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Davidstern und Christuskreuz
von Jürgen Boeckh

LeerIn den Liedern, die wir in der Advents- und Weihnachtszeit singen, begegnen uns die beiden Strophen:
Was der alten Väter Schar
höchster Wunsch und Sehnen war
und was sie geprophezeit,
ist erfüllt in Herrlichkeit,
Leerund:
Die Völker haben Dein geharrt,
bis daß die Zeit erfüllet ward;
da sandte Gott von Seinem Thron
das Heil der Welt, Dich, Seinen Sohn.
LeerHier zeigt sich, wie die Christenheit die Erscheinung Jesu versteht: als Erfüllung der Hoffnung der Väter des Volkes Israel und der Sehnsucht der Völker. Christus, unser Friede, führt die Glieder des alten Gottesvolkes und die Angehörigen der Völker im neuen Volk Gottes zusammen. Er spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.” Dieses Wort gilt nicht nur den Heiden, sondern auch den Juden. Der Jude, der nicht Christ geworden ist, lehnt allerdings den Anspruch Jesu ab. Gerade darin besteht ja das Selbstverständnis des Judentums der christlichen Kirche gegenüber. Wie aber ist es zu verstehen, daß Christen den Weg des Judentums als gottgewollte Möglichkeit ansehen neben dem einen Weg, der ihnen gezeigt wurde?

LeerDavidstern und Christuskreuz nebeneinander beherrschten den Raum, in dem die Arbeitsgruppe „Juden und Christen” während des Kirchentages 1961 in Berlin zusammenkam. Die christlichen Teilnehmer dieser Arbeitsgruppe haben uns eine Erklärung hinterlassen, die mit den Worten beginnt: „Juden und Christen sind unlösbar verbunden.” Auf dem Kirchentag lag der Ton auf dem Gemeinsamen, das Juden und Christen verbindet. Die evangelischen Christen in Deutschland wurden aufgefordert, sich eingehend mit den Fragen einer neuen Begegnung zwischen Juden und Christen zu beschäftigen. Wenn dies auch hier geschieht, setzen wir an den Anfang den Satz: Juden und Christen sind zugleich miteinander verbunden und voneinander getrennt. Gerade wenn wir füreinander da sein wollen, darf der Nachsatz nicht verschwiegen werden.

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LeerDie erste Frage, die uns beschäftigen soll, lautet: Was bedeutet die Tatsache, daß wir eine Kirche aus Juden und Heiden sind, für die Wertung der Völker neben Israel?

LeerHinter uns liegt eine Zeit, in der die Abwertung Israels und des Judentums in den deutsch-christlichen und deutsch-gläubigen Bewegungen einen Höhepunkt erreicht hatte. Jesus von Nazareth wurde als Jude abgetan, wenn er nicht als „Arier” gerettet wurde. Das Alte Testament wollte man abschaffen, und an seine Stelle sollte germanisch-deutsches Gedankengut treten. Heute wird, als Gegenschlag gegen diese Verirrungen, die andere Seite betont: Jesus als Jude wird in den Vordergrund gerückt, das Alte Testament wird nicht nur als „Erzieher zu Christus” (Gal. 3, 24) betrachtet, sondern in seinem Eigenwert herausgestellt. So schreibt etwa Martin Stöhr: „Das lebenspendende Blut des Evangeliums wird dem Neuen Testament entnommen und durch den herrlichen Organismus des Alten Testamentes gepumpt, ohne daß vorher genau hingehört und beobachtet worden wäre, ob dort nicht ein eigener Blutkreislauf im Gange war.”

