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von Wilhelm Stählin |
Die Begegnung des Evangeliums von Christus mit der Welt außerbiblischer Religion oder Frömmigkeit findet nirgends im Neuen Testament einen deutlicheren und erregenderen Ausdruck als in der Rede, die Paulus nach dem 17. Kapitel der Apostelgeschichte (17, 16-33) auf dem „Areopag”, einem dem Ares geweihten Hügel, der Versammlungsstätte und zugleich Gerichtsplatz war, zu Athen gehalten hat. Die zahlreichen in der Apostelgeschichte überlieferten Reden (zumeist des Petrus und des Paulus) dürfen sicherlich nicht als wirklich gehaltene Reden verstanden werden, von denen auf eine kaum erklärbare Weise ein genauer Bericht auf die Nachwelt gekommen wäre; sondern sie sind Kompositionen des Lukas (oder wer sonst der Verfasser der Apostelgeschichte gewesen sein mag), der mit diesen Reden die Art apostolischer Missions-Predigt kennzeichnen wollte. Es wäre töricht, hier von „Fälschung” oder dergleichen zu reden, da es durchaus zum legitimen Stil der antiken Literatur gehörte, daß der Schriftsteller seine eigenen Gedanken durch die Autorität eines berühmten und allgemein anerkannten Namens beglaubigte, wofür die Psalmen „Davids” oder die Sprüche „Salomos” die bekanntesten biblischen Beispiele sind. Die besondere Sorgfalt, mit der „Lukas” diese Areopagrede stilisiert hat, ihr kunstvoller Aufbau und die gewählte Sprache (in ausgezeichnetem Griechisch), lassen erkennen, daß er selbst diese Rede, zwar nicht um ihres (offenbar geringen) Erfolges, aber um ihrer grundsätzlichen Stellungnahme willen als die entscheidende Konfrontation der Christusbotschaft mit der Welt heidnischer Frömmigkeit verstanden wissen wollte und ihr insofern eine besondere Bedeutung beigemessen hat. Insoweit freilich ist diese Rede (wie auch die anderen Reden der Apostelgeschichte) ein zuverlässiges Dokument, zwar nicht, wie Paulus tatsächlich gepredigt hat, wohl aber wie man in jener nachpaulinischen Generation, die den Ereignissen selber noch sehr nahestand, die Missionspredigt des Apostels - und damit den Typus einer Missionspredigt vor Heiden überhaupt - sich vorstellte und glaubte, sie literarisch überliefern zu können. Lukas scheint zunächst Wert darauf zu legen, daß Paulus diese Begegnung mit den in Athen konzentrierten religiös-philosophischen Traditionen der Griechen nicht nur nicht gemieden, sondern bewußt gesucht hat; er geht nach Athen und beginnt zwar auch dort, wie an fast allen anderen Orten, seine Missionspredigt zunächst in der Synagoge vor Juden und Proselyten, scheut aber auch nicht die öffentliche Rede auf dem „Marktplatz” vor einer sich dort zufällig zusammenfindenden Zuhörerschaft und läßt sich dabei durch billigen oder böswilligen Spott (Vers 18) nicht stören. Eine dort auf dem Marktplatz anlaufende Disputation mit den Anhängern der beiden Philosophenschulen, der Epikuräer und der Stoiker (man hat vielleicht mit Recht geglaubt, in ihnen die beiden immer vorhandenen Typen der radikalen Spötter und der ernsthaft Interessierten finden zu können), gibt den Anlaß, daß Paulus aufgefordert wird, auf dem Areopag Rechenschaft darüber zu geben, was er zu sagen hat. Die Ausdrucksweise (Vers 19) läßt zumindest die Möglichkeit offen, daß Paulus nicht ganz freiwillig auf den Areopag gegangen ist, zumal jene Behörde, die auf dem Areopag ihren Sitz und von ihm ihren Namen hatte (Vers 34, wo Dionysius als Areopagite, das heißt als Mitglied dieser Behörde bezeichnet wird), wenigstens nach früherer Anschauung - die Frage ist unsicher - zugleich ein Aufsichtsrecht über die in einer