Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1963
Autoren
Themen
Stichworte

Eindrücke vom Kirchentag
von Georg Gudelius und Wolf-Herbert Deus

LeerDie Überschrift für die beiden nachstehenden Berichte soll zum Ausdruck bringen, daß hier noch keine abgewogene Kritik geübt, sondern nur ein erster Versuch unternommen wird, die Fülle des Erlebten zu verarbeiten. Wer an dem Kirchentag nicht teilgenommen hat, wird aus diesen Berichten und ihren gelegentlichen Widersprüchen den Eindruck gewinnen, daß die evangelische Christenheit in Deutschland sich in einem heftigen Gärungsprozeß befindet, der sich der Kontrolle der Kirchen entzieht: Christus nicht mehr der gute Hirte, sondern der gute Busfahrer? Modernisierung der Bibel und ihrer Bilder? Kanzeldiskussionen? Songs an Stelle von Chorälen? Mission durch Angleichung an die Welt der Technik? Geht das so oder warum geht es nicht? Um Stellungnahme bittet die Schriftleitung.
I.

LeerNoch nie bewegten sich vor und nach einem Kirchentag in ähnlich breiter Weise, wie das in diesem Jahr geschah, die Gedanken und Fragen um das Ziel und um den Weg der großen evangelischen Massenveranstaltung. Das hatte vor allem seinen Grund darin, daß der Kirchentag 1963 nach 13 Jahren wieder in einem der größten Industriebezirke der Welt stattfand. In diesen Ballungsraum der modernen Industriegesellschaft mit ihren Problemen und Konflikten gedachte die evangelische Christenheit (West-)Deutschlands die zündende Fackel ihres Zeugnisses zu werfen. Man wird leider sagen müssen, daß diesem Unternehmen eines „Alltagskirchentages” kein Erfolg beschieden gewesen ist. Wohl stellten das Ruhrgebiet und das übrige Westfalen den weitaus größten Teil der Kirchentagsteilnehmer; aber es ließ sich nicht verkennen, daß dies eben solche Menschen, vorzugsweise Frauen, waren, die auch sonst aktiv am Leben ihrer Heimatgemeinde beteiligt sind. Das wird man auch von jenen annehmen dürfen, die von dem Angebot der seelsorgerlichen Beratung und der Einzelbeichte Gebrauch machten - es waren viele Hunderte. Und auch die überraschend große Anteilnahme der Jugend erklärt sich nur daraus, daß hier alle evangelischen Jugendverbände vornehmlich Westfalens geschlossen vertreten waren. So hat man - trotz der 1000 Besucher aus der Ökumene - wohl mit Recht von einem „Gebietskirchentag” gesprochen, der zwar als solcher sicher seine Bedeutung hatte, der aber doch wohl weder der ursprünglichen Kirchentagskonzeption entsprach, noch auch die besondere Erwartung realisierte, die man an den „Aufbruch ins Revier” geknüpft hatte.

LeerVon daher wird verständlich, daß alle diejenigen Veranstaltungen, in denen sich die Kirchentagsteilnehmer „zu Hause” wußten, äußerst stark besucht waren: die nachmittäglichen Bibelarbeiten und alle Gottesdienste in der Frühe und am Abend. Das gilt auch von der Evangelischen Messe, die die Michaelsbruderschaft an drei Abenden spät in der schönen St. Marienkirche hielt; ferner von den beiden gottesdienstlich gestalteten „Ruferspielen” der Ökumenischen Marienschwesternschaft, die an die 15 Aufführungen erlebten. Neben den „konventionellen” Gottesdiensten bot die Jugend aber auch neue Versuche mit Rundgespräch, moderner Musik, Dialog-Predigt usw.; auch sie waren immer überfüllt, aber eben wieder und vor allem vom - meist jungen - „Kirchenvolk”.