LeerNach dem ersten Weltkrieg war das Alte Testament als Quelle der Offenbarung Gottes in enge Verbindung mit der neutestamentlichen Gottesoffenbarung gerückt worden. Dies war eine Reaktion auf Harnack, den großen Vertreter der liberalen Theologie, der das Alte Testament als kanonische Urkunde des Protestantismus am liebsten abgeschafft hätte. Die dogmatische Grundlage der neuen Wertung des Alten Testamentes ergab sich aus Karl Barths Ablehnung anderer Religionen als Mittel der Offenbarung: Religion ist Sache des Menschen, Offenbarung Gottes gibt es nur im Volk des alten und neuen Bundes (wobei Barth nicht bestreitet, daß auch in Israel und der Kirche Religion war und ist, aber eben als Sache des gottlosen Menschen). Ist diese radikale Beschränkung der vorchristlichen Offenbarung auf das Alte Testament [Ausgangspunkt einer Trennung zwischen den Juden und den] Christen auf der einen und den Heiden auf der anderen Seite oder können wir auch eine Trennungslinie zwischen Christen auf der einen, Juden und Heiden auf der anderen Seite sehen? Wenn wir die Frage positiv verstehen, ergibt sich die Antwort: die Verbindung von bekehrten Juden und ehemaligen Heiden in der Kirche ist für den Christen etwas so Neues und Überwältigendes, daß von ihm her gesehen Juden und Heiden, die sich noch nicht zu Jesus als dem Herrn bekannt haben, zusammenrücken und ihm gegenüberstehen, auch wenn er um die besondere Berufung Israels weiß. So gesehen steht für uns das alte Volk Gottes neben den „Völkern”.

LeerJesus Christus bringt nicht nur die Erfüllungen der Gottesverheißungen des alten Bundes, er ist auch Erfüllung dessen, was „die Völker” in ihren Religionen unbewußt erhofft und im Keim schon besessen haben. So hat es die Kirche in den ersten Jahrhunderten gesehen. Die Lehre vom lógos spermatikós (vom keimkräftigen Wort) war der Ausdruck dafür, daß das Wort Gottes, das in Jesus von Nazareth Fleisch wurde, schon keimhaft in den Völkern, ihren Religionen und besonders den Gedanken ihrer Philosophen anwesend war. Was die Väter der Kirche, die zum großen Teil selbst aus dem Heidentum zu Christus gefunden hatten, damals bezeugt haben, das fordern heute Theologen der Jungen Kirchen. Auf der Weltkirchenkonferenz in Neu-Delhi wurde es ausgesprochen: Christus und der Heilige Geist wirken in den anderen Religionen, auch wenn das den Hindus, Buddhisten oder Mohammedanern nicht bewußt ist. Die Forderung nach einer kosmischen Christologie läßt die Parallele zu den ersten Jahrhunderten erkennen, in denen Jesus Christus nicht nur als Erlöser der Seelen, sondern als Pantokrator, als Herrscher über das All geglaubt wurde. Zum Werden dieses Christus-Bildes in der Kirche haben wesentlich die früheren Heiden beigetragen.

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LeerNun ist allerdings das reformatorische, besonders das neureformatorische Christentum dem „Heidnischen” gegenüber mißtrauisch: „Nicht die Sterne, nicht die Geheimnisse der Natur oder das Sich-Versenken der Seele bringen uns Gott zur Kenntnis, sondern sein Wirken und Sprechen, seine Treue und Hingabe in der Geschichte.” So drückte es Professor Vriezen, Utrecht, auf dem Kirchentag aus. Liegt aber hier nicht eine Verengung vor? Schließlich war es ein „Stern”, ein kosmisches Ereignis, das die Magier aus dem Osten auf den Weg zur Anbetung des Christus-Kindes geführt hatte. Nicht der „Stern” allein hat die Weisen den Weg finden lassen. Zu dem Stern, den sie „im Morgenland gesehen hatten”, kam das Wort des Alten Testamentes, das sie hörten. Die Heiden können ohne das Wort nicht zu ihrem Ziel kommen, aber auf dem Weg waren sie schon, bevor ihnen das Wort der Offenbarung gesagt wurde.

