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Die Blauen Pilger
von Friedrich Tillmann

LeerVergangene Pfingsten beging in England ein Kreis ganz eigener Prägung sein sechzigjähriges Jubiläum: die ökumenische Knighthood (Ritterschaft) der Blue Pilgrims. Die Tradition ihres Hauses in Sevenoaks, Kent, dem Sitz der Chantry (Ritterkapelle), geht laut Stiftungsurkunde des Erzbischofs von Canterbury auf das Jahr 1247 zurück.

LeerWas will dieser Kreis, dem heute etwa 300 Anglikaner, darunter namhafte Wissenschaftler, angehören? - Es geht ihnen darum, einander, auch in allen äußeren Dingen, soweit es in ihrer Kraft steht, ritterliche und brüderliche Hilfe zu leisten. Dies erscheint ihnen als notwendige Form, in der ihr Wille, als Christen zu leben, konkret und wirklich glaubwürdig wird. Sie wollen sich eben nicht genügen lassen an der unverbindlichen Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Gemeinschaft.

LeerEinem bekannten englischen Adelsgeschlecht entstammend, vermachte Beatrice Hankey 1902 ihr bedeutendes Vermögen der Knighthood, deren Wappenschild, eine goldene Krone auf weißem Grund, der damalige Prinz von Wales stiftete.

LeerEs war im Herbst 1949, als sich zehn Blaue Pilger, Männer und Frauen, darunter ein 70jähriger ehemaliger englischer Oberst, ein Bergmann aus Südwales, zwei Schwestern und verschiedene Studenten der Evangelischen Kirche von Westfalen zur Verfügung stellten, ohne Gegenleistung einen Monat lang irgendeine soziale Arbeit oder Hilfe zu leisten. Sie wurden alsdann eingeladen, die Räume des von der Kirchenleitung erworbenen Hauses Villigst zu weißeln und die Mauerdurchbrüche für die Rohrleitungen durchzuführen. Inzwischen haben sich etwa 30 Deutsche, meist Theologen und Pädagogen, diesem Kreis angeschlossen. Ihre Glieder stehen - ihrem Knight-Gelübde gemäß - in einer kulturellen, sozialen oder religiösen Aufgabe und Verantwortung.

LeerViel Segen ist von der Ritterschaft der Blue Pilgrims ausgegangen. Manche Not wurde durch die Schwestern, die hellblau gekleideten Pilgrims, in den Bergbaugebieten von Süd-Wales gelindert. Galsworthy beschreibt das große Elend, das damals in den Tälern herrschte, in seinem Schauspiel „Strife”. Im zweiten Weltkrieg betreuten einzelne Pilgrims während der nächtlichen Luftangriffe auf London alte Leute in den Luftschutzbunkern der Untergrundbahn der Themsestadt in völlig uneigennütziger Weise. Jetzt sorgen englische Knights für notleidende Ungarn in der Chantry, und deutsche Pilgrims kümmern sich um eine in Bielefeld lebende jugoslawische Flüchtlingsfamilie.

LeerIn ihren Zusammenkünften, den Camelots (came on a lot) pflegen die blauen Pilger - sowohl in Deutschland wie in England - persönliche oder familiäre Freundschaft. Ihre liturgischen Früh- und Spätandachten stellen eine kultische Geborgenheit dar, die eine gestaltende und bewegende Mitte zu geben vermag und sehr an die Tatkraft der Berneuchener erinnert.

Quatember 1963, S. 34-35

[The Blue Pilgrims]

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-02-28
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