LeerDas „Volk” aber, „die Dortmunder”, die man eigentlich erreichen und ansprechen wollte, kamen nicht. Und wo man sie zu treffen meinte: in den von neun Teams getragenen Straßen- und Werksevangelisationen, da gingen sie kopfschüttelnd vorüber; denn was hier geboten wurde, waren Steine für sie, kein Brot, war eine Sprache, die sie nicht verstanden und verstehen konnten. Martin Niemöller gelang es freilich, in seinen drei Abendvorträgen „Christus 1963” die alte Botschaft neu zu sagen - im wesentlichen aber auch nur vor Kirchentagsteilnehmern.

Linie

LeerUnd ebenfalls waren sie es, die mit der sogenannten neuen Struktur des Kirchentages auch die dieser zugrundeliegende neue theologische Konzeption erfassen sollten und wohl auch zumeist erfaßt haben. Heinz Zahrnt hat sie so umschrieben: „Christlicher Glaube als rechte Wahrnehmung der Wirklichkeit der Welt”, und - wird man ergänzend fortfahren müssen: eine diese Wirklichkeit genau treffende christliche Verkündigung. Hieran richteten sich die vormittäglichen Ausspracheveranstaltungen in überschaubaren Gruppen aus, die durch Anspielfilme zum Sprechen veranlaßt werden sollten. Im allgemeinen hat sich diese Methode bewährt: täglich haben ein Viertel bis ein Drittel aller Kirchentagsbesucher in Diskussionsbeiträgen das Wort genommen. Aber auch hier zeigte es sich, daß die Teilnehmer in der Mehrzahl Menschen waren, die sich auch sonst zur Kirche halten und also zu den „Konservativen” gerechnet werden müssen. Darum erfuhren die sozialen und gesellschaftlichen Themen nicht in gleichem Maße Beachtung und Behandlung wie die unmittelbar auf Kirche und Gemeinde bezogenen Fragen; vor allem die jugendlichen Gesprächsteilnehmer hielten hier mit Kritik nicht zurück.

LeerAuch mit den Großveranstaltungen am Abend versuchte man, die christliche Botschaft auf neue Weise zu vergegenwärtigen, sie wirklich in diese unsere Welt hineinzustellen, eine Aufgabe, die von Jahr zu Jahr dringlicher wird und um die sich der Deutsche Evangelische Kirchentag immer aufs neue wird mühen müssen. In Dortmund wurde damit erst ein bescheidener Anfang gemacht.

Georg Gudelius
II.

LeerEine Tageszeitung berichtete rühmend, die Kirchentags-Besucher seien in den Eisenbahnen und in den Straßen gar nicht von anderen Menschen zu unterscheiden, sie seien durchweg ganz normale Zeitgenossen. Das dürfte über den Stil dieses Kirchentages im Industrierevier etwas aussagen, der ausdrücklich den Menschen in der modernen Industrie-Zivilisation suchte. - Der Oberbürgermeister von Dortmund sprach uns am Eröffnungsabend das alte Paul-Gerhardt-Lied vor „Nun ruhen alle Wälder” und rief uns damit deutlich ins Bewußtsein, wie weit wir heute von diesen alten Zeiten entfernt sind. Das war die Grundstimmung der hier Versammelten, daß die Kirche sich nicht zu Ludwig Richter und Wilhelm Raabe zurückträumen darf.

LeerUnd doch meine ich, daß die hier zusammenströmenden Menschen ein anderes Bild boten als eine beliebige Ansammlung, daß auch Friedrich Nietzsche hier hätte beobachten können, daß die Christen „erlöster” aussahen. Dies Leben in großstädtischen Straßen zwischen einem ständig hetzenden Stundenplan, die Unmenge von Menschen, die überfüllten Fahrzeuge, die fernen Quartiere, all der Lärm, Gemeinschaftsverpflegung, der Verzicht auf das Private, Hitze und Regen wurden geduldig ertragen. Es war keine Anhäufung von Isolierten, sondern überall war schnell der Kontakt gefunden, auf allen Bänken sprach man unbefangen mit dem Nachbarn, und manche Bekanntschaft dürfte auf Dauer gemacht sein. Und warum kamen so viele? Was suchten sie hier? Sie füllten die Kirchen so an, daß sie bis zum letzten Eckchen jeder Altarstufe besetzt waren, auch die riesigen Hallen und Zelte.