LeerDafür, daß Israel nicht ohne die Völker, daß die besondere Offenbarung nicht ohne „Spuren Gottes” in den Religionen gesehen werden kann, spricht aber auch das Alte Testament selbst. Harnack hat einmal das Wort geprägt: „Wer das Alte Testament kennt, kennt viele Religionen.” Wir werden heute meist geneigt sein, diese Aussage negativ zu verstehen. Wir denken daran, daß Israel immer in Gefahr war, den Religionen der Völker zu erliegen, vom wahren Gott, dem Gott der Geschichte, zu den naturhaften Göttern des Landes abzufallen. Aber damit ist noch nicht alles gesagt. Albrecht Alt hat nachgewiesen, daß von den Vätern Abraham, Isaak, Jakob ursprünglich verschiedene Gottheiten verehrt wurden. Die älteren Gottesbezeichnungen sind noch heute in den Vätersagen des 1. Buches Mose erkennbar; die Götter der Väter - elohim - wurden „die paidagogoí (Erzieher) auf den größten Gott, der später ganz an ihre Stelle trat”: JAHWE. Selbst die alten heidnischen „Lokalnumina” - elim - wurden als Erscheinung des einen Gottes angesehen, und einstige Volksgötter wurden „in Jahwes Hofstaat als Engel eingegliedert”.

LeerHier vollzieht sich im Rahmen des alten Bundes etwas Ähnliches wie später in der Kirche. Die Götter, deren Existenz nicht geleugnet wird, werden ihrer Göttlichkeit entkleidet und „zu Dämonen degradiert”. Wie aber die Götter der Väter, die „in freier Wahl mit diesen Männern in Beziehung getreten waren”, aufgingen in dem einen Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, so ist der Herr Himmels und der Erde, den Paulus den Athenern verkündet (Apg 17), kein anderer als „der Gott eines Arat, eines Seneka, eines Dio von Prusa” (E. Fascher, Gott und die Götter).

LeerWir sehen: Auch von den Völkern aus geht eine Spur zu dem einen Gott. Daß aber dieser eine Gott nicht nur über uns ist oder nicht ohne weiteres in uns, daß die „Fülle der Gottheit” in Jesus erschienen ist und damit unsere und der ganzen Welt Heimholung schon begonnen hat, das kann sowohl der Jude wie der Heide nur durch einen Bruch mit seiner Vergangenheit erfahren: der Jude, weil für ihn Gott außerhalb und über seiner Welt steht und in gestaltloser Offenbarung spricht, der Heide, weil für ihn die Welt heilig ist, von göttlichen Kräften durchseelt. Für beide ist darum Fleischwerdung des Wortes, Menschwerdung Gottes keine Selbstverständlichkeit.

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LeerSchalom Ben-Chorin und mit ihm andere Juden unserer Zeit sind bereit, anzuerkennen, daß Jesus eine echte Möglichkeit für die Heiden ist, zu Gott zu kommen, nicht aber für die Juden (dem entspricht die Religionspolitik des Staates Israel, der nur nicht-jüdischen Christen gegenüber eine wirkliche Toleranz kennt). Die Aussagen der Kirche über Jesus werden von Schalom Ben-Chorin als heidnischen Ursprungs abgetan: „Ein Sohn Gottes, aus der Jungfrau erzeugt und geboren, das ist wohl mehr eine Vorstellung hellenistisch-orientalischer Art als eine biblische Erfüllung.” Der Glaube an den Dreieinigen Gott sei „eine Vorstellung, die das hebräische Glaubensdenken nicht vollziehen kann und nicht vollziehen will”. Jesus sei „nicht der Sohn Gottes und nicht die zweite Person der Trinität, weil wir diese Würde keinem Menschen zuerkennen können. Die Unerlöstheit der Welt läßt uns Jesus als den gekommenen Erlöser verneinen”.

LeerGemeinsam mit den Juden bekennen wir, daß die vollkommene Erlösung, das Reich Gottes in Sichtbarkeit noch nicht da ist. Unser tiefster Unterschied liegt darin, daß wir bekennen, die Erlösung habe schon jetzt begonnen, in dieser Weltzeit, in Jesus und in einem jeden, der zu ihm gehört. Das aber kann allein im Glauben erkannt werden.

