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Max Joseph Metzger
von Jörg Erb

geb. 3. Februar 1887; gest. 17. April 1944

Leer„Die Welt braucht Heilige! Keine Mahnung ist so zeitgemäß wie diese. Nur durch Heilige, die den Alltag heiligen, wird unser Glaube glaubwürdig für die Welt, und daran, daß die Welt zum Glauben finde, hängt ihre Zukunft ebenso, wie die Bitternis der Gegenwart in der Entfernung von dem lebenspendenden Geist Christi begründet ist.”

LeerDieses Wort schrieb der römisch-katholische Priester Dr. Max Joseph Metzger, als er selbst schon den Weg des Leidens beschritten hatte, der ihn ins Martyrium führen sollte. Er war am 3. Februar 1887 in Schopfheim im badischen Hebelland geboren, studierte in Freiburg im Aargau und erwarb in Freiburg im Breisgau die theologische Doktorwürde. Im Herbst 1914 rückte er mit einer jungen Division als Feldprediger an die Westfront aus, war aber von den Erscheinungen des Krieges und ihren Auswirkungen auf die Menschen so betroffen, daß er sein Amt niederlegte. Alsbald begann er in Flugschriften und Broschüren für den Frieden zu wirken und verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, daß der Friede für die Welt nur erreicht und erhalten werden könne, wenn die Menschen auf dem Weg der Selbstsucht umkehrten und der Wille zu einer allseitigen Gerechtigkeit die Völker beseele.

LeerIm Jahr 1927 nahm er in Meitingen bei Augsburg seinen Wohnsitz und begründete die Christkönigsgesellschaft als einen Bund gläubiger Menschen, die, Gott ganz hingegeben, zugleich ganz in der Welt stünden, und am Altar beheimatet, sich zum Dienst Gottes in die Welt senden ließen. Priester und Laien, Ordensleute und „Freie”, Männer und Frauen sollten am Königreich Christi bauen, die einen, indem sie ein ordensmäßiges Leben des Gebets und der Arbeit führten, die andern, indem sie wie Sauerteig in ihrem Arbeitsbereich für Gott wirkten. „Der Ausgangspunkt für die Gründung des Bundes war das Wissen um die Not der Kirche Christi, auf die zu einem großen Teil die Not der Welt zurückgeht: Die Veräußerlichung der Kirche, das Verlassen des urchristlichen Geistes der Buße, der Liebe, der Gemeinschaft des Dienstes, die Selbstgerechtigkeit und der Mangel an lebendigem zündendem Geist und die in diesem Mangel begründete Spaltung der Kirche. Diese Not verlangte eine Erneuerungsbewegung, und für sie sollte die Christkönigsgesellschaft das notwendige Werkzeug, die vorbildliche, stellvertretende und dienende innerkirchliche Gemeinschaft sein mit dem Ziel: planmäßige Erziehung einer Christusjüngerschaft, einer urchristlichen Opfer- und Liebesbewegung, und das alles auf dem Grund einer Neubesinnung auf das Gotteswort und auf das Sakrament des Herrn; von diesem Grund aus Mitarbeit an den großen Weltaufgaben und Verwirklichung der Una Sancta, wie sie der Herr will und wie die Welt sie braucht.”

LeerEs fanden sich mehr Frauen als Männer, die das Gelübde des neuen Ordens ablegten, und die Leitung der Christkönigsgesellschaft war stets in dem in Meitingen errichteten Mutterhaus beheimatet. Der Bund sollte zu einer Weltorganisation ausgebaut werden; auf einer Reise durch Südamerika suchte Dr. Max Josef Metzger diesem Gedanken zu dienen; aber seine Pläne durften nicht ausreifen. Das Dritte Reich trat dieser katholischen Friedensbewegung entgegen; hemmend waren aber auch die Bedenken der Bischöfe, die sich durch das Sendungsbewußtsein dieses Mannes bedrückt, erschreckt oder abgestoßen fühlten, der sich für sein großes Missionswerk den Völkerapostel zum Vorbild nahm, seinen bürgerlichen Namen ablegte und sich Bruder Paulus von der göttlichen Vorsehung nannte. Mehr noch nahmen sie Anstoß daran, daß er unermüdlich die Einheit der Kirche forderte. Mit Erlaubnis seiner Oberen durfte er zwar an der ökumenischen Konferenz von Lausanne teilnehmen und darüber in Rom berichten; aber über das Ergebnis seiner Berichterstattung wurde ihm Stillschweigen auferlegt.