Linie

LeerIch fürchte, viele von ihnen, hatten das Bedürfnis festzustellen, daß sie nicht allein sind, daß es das, was sie sein wollen, in vielen Exemplaren gibt. Ich fürchte auch, viele von ihnen empfinden die Gemeinde zu Hause als die Kirche im Ghetto, stoßen sich täglich an den Mauern der Welt im nachchristlichen Zeitalter und wollten sich nun einmal tragen lassen von dem Gefühl, gehalten zu sein von der unzählbaren Menge gleichgesinnter und gleichgestimmter „Nächster”, die sie nicht fordern, sondern ihnen Halt geben. Aber so war das Tagesthema des Sonnabends „Gehalten in der Welt” doch wohl allzu einseitig gesehen. Der Rausch der Menge lag über diesen Riesengemeinden im Collosseum der Westfalenhalle, wie bieder auch ihr Gehabe war, und wenn auch nichts anderes geschah als jeden Sonntag in jeder Kirche, die Zahlen sprengten alles Gewohnte.

LeerIch bin mit vielen Vorbehalten nach Dortmund gefahren und habe meine Bedenken auch bestätigt gefunden. So manches ist nur an Ausmaß größer, an Niveau aber keinen Deut besser als in einer mittelmäßigen Gemeinde. Und doch ist unübersehbar, daß da auch etwas ganz anderes vor sich ging. Präses Wilm sprach von einem Interviewer, der den Kirchentag als Werbe-Veranstaltung auffaßte. Solche Auffassung liegt für den Außenstehenden nicht fern; denn hier wird ja mit allen Techniken und Methoden angesprochen und aufgerufen, so vielfältig, daß jeder sich irgendwie ärgert, aber auch irgendwo gepackt wird. Man braucht das nicht alles schön zu rinden, aber man muß es gelten lassen. Und dennoch war der Dortmunder Kirchentag ein Familienfest, wie Präses Wilm ihn nannte, oder ein Alltags-Kirchentag, in den alles hineingehört, die Arbeit, die Unterhaltung und die Kommunion. Die Konflikte, von denen hier die Rede war, klaffen nicht zwischen einer auserwählten Gemeinde und einer verlorenen Welt; hier ging es um die Konflikte unter uns und in uns.

LeerSeltsamerweise habe ich nie eine Deutung des Wortes „Konflikt” zu hören bekommen, die gesagt hätte, daß die Vorsilbe „con-” doch eben „zusammen” heißt und daß „con-fligere” nicht nur das feindliche Zusammenstoßen bedeutet, sondern ursprünglich auch jedes Zusammenbringen und Vereinigen wie das Zusammenklingen von Glocke und Klöppel. Aber es wurde oft gesagt, daß wir Konflikte nicht aus der Welt bringen können, sondern ihnen eine positive Wendung geben oder sie mindestens geduldig ertragen sollen.

LeerEine Taktlosigkeit war vielleicht der dritte Anspielfilm, in dem man eine leere Kirche und eine volle Fußballarena zu sehen bekam. Das war zu billig. Man hätte gerade in einer Stadt, die stolz ist auf ihre Fußball-Meister, solche irreführenden Gegenüberstellungen vermeiden sollen, nicht nur aus Taktik, sondern aus wirklichem Verständnis.

LeerDiese Filme sollten ja zum Nachdenken und zur Aussprache anregen. Das war das neue Experiment in Dortmund, daß man morgens mit Anspielfilmen begann und dann in hundert Aussprache-Kreisen die Fragen des Tages diskutierte. Am Nachmittag wurde dasselbe Thema auf vier Parallel-Veranstaltungen in Vorträgen entfaltet. Erst danach folgte die Bibelarbeit. Abends wurde das Thema in Dichterlesungen und Kirchenmusik, in Schauspielen und Verkündigungs-Spielen, auch in Vorstellungen, die zunächst nach bloßer Unterhaltung aussahen, fortgesetzt, aber die Gemeinden sammelten sich auch zu Gottesdiensten und Abendmahlsfeiern. Ihren Abschluß und ihre Vollendung fanden die Tage in den Evangelischen Messen in St. Marien.