LeerDie jüdische Ablehnung des dogmatischen Christus gab und gibt es allerdings auch unter Christen. Viele Protestanten haben eine jüdische Anschauung von Jesus. Sie sehen in ihm nicht den Heiland und Erlöser, Gottes Sohn, sondern lediglich einen großen, edlen Menschen. Sie wissen sich ebenso wie der bewußte Jude „der durch den Opfertod Jesu angebotenen Gnade nicht bedürftig” (Ernst Ludwig Ehrlich). Um die Jahrhundertwende erschien Harnacks Wesen des Christentums. Ein Rabbiner, der um seine Beurteilung gebeten wurde, sagte damals, es sei ein ausgezeichnetes Werk, nur müßte es eigentlich das Wesen des Judentums heißen. Allerdings nannten sich zur Zeit Harnacks die einen „‚Christen’, ohne die Christologie ernst zu nehmen, die anderen deklarierten sich Juden, ohne den historischen Zusammenhang mit der nationalen und religiösen Geschichte des jüdischen Volkes zu besitzen” (Ehrlich). Darum war und ist die Verbundenheit von Juden und Christen unter liberalem Vorzeichen keine echte Gemeinsamkeit im Sinne der Offenbarung Gottes. Während damals Jesus, der Lehrer, beiden Seiten gemeinsam sein konnte, hat sich - obwohl der Glaube an den auferstandenen Herrn uns trennt! - eine tiefere Verbundenheit ergeben durch Jesus, den Gekreuzigten. Mit dem Davidstern haben die Juden unter uns - wissend oder unwissend - das Christuskreuz getragen.

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LeerBei Chagall erscheint Jesus am Kreuz - bereits vor dem ersten Weltkrieg! - als Verkörperung jüdischen Schicksals. Schalom Ben-Chorin sieht das Kreuz von Golgatha „inmitten des furchtbaren Rauches, der aus den Krematorien von Auschwitz und Maidanek gen Himmel stieg”, ihm wird „das lebendige, das jüdische Bruderantlitz des Lehrers und Dulders von Nazareth für sein eigenes, von ihm so heiß geliebtes Volk wieder sichtbar”. Jesus, der leidende Gerechte, verbindet Israel und die Christenheit. Es trennt uns die Frage, was sein Leiden und Sterben „für uns” bedeutet. Schalom Ben-Chorin „kann das Kreuz von Golgatha nicht isoliert sehen”. Für ihn und für manche andere Juden ist Jesus einer - vielleicht der bedeutendste - unter den vielen, „die um ihres Glaubens an die Einheit und Einzigkeit Gottes willen zu Blutzeugen wurden und zu Gottesknechten und Gottesmägden, deren Verdienst uns beistehen möge, wenn die Bücher des Gerichtes vor dem Herrn der Welt aufgeschlagen werden. Sie alle sind Knechte Gottes - und nicht nur die Juden, sondern auch die Märtyrer der Humanität und der Gerechtigkeit.” Diese Aussage geht weit über das hinaus, was die römisch-katholische Kirche vom Verdienst der Heiligen sagt!

LeerWie Schalom Ben-Chorin bei aller Hochschätzung Jesu ihm abspricht, daß er für uns Leid und Tod überwunden habe, so läßt Pär Lagerkvist in seinem Romangleichnis Der Tod Ahasvers den „Ewigen Juden” zu Jesus sprechen: „Du glaubst, du seiest allein mit deinem Schicksal, mit deinen Leiden, deiner Kreuzigung. Aber du weißt wohl, daß du das nicht bist. Du bist nur einer von vielen, in einer unendlichen Schar, du bist nur der, zu dem sie emporschauen, wenn sie an ihr Schicksal und ihr Leiden denken und den sie deshalb den Menschensohn nennen. Wer opferte den Menschensohn?” Ahasver kommt zu dem Schluß: Er ist es, den Jesus seinen Vater nennt. „Er opfert Menschen! Ständig fordert er Opfer, Menschenopfer, Kreuzigungen. Er war es, bei dem die Macht war und die Rache .. . Du warst geopfert und verlassen. Nun verstehe ich das. Daß du mein Bruder warst. Nun hat er seine Macht über mich verloren, endlich. Endlich habe ich ihn überwunden, endlich habe ich Gott besiegt!”

LeerAhasver stirbt, nachdem Gott für ihn tot ist. Er ist über dem Opfer verzweifelt, daß Gott ihm und vielen anderen abgefordert hat und weiter abfordern wird. - Bis auf Jesus haben Juden und Heiden Opfer gebracht, um Gott und die „Götter” zu versöhnen. Nach christlicher Erkenntnis sind in dem Opfergang des Einen alle Opfer aufgehoben, zum Ende und zugleich zum Ziel gekommen. Der Mensch nach Christus kann und darf keine Opfer mehr bringen als nur in Christus. Und zu den Opfern, die ihm auferlegt werden, kann er nur in Christus Ja sagen. Wenn er das nicht tut, muß er schließlich zerbrechen und Gott für tot erklären.

