidvollen historischen Trennungen durch Gottes Gnade gemeinsam erhaltenen Spuren der einen Kirche. Zu diesen gehört auch die bisher nicht in Frage gestellte Ordnung, daß zum Hirtenamt immer Männer berufen und ordiniert worden sind. Die katholischen Kirchen der Ökumene, zum Beispiel die anglikanische und die orthodoxen, würden ein Amt weiblicher Hirten und Priester niemals anerkennen können. Mit vielen Kirchen der Ökumene stehen wir in einer gewissen Interkommunion, das heißt: diese Kirchen nehmen gegenseitig die wirkliche Gegenwart Christi in dem von ihnen verwalteten Altarsakrament ernst. Diese Interkommunion würde zerstört und die Herstellung engerer Beziehungen unmöglich gemacht, wenn unsere Kirche die schriftwidrige Neuerung eines weiblichen Hirtenamtes einführen würde. Die nicht-römischen Kirchen haben es mit Recht beklagt, daß durch die nicht aus der Schrift begründbare Dogmatisierung der modernen Marienlehre die römische Kirche unnötigerweise den Graben zu den anderen Konfessionskirchen vertieft hat. Die gleiche Schuld würde die evangelisch-lutherische Kirche auf sich laden, wenn sie ohne zwingende Not und ohne klare Gründe der Schrift eine derartige Institution neu einführen würde. Die oft so enthusiastisch betonte ökumenische Gesinnung würde als unglaubwürdig erwiesen, und der deutsche Protestantismus würde höchstens den Beifall einiger Sekten finden. Die Frau im ehelosen Stande und als Ehefrau Es ist eine hinzunehmende Tatsache - ob man sie für einen biologischen Vorzug halten kann, ist sehr die Frage! -, daß der Mann relativ leichter absehen kann von den biologischen Rhythmen seines körperlichen und seelischen Lebens. Er kann sich seiner Arbeit, seinem Geschäft, der öffentlichen Auseinandersetzung hingeben, in einer fast unmenschlich sachbesessenen Weise, wie es der Frau nicht möglich und heilsam wäre. Er kann „im Dienst” weithin abschalten, daß er ein persönliches Leben und eine Familie hat, daß zu Hause seine Kinder krank sind und seine Frau vor der Entbindung steht, daß seine Familie Ansprüche an ihn stellt. Auch wo sie bis zur Herzlosigkeit zu entarten in Gefahr ist wie in der modernen Industriegesellschaft, ist diese Fähigkeit nur die Übertreibung der dem Mann schöpfungsmäßig gegebenen relativen Unabhängigkeit von den biologischen Bedingungen. Es wäre unnatürlich und kein erstrebenswertes Ziel, wenn eine Frau diese Unabhängigkeit von den ihr vom Schöpfer gegebenen Lebensrhythmen erreichen wollte. Die monatliche Regel, die Schwangerschaft und die Zeit nach der Geburt würden die kontinuierliche Erfüllung des pfarramtlichen Dienstes für die verheiratete Frau unmöglich machen. Gerade ihr Vorzug gegenüber der bis zur Gefährdung des Menschlichen möglichen Versachlichung des Mannes würde künstlich unterdrückt werden müssen. Weder die Gleichberechtigung vor dem bürgerlichen Gesetz noch die religiöse Gleichwertigkeit der Geschlechter in Christo vor Gott verlangen eine Konsequenzmacherei und Prinzipienreiterei, die zu einer widernatürlichen Unterdrückung der schöpfungsmäßigen Aufgaben und Gaben der Frau führen müßte. Ein Zölibat, das die Betroffenheit durch diese biologischen Gesetzmäßigkeiten ausschließen würde, wäre nach dem evangelischen Verständnis des Amtes wiederum nicht zu begründen. Eine Ordination mit der Klausel, daß die Vollmacht nur gilt, solange die Pastorin unverheiratet bleibt, ist keine Ordination mehr. Eine verheiratete Pastorin, deren Mann etwa einem anderen Beruf nachgeht, ist ebenfalls dem Zuschnitt des Gemeindepfarramtes nicht angemessen, es ist offenbar nicht zufällig, daß das Neue Testament im Dienst der Gemeinde nur Frauen kennt, die nicht durch familiäre Verpflichtungen gebunden sind; Jungfrauen und Witwen. Bei den männlichen Amtsträgern, Bischöfen und Diakonen wird vorausgesetzt, daß sie verheiratet sind, wie die meisten Apostel es waren. Notmaßnahme oder Kirchenordnung? Es soll gar nicht bestritten werden, daß leistungsmäßig und psychologisch Pastorinnen sehr erfolgreich sein, daß Gemeinden sich auch rasch an sie gewöhnen können. Aber die Vollmacht bei der Sakramentsverwaltung würde fehlen und damit die Gewißheit der gläubigen Gemeinde untergraben werden; und das Wesen der Frauen, die unter dem Einfluß des Zeitgeistes und durch die Schwäche der Kirchenleitung dazu getrieben würden, „in ein fremdes Amt zu greifen”, würde in einer verborgenen Weise selbst gefährdet und ihrem eigentlichen Auftrag entfremdet. Gewiß kann in totalitären Gesellschaften die Frau auch wider ihre Berufung Soldat und Offizier werden oder im unerbittlichen Arbeitsprozeß ein erzwungenes Soll erfüllen. Wir werden darin aber keinen Erweis ihrer Gleichberechtigung, sondern die Entwürdigung ihres Menschseins zu einer bloßen Arbeitskraft sehen. Ebensowenig wäre es wohlgetan, wenn gläubige Frauen in der Militia Christi die Stelle einnehmen wollten oder müßten, die seit den Zeiten der Apostel den Männern bestimmt ist. Vaterschaft und Mutterschaft lassen sich auch im geistlichen Leben nicht willkürlich vertauschen. Auch wenn das eine Weile gut zu gehen scheint, darf man nicht aus einem Notzustand eine Norm machen und den verborgenen Schaden wegdisputieren, der durch eine Mißachtung der gliedhaften Verschiedenheit der Gaben und Aufgaben innerhalb des Leibes eintreten würde. Keine erlernbare Routine und kein statistischer Erfolg könnte den Segen erzwingen, der der stiftungsmäßigen Amtsführung verheißen ist. Und umgekehrt: auf dem Ungehorsam gegen die klaren Weisungen des Herrn wird kein Segen ruhen. Anmerkung: Drei Stellungnahmen von Heinz-Dietrich Wendland, Otto Heinrich von der Gablentz und Wilhelm Stählin sind im nachfolgenden Jahrgang veröffentlicht worden. Vgl. auch aus jüngerer Zeit Beda Müller OSB - Zur Frauenordination und Hans-Joachim Thilo - Rite vocatus? Quatember 1962, S. 107-116 |
© Joachim Januschek Letzte Änderung: 12-10-03 Haftungsausschluss |