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LeerBruder Paulus lebte völlig in der Heiligen Schrift und seine Verkündigung beruhte ganz und gar auf dem biblischen Wort, das er oft in Luthers Übersetzung las. Die Lieder der reformatorischen Kirche waren auch seine Lieder und erschienen ihm als ein köstliches Gut der Einen Katholischen Kirche. Aus seinem Bibelstudium erwuchs seine starke Gottverbundenheit, und noch aus dem Gefängnis hat er geschrieben: „Die heilige Freude des ‚In Christus Seins’, die Paulus immer wieder aufjubeln ließ in seinen Drangsalen, sei das Gnadengeschenk, das wir uns gegenseitig erbitten wollen.” Wenige Wochen vor seinem Tod hat er dieser innigen Gottverbundenheit mit folgenden Worten Ausdruck gegeben:
Ich trage Dich in Herz und Sinn,
Du, Herr, bist mir zum Ich geworden.
Wohin ich geh, ich trag Dich hin.
Du sprichst aus meinen Menschenworten.
Mein Mund den „Vater unser” preist,
es sind die Worte Deines Mundes.
Und fleh ich, seufzt in mir der Geist,
die Stimme Deines Lebensgrundes.
Mein wahres Leben ist nicht mein:
Du bist's, der in mir lebt und leidet,
und sterb ich, bin ich ewig Dein,
ob auch vom Leib die Seele scheidet.
O wundersame Zweisamkeit!
Der Höchste eins mit dem Geringsten!
Geschichte, neue Wirklichkeit
an mir von Bethlehem bis Pfingsten!
LeerDie Kirche war für Bruder Paulus nicht nur die wohlgegliederte Rechtsorganisation, sondern vor allem die weltumspannende und alle Wahrheit umfassende Gemeinschaft aller ehrlichen Jünger Christi, der Leib des Herrn, dessen Atem der Heilige Geist ist. Der Begriff „katholisch” bedeutete für ihn nicht so sehr Abgrenzung, als vielmehr Aufruf zur Geistesfreiheit und Herzensweite Christi, der alle zu seinen Jüngern zählt, die durch die eine Taufe seinem Leib eingegliedert sind und ihm die Treue zu halten den ehrlichen Willen haben. So war er als Christkönigspriester in Herzensgemeinschaft allen Christen guten Willens verbunden, auch wenn sie außerhalb der römischen Kirche standen; er war mit ihnen in der Bitte verbunden, daß eine Herde und ein Hirte werde.

LeerWährend seiner zweiten Haft im November 1939 wandte er sich aus tiefer Bedrängnis mit folgenden Worten an den Papst: „Heiliger Vater! Die Not der Zeit - und durch sie spricht Gott zu uns - verlangt gebieterisch die letzten Anstrengungen, um die Zerrissenheit der Christenheit zu überwinden, damit das Friedensreich Christi in der ganzen Welt wirksam werde. Die Not ist darum über uns gekommen und wird uns noch mehr demütigen, damit wir allesamt endlich zu einer großen Metanoia gelangen, einer Umkehr von den Wegen der Selbstgerechtigkeit, der Verblendung und des Stolzes, und zu einer vollen Hinkehr zu Christus, dem Friedefürsten und König der Liebe, gelangen.”

LeerIn seinem zweiten Testament vom Jahre 1942 erklärte er, daß er als treuer Sohn der Kirche Christi sterben wolle, deren Einheit er im Heiligen Vater von Rom dargestellt und gesichert sehe, fährt dann aber fort: „Dieses Bekenntnis wird nach meiner festen Überzeugung nicht beeinträchtigt durch die Tatsache, daß ich mich mit den gewissenstreuen evangelischen Brüdern in Christo Jesu von der Taufe her und vom gemeinsamen Bekenntnis des gleichen Herrn ebenso verbunden weiß wie mit den Brüdern, mit denen ich die Gemeinschaft des Sakraments der Einheit und des Friedens pflegen darf. Es war mein ganzer Lebensinhalt für die Reinheit, Heiligkeit und Einheit der Kirche als der Braut Christi zu wirken. Nichts kann meinem Leben einen sinnvolleren Abschluß geben, als wenn ich es für den Frieden Christi im Reiche Christi hinopfern dürfte.”

LeerSeine ganzen Bemühungen um die Einheit der Kirche sind in den Worten zusammengefaßt, die frei von aller Überschwenglichkeit, dennoch das Ziel festhalten: „Es wird wohl menschlicher Bemühung nie gelingen, den Fluch zu lösen, der auf unserm Volk durch die Schuld der Jahrhunderte lastet. Nur von der Gnade Gottes läßt sich erwarten und erbeten, was Menschen unmöglich ist. Aber mit der Gnade des Herrn dürfen wir um so eher rechnen, je mehr wir selbst alle Hindernisse beseitigen, die ihrem Wirken im Wege stehen, je selbstloser, demütiger, liebevoller wir an das Werk gehen, das uns doch als Aufgabe von Gott gegeben ist: daß alle eins werden!”