LeerEs wird oft als ein Vorzug des nachchristlichen Judentums angesehen, daß es keine Opferreligion mehr ist; daß die Synagoge den Tempel abgelöst hat. Wo aber anstelle der Tempel von Juden und Heiden nicht Golgatha tritt, da entsteht ein leerer Raum. Auch nach Tod und Auferstehung Jesu werden noch Menschen geopfert. Das haben die ersten Christen aus dem Judentum gewußt. Einen Sinn in diesem Geopfertwerden können wir nur dann erkennen, wenn wir mit Jesus dennoch Gott als unserem Vater vertrauen. Wir sind dankbar dafür, daß Juden heute in Jesus ihren Bruder zu sehen vermögen. Es liegt ein unbegreifliches Rätsel darin, daß dies gerade auf Grund unserer Schuld geschehen ist, die Israel gleichzeitig daran hindert, mehr in ihm zu sehen: den Heiland und Erlöser.

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LeerDie Kirche hat von Anfang an ihre Sendung, ihre Mission darin gesehen, Juden und Heiden zu Jesus als dem Christus und Herrn zu führen. Ihre Sendung an Israel, die im Neuen Testament Voraussetzung für die Sendung an die Völker ist, wird allerdings heute in Frage gestellt. So heißt es in der holländischen Kirchenordnung von 1943: „Als Christus bekennende Glaubensgemeinschaft erfüllt die Kirche in der Erwartung des Reiches Gottes ihren apostolischen Auftrag insbesondere durch ihr Gespräch mit Israel, durch das Werk der Mission.” Nun könnte ja auch das Gespräch eine Form der Mission sein, aber es soll doch wohl hier die jüdische Ansicht bestätigt werden, nach der christliche Mission unter Juden verwerflich ist: „Wer als Christ den Missionsanspruch gegenüber den Juden aufrecht erhält, beweist, daß er das Phänomen des Judentums nicht begriffen hat.” So sagt es E. L. Ehrlich. Er ist bereit, „das Neue Testament als eine Heilige Schrift für die Christen zu akzeptieren - als eine Offenbarung Gottes für die Heidenchristen”.

LeerEs ist ohne weiteres zuzugeben, daß es nach allem, was geschehen ist, für uns Christen - nicht allein für uns Deutsche! - sehr schwer ist, unseren Glauben vor Juden mit Worten zu bezeugen, nachdem wir ihn mit unseren Taten verleugnet haben. Das ändert jedoch nichts an unserem Auftrag. Gerade wenn wir füreinander da sein wollen, müssen wir dabei bleiben, daß Jesus von Nazareth wohl unser Bruder, aber zugleich mehr als unser Bruder ist. Ehrlich erklärt: „Das Evangelium braucht nicht den Juden verkündet zu werden, sie selbst sind in der Lage, es zu studieren.” Aber sind nicht diejenigen, denen das Evangelium zuerst verkündet wurde, auch Juden gewesen? Bestand nicht die Keimzelle der Kirche, die wartende Gemeinde vor Pfingsten, nur aus Juden? Sind nicht fast alle Verfasser der neutestamentlichen Schriften selbst Juden gewesen?

LeerPaulus betont den Heidenchristen (und damit auch uns) gegenüber, daß Gott sein Volk nicht verstoßen hat: „Nach der Wahl sind sie Geliebte um der Väter willen.” Aber der Christ gewordene Jude kann in denen, die dem Herrn noch nicht gefolgt sind, nur seine Brüder nach dem Fleisch sehen. Sie sind also noch nicht seine Brüder nach dem Geist, weil sie nicht einstimmen in das Bekenntnis zu Christus, „der da Gott ist über alles” (Rom. 9-11). Nach einer jüdischen Legende bleibt Gottes Herrlichkeit immer eine Handbreit über der Erde. Nach dem Neuen Testament ist sie ganz in Jesus eingegangen: „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater.”

Quatember 1963, S. 2-8

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-28
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