Linie

LeerDieses Experiment ist geglückt. Das möchte ich mit aller Entschiedenheit bejahen. Wie viel auch in Einzelheiten zu wünschen übrig geblieben sein mag, dieser Aufbau ist so organisch und natürlich, daß alles andere verkehrt erscheint.

LeerEs wurde naturgemäß viel gepredigt und verkündigt, anfangend mit den Straßenpredigten, die den Vorübergehenden anrufen, auch bei Schichtwechsel vor den Werkstoren, auch in der Halbzeitpause der großen Fußballspiele bis hin zu den anspruchsvollen Bibelarbeiten von Walter Lüthi, Dieter Andersen u. a. Bis ins Gefängnis drangen die Anspielfilme, Aussprachen, Predigten, Posaunenbläser vor. Man fragt sich: Ist es gut, Predigten in dieser Anhäufung anzubieten? Aber jede von ihnen findet ihre Gemeinde, ihre große Gemeinde, und deshalb ist es auch richtig. Auch für den einzelnen, der ein halbes Dutzend Predigten am Tage hörte, auch wenn das eine Wort das andere oft schnell verdrängte! Aus dem sehr verschiedenen Stil sprachen doch viele echte starke Persönlichkeiten, und gerade auf dem Kirchentag wird es deutlich, daß „die Kirche” überall da ist, wo in der Verschiedenheit der Personen doch der gleiche Heilige Geist sich kundtut.

LeerEs war gut, daß die Menschen sich morgens erst einmal aussprechen konnten. Auch hier wurde deutlich, was wir bei „Herrn Jedermann” gelernt hatten, daß das Wort zum Alltag zunächst wichtiger ist als das Wort zum Sonntag. Und vor der öffentlichen Aussprache gab es sogar noch „Brabbelgespräche”, in denen kleine Gruppen sich über den Film aussprachen, ihre Beobachtungen austauschten und ihren Standpunkt klärten. Was in einem Vortrag von der Schule gesagt wurde, das galt hier auch, daß man erst im Gespräch mit dem Banknachbarn zu einer artikulierten Meinung kam. Wer wollte solche Aussprache nach einer Predigt ansetzen? Nach einem Film ist es leicht, sich etwas von der Seele zu reden. Und erst dadurch wird der Kirchentag zu einem echten Treffen. Mir scheint, daß diese Filme und Aussprachen für die große Menge wichtiger waren als die Vorträge. Selbstredend waren diese durchweg gut. Kritik am einzelnen ist hier nicht am Platze. Aber vielleicht war der schlichte Hörer durch den akademischen Charakter dieser „Vorlesungen” doch überfordert.

LeerVon den tausend Veranstaltungen fielen die meisten in die Abendstunden. Gerade die Vielfalt, in der hier Not und Tod, Zweifel und Verzweiflung, Gericht und Gnade, Hoffnung und Dank, Gewißheit und Gotteslob in Kirchen und Kinos, in Zelten und Sälen, auf Straßen und Bühnen ausgesprochen, ausgerufen, hinausgeschrien und hinausgesungcn wurden, war wichtig.

LeerDie Verkündigung ist nicht an Feierlichkeit und überhaupt nicht an Form gebunden. Neben der Evangelischen Messe steht der Gottesdienst in neuer Gestalt, zu dem die Jugend einlud. Die Messe war erstaunlich gut besucht, aber die Jugendgottesdienste waren immer schon bis zum letzten Stehplatz überfüllt, lange ehe sie begannen, und oft wurden sie wiederholt. Immer neue Gruppen machten hier Versuche mit Dialogpredigt und Zwischenfragen, Rundgespräch und moderner Musik.

LeerAuch wenn nicht alles überzeugend und weniges annehmbar war, darf man sich doch der Jugend und der jungen Pastoren freuen, die immer wieder neue Mittel ersinnen, die Menschen anzusprechen. Sie sagten, daß sie das schon seit Monaten und seit Jahren erproben, freilich bisher in säkularen Räumen und erst hier in einer Kirche. Daraus werden sie ihre Folgerungen zu ziehen haben.

