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Geschlecht und Generation
von Hans Carl von Haebler

LeerZu unserer Freude haben die Probleme, die wir in letzter Zeit aufgeworfen haben, in der Leserschaft ein Echo gefunden. So können wir in diesem Heft einen Beitrag von Gerhard Bartning bringen, der sich mit Joachim Scharfenbergs Aufsatz über C. G. Jung (Weihnachtsheft 1961) auseinandersetzt, und so hat auch die Aufsatzfolge Wo ist die Grenze? eine Anzahl von Lesern auf den Plan gerufen, deren Bemerkungen in einem der nächsten Hefte verarbeitet werden sollen.

LeerIn dem vorliegenden Heft packen wir ein neues Problem an. Die Frage: Was ist der Mensch?, die wir in den Aufsätzen dieses Jahrgangs behandeln wollten, wurde unvollständig beantwortet, wenn jeder dabei nur an sich selbst denken würde, der Mann an den Mann, die Frau an die Frau, das Alter an den alten Menschen und die Jugend an den jungen; und sie würde falsch beantwortet, wenn man vom Geschlecht und vom Alter abstrahieren wollte. Einer solchen unerlaubten Vereinfachung machen wir uns aber schuldig, wenn wir gleiches Recht für alle postulieren, statt darauf zu sehen, daß jedem das Seine zuteil wird.

LeerMit seinem Aufsatz Frauen im geistlichen Amt der Kirche erörtert Herbert Goltzen nur ein Teilproblem, das wir in der Folge noch ausweiten möchten; denn es ist ja nicht nur für die Kirche von Bedeutung, sondern für die ganze Menschheit konstitutiv, daß Gott den Menschen als Mann und als Frau geschaffen hat. Es gilt, Mann und Frau in ihrer gegenseitigen Zuordnung und Ergänzungsbedürftigkeit zu sehen und zu sehen, daß die Geschlechtsunterschiede nicht nur und nicht einmal vorwiegend im Physischen begründet sind. Der Mann ist im Irrtum, wenn er meint, der Frau gerecht zu werden, indem er sie als seinesgleichen behandelt und ihr beibringt, auf seine Art zu denken. Das Recht, das er ihr zuwenden will, ist ja von Männern gesetzt und bedarf nicht der Übernahme, sondern der Korrektur durch die Frau. Es scheint mir, daß diese Korrektur in der Sitte gegeben ist und daß der Verfall der Sitte ein deutliches Kennzeichen für eine männlich-bestimmte Gesellschaft darstellt. Das Ergebnis der Gleichschaltung ist jedenfalls der Verlust des Gegenübers und die Versachlichung aller Lebensbezüge bis bin zum Liebesleben, sofern dieses nicht mehr auf Vereinigung der Geschlechter gerichtet ist, sondern nur darauf, daß jeder seine eigenen Wünsche befriedigt.

LeerEs darf nicht verschwiegen werden, daß der Schriftleiter, ebenso wie Goltzen, hier eine Meinung vertritt, die nicht von allen Gliedern der EMB geteilt wird, und daß auch die andere Seite gehört werden müßte, ehe man sich ein Urteil bildet.

LeerÜber die Beziehungen zwischen alt und jung und über ihre Störung und Wiederherstellung müßte auch einmal geschrieben werden. Es ist nicht gut, wenn die Jugend der alten Generation den Rücken kehrt, auch angesichts der schmerzlichen Tatsache, daß diese viele gute Vertreter durch die Weltkriege und durch den Nazi-Terror verloren hat und daß viele andere versagt haben; und es ist auch nicht gut, wenn das Alter, das einen immer größeren Prozentsatz der Bevölkerung ausmacht, einer unfruchtbaren Kritik verfällt und schließlich resigniert. Deshalb hoffen wir, daß die Stimme Friedrich Tucholskis, eines Architekten der letzten Generation, der nicht vor der herrschenden Meinung kapituliert, sondern frei heraus sagt, was er von dem Baustoff Beton hält, auch bei unseren jungen Lesern Gehör findet.

LeerWilhelm Stählins kürzlich geäußerter Wunsch, es möchten sich auch andere an dem Brief beteiligen, den er bisher allein zu schreiben pflegte, gab dem Schriftleiter Gelegenheit zu einem willkommenen Zusatz, möge nun aber auch diesem oder jenem Leser ein Ansporn sein mitzutun. Der Neuerung Ausdruck gebend haben wir die Überschrift „Der Brief” in den Plural gesetzt, so daß fortan, neben den Hauptbeiträgen, die drei Rubriken: Berichte, Bücher und Briefe das Gesicht von Quatember bestimmen werden.

Quatember 1962, S. 144

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-05
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