solchen Stadt zahlreich auftauchenden Wanderprediger, vor allem aus dem Orient, innehatte. Die erste Reaktion des Paulus auf diesen Eindruck ist der leidenschaftliche Widerspruch, den die Heilige Schrift überall gegen diese heidnische Gottesverehrung in ihrer unersättlichen Vielgestalt von Göttern und Kulten erhebt, der heilige Zorn über die Verkennung und Verleugnung des einen und allein wahren Gottes, die überall - so auch in den ersten Kapiteln des Römerbriefes - als das innerste Wesen aller heidnischen Religion gebrandmarkt wird. Um so erstaunlicher ist es, daß Paulus in seiner Rede nun keineswegs diesen „Grimm” spüren läßt und mit theologischen Keulenschlägen gegen diese Abgötterei dreinfährt, sondern vielmehr das, was er sieht und hört, als Symptome einer ernsthaften Frömmigkeit wertet. Denn die Vokabel, mit der er (Vers 22) diesen seinen Eindruck beschreibt und eine relative Anerkennung ausspricht, enthält zwar in ihrem Wortsinn die Anspielung auf die Dämonenfurcht, jene „Heidenangst”, als eine Wurzel und ein Kennzeichnen aller heidnischen Religionen; aber nach dem ganzen Zusammenhang ist das Wort hier in einem positiven Sinn gemeint: „Ich sehe, daß ihr durch und durch religiöse Leute seid” (so W. Bauer in seinem Wörterbuch zum Neuen Testament). Freilich leistet die Inschrift, die Paulus zwischen all den vielen Stätten und Gegenständen frommer Verehrung auf einem Altar gefunden hat „Für einen unbekannten Gott” einen wichtigen Beitrag zur Kennzeichnung dieser allgemeinen und vielgestaltigen Religiosität; denn nicht nur, daß verworrene und widerspruchsvolle Göttervorstellungen und Mythen keine klare Erkenntnis des Verehrungswürdigen aufkommen lassen, vielmehr ist jene Inschrift (im griechischen Text ohne bestimmten Artikel!) polytheistisch zu verstehen: es möchte noch einen Gott geben, den wir nicht oder jedenfalls nicht bei seinem Namen kennen, und der beleidigt sein und sich rächen möchte, wenn wir nicht auch ihm durch Errichtung eines Altars die Ehre, die ihm zukommt, erweisen. Lukas aber deutet diese Inschrift (die uns in dieser Form nicht bezeugt ist) als Verehrung des einen Gottes, der aber unbekannt ist und unbekannt bleibt. Lukas scheint in seiner Paulus-Interpretation diese allgemeine religiös geladene Atmosphäre mit der Bereitschaft, das Unbekannte nicht ohne einen Unterton der Furcht zu verehren, nicht nur negativ, sondern positiv zu werten, jedenfalls nicht sofort als etwas Grundverkehrtes zu tadeln. Denn das „Neue”, nach dem die Athener und das dortige Fremdenpublikum mehr als nach irgend etwas anderem lüstern waren (Vers 21), ist ja nicht etwas wirklich Neues, das eine echte Wende des Denkens bedeuten müßte, sondern nur die Sensation einer noch unbekannten Redeweise; und gerade darin ist die Situation in Athen typisch für jede solche religiös parfümierte Atmosphäre geistreicher Unwissenheit auch unter uns. Freilich, Paulus macht sich nun anheischig, diesen angenehmen Nebel aufzureißen, und von dem unbekannten Gott zu sagen, was er von ihm weiß. Man darf nicht darüber hinweglesen, daß der Gott, den Paulus verkündigt, ausdrücklich identifiziert wird mit dem, was die Athener verehren, ohne es zu kennen. (Der Text, der heute für ursprünglich gehalten wird, spricht an dieser Stelle nicht im Masculinum, sondern im Neutrum: was ihr verehrt, eben das verkündige ich euch.) Alle jene Götter samt den ihnen gewidmeten Heiligtümern und Kulten und samt einem vielleicht auch noch zu respektierenden unbekannten Gott, werden nicht einfach als Erzeugnisse leerer Phantasien, als bloße Ideen ohne Deckung in der