LeerMit Konflikten lebenAber nicht nur bei der Jugend, auch bei reiferen Jahrgängen fanden radikale Forderungen nach Erneuerung immer wieder Beifall. Es ging bis zu bitonalen Psalmen, die von den Männerstimmen in einer anderen Tonart gesungen werden als von den Stimmen der Frauen. Für mein Ohr klingt es jämmerlich, und ich bewundere nur das musikalische Können der Sänger, aber Applaus erntete auch dieser Versuch. Auch gründliche Erneuerung der Bibel-Sprache wurde gefordert; man solle nicht mehr sagen „Der Herr ist mein Hirte”, wenn kaum jemand einmal einen Hirten gesehen hat, sondern solle sagen „Der Herr ist mein Busfahrer”, denn der hat das Steuerrad in der Hand und lenkt an den Gefahren vorbei. Auch so etwas wird nicht nur ausgesprochen, sondern findet sogar Beifall. Bekenntnisse pietistischer Frömmigkeit dagegen stoßen auf knisternde Nervosität; sie scheint keinen Boden mehr zu finden. Am typischsten ist wohl der schockierende Kontrast zwischen Gott und Welt in den Glaubensaussagen der Künstler, angefangen bei dem Kirchentagsplakat mit der Dornenkrone aus Stacheldraht. Man mag sagen, daß man kein Organ dafür habe, man mag es häßlich und stillos finden, aber man sollte nicht den Glauben anzweifeln, der aus ihnen spricht. Ein Lied wie „Alle Leute sagen, es gäbe keinen Teufel” ist echt und packend. Der Inhalt erschüttert trotz der fragwürdigen Form. Und die Grenzüberschreitungen zum Grotesken sind leichter tragbar als die zum Kitschigen, zu dem ich den berühmten Danke-Song rechnen möchte.

LeerIn der Musik ist die neue Form, die traditionsgebundene Menschen als Unform empfinden, am weitesten vorgedrungen, auch schon in die großen Choräle hinein, auch zu den Marienschwestern aus Darmstadt, die um den Altar tanzten, und zu der Marburger Schola, die in feierlich schwarzen Chormänteln zeitgemäß psalmodierte. Auch in den ausgestellten Fotos verriet die Jugend, wie sie die Kirche und ihre Umwelt sieht: Überall werden Unvereinbarkeiten konfrontiert und zeigen Konflikte, die das Weltbild der jungen Generation beherrschen und ihren Glauben bestimmen. Die Provokation Bert Brechts wurde zur abendfüllenden Podiumsdiskussion im Opernhaus.

LeerIn Dortmund mußte alles modern, technisch, großstädtisch sein, was ankommen wollte. Auch in den Vorträgen und Predigten spielte die Großstadt eine Hauptrolle. In der Westfalenhalle behandelten einen Abend lang Sprecher aus vier Kontinenten die Probleme der Kirche in den Großstädten der Welt. In erschütternder Realistik und Diesseitigkeit. Mark Gibbs stellte uns vor Augen, daß die Menschheits-Geschichte der Bibel in einem Garten anfing und in einer Großstadt endet. Das Evangelium von der Heiligen Stadt, dem neuen Jerusalem, wurde immer wieder in die Umwelt des Reviers gestellt. Es war in diesen Verkündigungen nichts mehr von einem Garten zu spüren, das Bild vom guten Hirten paßte nicht mehr, und das Bild vom guten Busfahrer war aus dem vollen Leben gegriffen. So mündete auch die Predigt eines Holländers in dem ökumenischen Jugend-Gottesdienst am Sonntag in dem Aufruf, in diesem Dortmund aus der Zukunft des neuen Jerusalem zu leben. An den Kern-Bestandteilen des christlichen Gottesdienstes wurde nichts geändert. Es fehlte jegliche Neigung zur Sektiererei, wie radikal auch die Freude am Erneuern sein mochte. Diese jungen Menschen stehen um so fester im Glauben, je freier sie in der Ausdrucksweise sein können. Das „Wachet auf!” der Tausende klang ehrlich und mitreißend.

Wolf-Herbert Deus

Quatember 1963, S. 168-172

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-06
Haftungsausschluss
TOP