LeerEs liegt auf der Hand, daß ein Mann wie Bruder Paulus von der Geheimen Staatspolizei peinlich überwacht würde. Zweimal kam er ins Gefängnis, und zweimal wurde er wieder freigelassen. Die Umstände, die zu seiner dritten Verhaftung und Gefangenschaft führten, die mit seiner Hinrichtung endete, geben uns das Recht, ihn als einen Märtyrer der Una Sancta und der Pax Christi zu bezeichnen. Er wußte von dem Auftrag, den der schwedische Erzbischof Eidem auf die Bitte deutscher Friedenskämpfer übernommen hatte: Hitler ins Gewissen zu reden.

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LeerAuch Bruder Paulus richtete seine Hoffnung auf diesen Kirchenführer und wurde darin bestärkt durch die Teilnahme an einem Teegespräch bei Frau Solf, die zusammen mit Oberin Elisabeth von Thadden die ökumenischen Friedensverbindungen pflegte. Eine Schwedin, Frau Dagmar Imgart, bot sich für den Vermittlungsdienst an und wußte das Vertrauen Dr. Metzgers zu gewinnen, so daß er ihr nach mehreren Besprechungen einen Brief an den schwedischen Erzbischof übergab, der eine Schilderung der Lage Deutschlands und Vorschläge für eine Friedensvermittlung enthielt. Bei dem nächsten Treffen im Piusstift in Berlin am 29. Juni 1943 wurden alle Teilnehmer verhaftet. Die Schwedin hatte als Spitzel gedient.

LeerBruder Paulus ertrug sein Schicksal froh und gefaßt in dem Bewußtsein, Volk und Vaterland nach bestem Gewissen gedient zu haben. Erst im Oktober fand die Verhandlung statt, die nicht das Recht finden, sondern Abschreckung im Volk verbreiten sollte. Bruder Paulus fühlte sich dennoch verpflichtet, alles zu tun, was in seiner Kraft stand, um das Recht herauszustellen. Er betete für die Richter, daß sie als Werkzeuge Gottes handeln möchten, und als er das Todesurteil vernahm, überkam ihn ein Gefühl stolzer Verachtung. Den Bundesgeschwistern ließ er sagen: „Ich habe mein Leben Gott angeboten für den Frieden der Welt und für die Einheit der Kirche. Wenn er es annimmt, freue ich mich; wenn er mich am Leben erhält, will ich ihm dankbar sein. Wie Gott will! Das Christkönigsfest wird für euch schwer sein, aber singt trotzdem Alleluja. Bleibt eurem König Christus treu!”

LeerMit ändern Todeskandidaten wurde er in das Zuchthaus Brandenburg-Görden gebracht; von dort schrieb er: „Für uns hat man keine Arbeit mehr; wir haben nur zu sterben. Aber ich bete und singe, lese und schreibe das Wenige, das man uns zugesteht. Besonders haben es mir die beiden Lieder angetan: ‚Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen’ und ‚Was Gott tut, das ist wohlgetan’; singt sie doch täglich mit mir und dankt Gott, daß er mich für seine große Sache sterben läßt, damit sie nachher desto besser wachse und gedeihe!” Über Weihnachten schuf er Weihnachtslieder, die Osterwoche beging er mit Auferstehungsgesängen und übersetzte dann den Römerbrief. Am 17. April 1944 wurde er nach ganz kurzer Ankündigung durch das Fallbeil hingerichtet, während in Meitingen die Schwestern wie an jedem Tag um die Hinrichtungszeit die Sterbegebete sangen: „Kommt, ihr Heiligen Gottes, eilt entgegen, ihr Engel des Herrn! Christus, der dich berufen hat, möge dich aufnehmen!”

LeerUns aber sollen die Worte des treuen Märtyrers im Herzen brennen: „Fast möchte ich die Hoffnung aufgeben, daß noch werden kann, was uns als Offenbarung vor der Seele stand. Aber Gott der Herr kann sich aus Steinen Kinder erwecken; er vermag auch jemand zu senden, der mehr Fähigkeit oder Segen hat in dem, was er unternimmt. Ich darf die große Idee nicht begraben und muß noch im Sterben zusehen, ob nicht ein anderer die Fahne entfalten kann, die ich aus der Hand lege.”

Quatember 1963, S. 164-167

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-06
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