Wirklichkeit beiseite gewischt, sondern auch in der Fülle jener eidola ist die Wirklichkeit geahnt und gemeint, auf die sich der Glaube an die Offenbarung Gottes richtet. „Ich gebe euch Antwort auf eure ungelösten Fragen”, und ich rede euch von eben dem, was ihr ohne Erkenntnis mit abergläubischer Furcht verehrt oder zum Gegenstand eurer Diskussionen macht. Freilich, was Lukas nun den Apostel von diesem einen und wahren Gott sagen läßt, bewegt sich zunächst in einer erstaunlichen Nähe zu religiösen Gedanken, die den gebildeten Athenern keineswegs ganz fremd waren. Daß „Gott” nicht in den mit Pracht und Schönheit gebauten Tempeln „wohnt”, daß er weder Speise, noch Kleidung braucht, wie sie den Göttern im Opfer dargeboten oder den Götterbildern in feierlicher Prozession dargebracht und angelegt wurden - unwillkürlich vergleicht man das mit kostbaren Gewändern bekleidete Standbild der Athene mit den mit ähnlicher Prunkkleidung geschmückten Darstellungen der Gottesmutter oder des Christuskindes in katholischen Wallfahrtskirchen -, das haben die philosophischen Wortführer einer geistigen Gottesverehrung in Athen auch gewußt und gesagt. Man muß nur davor warnen, aus diesen Worten etwa eine grundsätzliche Ablehnung jedes geordneten Gottesdienstes abzuleiten, als ob es nicht Formen des Gotteslobes und Zeichen der liebenden Verehrung gäbe, die wir in der Tat Gott schuldig sind - nicht um seinet-, sondern um unsretwillen! Dieser ganze erstaunlich „griechische” Teil der Aeropagrede gipfelt schließlich darin, daß Lukas den Apostel ein griechisches Dichterwort (die zweite Hälfte eines Hexameters des Dichters Aratus) zitieren läßt, wonach wir - wir alle! - mit der Gottheit verwandt, „seines Geschlechts” sind. Daß diese und ähnliche Äußerungen sich ursprünglich auf Zeus bezogen haben, hindert ihn nicht, solche Worte von der biblischen Schöpfungsgeschichte her zu interpretieren und in diesem Sinn in die Verkündigung des Evangeliums mit hineinzunehmen. Der Zorn über die heidnische Verirrung ist nicht aufgehoben, aber für Lukas tritt hier die (auch Röm. 9 nicht fehlende) andere Seite in den Vordergrund: die Langmut Gottes, mit der Gott die Völkerwelt auf ihren langen Wegen und Irrwegen gesehen und getragen hat (vgl. Ap. 14, 16). Aber diese göttliche Langmut hat dem suchenden Menschengeschlecht eine Frist gegeben und ein Ziel gesetzt, und jetzt ist die Stunde gekommen, in der diese Frist abgelaufen und der kairós gegenwärtig ist, dem nur eine entschiedene Wendung und Wandlung gerecht werden kann. Damit ist dann freilich jener Punkt der Rede erreicht, zu dem alles Vorhergehende nur in einer sehr vorsichtigen und sehr duldsamen Weise hinführen wollte. In die religiös geschwängerte Weltstimmung hinein entlädt sich wie ein Gewitter die Wahrheit der Offenbarung, und grelle Blitze reißen alles mystische Halbdunkel auf. Man kann drei Gedankengruppen unterscheiden, die aber in der Sache nicht voneinander zu trennen sind. Nun ist nicht mehr von allgemeinen Ideen, sondern von dem einen „Mann” die Rede; auch ohne daß der Name genannt wird, weiß jeder Leser und auch jeder gedachte Hörer dieser Rede, daß dieser Mann Jesus Christus ist. Gott hat nicht darum die Tempel leergelassen, um nun ins All zu zerfließen, sondern um in dem Einen gegenwärtig zu sein, der - ganz ungriechisch! - die Wahrheit nicht nur weiß, sagt, bringt, sondern verkörpert und ist. Und zweitens: In diese ganze Welt hinein, die nicht von dem Wissen um eine zielgerichtete Geschichte, sondern von der wahrhaft erschreckenden Idee einer umfassenden Wiederkehr aller Dinge bestimmt ist, wird nun streng geschichtlich von dem einen „Tag” gesprochen, auf den hin alle Tage der Geschichte sich zubewegen, und dieser eine Tag ist der Tag des Gerichts über die ganze Welt. Was sind alle Gerichtsverhandlungen und Urteile, die auf diesem Gerichtsplatz verkündet werden, gegen dieses eine Gericht, diese letzte Scheidung, in der alle freundlichen Harmonien, nach denen die griechische Welt strebte, aufgelöst und in ein unheimliches Entweder-Oder verwandelt werden! Dieser dreifache Alarm von dem einen Mann, dem einen Tag, der einen Tat Gottes findet nun leidenschaftliche Ablehnung, weil in der Tat hier jene allgemeine Religiosität an ihrer empfindlichsten und verwundbarsten Stelle getroffen ist. Die Rede wird abgebrochen in dem Augenblick, nachdem ihr Wesentliches und Eigentliches gesagt ist, und daß etliche Hörer äußerten, sie wollten Paulus darüber weiter hören, ist schwerlich etwas anderes als die uns allen nur zu sehr bekannte Höflichkeitsfloskel für die entschiedene Ablehnung. Dieser Rückzug aus einem wirklichen oder scheinbaren Interesse wird dann verständlich, wenn man sich die ganze Schärfe der Gegensätze, die hier nun aufeinandergestoßen waren, deutlich macht. Gegen die allgemeine und gerne im Unbestimmten verharrende Religiosität steht die konkrete Aussage, gegen das Schwelgen in allgemeinen religiösen Ideen der Hinweis auf das Besondere und Einmalige, gegen die Selbstberuhigung durch das erhebende Bewußtsein einer unaufhebbaren Verwandtschaft mit dem „Göttlichen” die Erwartung des Gerichts, gegen die Überheblichkeit einer bildungsstolzen Aufklärung die Zumutung wirklicher Umkehr und Wandlung, gegen die Idee der Unsterblichkeit die Verkündigung der Auferstehung, in der der Tod nicht versachlicht oder verharmlost, sondern mit seinem ganzen Schrecken ernst genommen, aber nicht als das letzte Wort anerkannt ist. Es wäre sehr verkehrt zu sagen, daß hier Lukas dem Apostel Paulus eine Rede in den Mund gelegt hätte, in der die entscheidenden Elemente christlicher Verkündigung zugunsten einer allzu weitgehenden Anpassung an griechische Denkformen und religiöse Vorstellungen preisgegeben oder auch nur abgeschwächt wären, und daß also hier das biblische Zeugnis durch das Dokument einer aufklärerischen und mystischen Frömmigkeit verdrängt worden sei. Vielmehr ist denjenigen Erklärern durchaus zuzustimmen, die aus der lukanischen Redekomposition die Absicht herauslesen, in der weitgehenden Anpassung an die Formelemente griechischer Vorstellungen und Denkgewohnheiten, auch an Elemente philosophischer Mystik, dann doch die im Urgründe des Alten Testaments verwurzelte Botschaft von Christus unverfälscht zu bezeugen und dabei zu zeigen, daß weder die bloße Neugier, noch ein echter philosophischer Wissensdurst bei den Athenern sich als wirkliche Anbahnung des Glaubens erwiesen hat. Gleichwohl ist natürlich auch das andere und Umgekehrte nicht zu übersehen, daß diese Rede sich von dem Gedanken des Apostels Paulus, wie sie uns aus seinen Briefen bekannt sind, erheblich unterscheidet, und es wäre nicht ratsam, diese spürbaren Gegensätze durch freundliche Harmonisierungsversuche abzuschwächen. Denn hier wird zwar einer im Grunde inhaltlosen religiösen Stimmung eine sehr bestimmte Aussage und einer Welt unklarer Gefühle der in der Geschichte verwirklichte Ratschluß Gottes entgegengestellt; aber es wird eben doch nicht einfach als grundverkehrtes und verwerfliches Heidentum abgetan, was dem Apostel in Athen begegnet war; es werden nicht - was Paulus ohnehin fernlag - mit der Axt des fanatischen Missionseifers die Götzenbilder zertrümmert, und der Gedanke, daß wir - auch jene Heiden! - an der Gottheit teilhaben, mit Gott nicht nur in Gedanken verbunden, sondern seinsmäßig verwandt sind und in ihm leben, weben und existieren, wird nicht als Hybris bekämpft oder verächtlich gemacht. Die Langmut Gottes hat die Zeit der Unwissenheit übersehen, um jetzt das Unbekannte bekanntzumachen und jene tastenden Ahnungen der Wahrheit in ihrem wahren Sinn zu enthüllen und zu vollenden. Die Mißverständnisse Gottes, die in der Vielzahl verworrener Mythen, der Götterbilder und Kulte ihren nur allzudeutlichen Ausdruck gefunden haben, werden auf dem eigenen Boden hellenischer Erkenntnis zurechtgerückt; aber das, was auch auf diesem Boden der aufgeklärten Philosophie noch verstanden und angenommen werden kann, daß Gott als der Herr der ganzen Welt weder unserer Opfer noch unserer Kulthandlungen bedarf, daß aber der Mensch als Gottes Geschöpf auf die Verbindung mit Gott angewiesen ist, und daß die unauflösliche Einheit des ganzen Menschengeschlechts auf seiner Verwurzelung in dem einen Urgrund und der gemeinsamen Bestimmung zur Erkenntnis Gottes begründet ist: das alles wird nun nur zur Vorrede für die eigentliche und entscheidende Wahrheit, daß nämlich die Summe aller Offenbarung in dem einen Menschen Jesus Christus verkörpert ist, und daß Gott Gericht hält über alle Welt, und daß weder Tod noch Unsterblichkeit, sondern die Auferstehung das letzte Wort über den Menschen ist und sein kann. Doch darf gewiß auch nicht der innere Abstand dieser (lukanischen) Areopagrede von den genuin paulinischen Gedanken überbetont werden; immerhin führt von Rom. 2, 4f eine tragfähige Brücke zu Ap. Gesch. 17, und wenn (nach Kol. 1, 15-18) Christus allem Geschaffenen als principium vorgeordnet ist, so liegt die Erkenntnis nicht ferne, daß auch die „Heiden” auf dem Wege zu Christus zu sehen sind. Diese Rede sieht nun in der Tat die ganze Welt außerchristlicher Religion und Frömmigkeit nicht in dem verzerrenden Licht eines schroffen Gegensatzes, sondern sie versteht das Evangelium als die Antwort auf die in allem echten „Heidentum” aufgebrochenen Fragen und bezeugt in großer Kühnheit die Gewißheit, daß der Gott, den der Bote Jesu Christi verkündigt, die gleiche Wirklichkeit ist, die dort, wenn auch in trüben Verzerrungen, geahnt und verehrt worden ist. Immerhin: auch diese Rede steht im Neuen Testament, und Lukas, der sie komponiert und dem Apostel Paulus in den Mund gelegt hat, gehört zu den Verfassern kanonischer Bücher. Man wird darüber hinaus sagen müssen, daß die Väter der alten Kirche das „Heidentum”, das sie vor Augen hatten und das sie zum Teil noch als ihre eigene Vergangenheit kannten, mehr im Sinn dieser Areopagrede verstanden haben, als in dem Sinn eines radikalen Gegensatzes ohne verbindende Brücke. Die an die Wurzel gehende Veränderung, die sich heute an Theorie und Praxis der Heidenmission der christlichen Kirche vollzieht, hängt in der Tiefe mit dem zusammen, was Lukas in dieser Rede sagen und ins helle Licht rücken wollte. Und es würde sich auch für das Selbstverständnis der christlichen Kirche rächen, wenn unsere Theologie, so wie es heute von manchen Gruppen gefordert wird, die hier zutage tretende Seite der komplexen Fülle biblischer Botschaft als eine bedenkliche Randerscheinung oder gar als Fehlentscheidung entwerten und uns also nicht nur davon dispensieren, sondern davor warnen wollte, das, was Lukas-Paulus in dieser Rede gesagt hat, ganz ernst zu nehmen. Quatember 1963, S. 157-163 |
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