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Ein evangelischer Beitrag zum Konzil
von Reinhard Mumm

LeerEin ökumenischer Arbeitskreis der Evangelischen Michaelsbruderschaft war im März d. J. für mehrere Tage im Kloster Kirchberg beieinander, um in der gegenwärtigen Periode des „Zwischenkonzils” sich aufmerksam dem einen der großen Themen zuzuwenden, welche die römisch-katholische Kirche und die ganze Christenheit bewegen: Worin besteht das Wesen der Kirche Christi auf Erden?. Es ist bekannt geworden, daß die kommende zweite Session des römischen Konzils sich besonders dem Schema (d. h. der Vorlage) „über die Kirche” zuwenden soll. Gehen die Vorberatungen zu diesem Thema nur die Konzilsväter und ihre theologischen Berater, gehen sie nur die römisch-katholische Kirche an? Oder werden hier nicht vielmehr Fragen verhandelt und zu Beschlüssen formuliert, die alle Christen, auch die Glieder reformatorischer Kirchen, bewegen? Wer die ökumenische Einheit der gesamten Christenheit bejaht und danach sucht, ihrer Verwirklichung näher zu kommen, muß die letzte Frage mit einem „Ja” beantworten. Damit dieses Ja nicht nur ausgesprochen, sondern auch inhaltlich erfüllt werde, war der genannte Arbeitskreis zusammengetreten.

LeerDie Mitglieder des Arbeitskreises wurden bei ihren Beratungen unterstützt durch mehrere sachkundige katholische Theologen. Das Ergebnis ihrer Beratungen ist aber erwachsen aus ihrer Bindung an evangelische Erkenntnis und aus ihrer Verantwortung gegenüber der ökumenischen Christenheit, in diesem Fall speziell ausgerichtet auf die Bewegung, die durch das Konzil in der römisch-katholischen Kirche entstanden ist.

LeerWenn wir als Christen, die in getrennten Kirchen leben, über die Grenzen der eigenen Konfession hinaus zu Vorgängen und Entwicklungen in einer anderen Kirche Stellung nehmen, ist Weisheit geboten. Unser Wort will die anderen Mitchristen, Theologen und Bischöfe keinesfalls bevormunden und voreilig kritisieren. Ein solches Verhalten würde die Liebe verletzen, die uns zuerst geboten ist. Da wir aber eingeladen und ermuntert sind, auch über den Zaun hinweg zueinander zu reden, so darf und soll die erkannte Wahrheit gesagt werden um der in Christus gegebenen Einheit willen, an die wir glauben. Aus solcher Einstellung hat der Arbeitskreis es gewagt, unter anderem das Folgende zu sagen und maßgebenden Mitgliedern sowie Beratern des Konzils zur Kenntnis zu geben:

Leer1. Bei allen Aussagen über die Kirche ist hervorzuheben, daß in ihr nach dem Willen des Schöpfers Menschen gerufen und vereinigt sind, damit sie durch den göttlichen Logos im Heiligen Geist zu, neuem Leben erlöst werden.

LeerIndem hier vom Logos gesprochen wird, soll damit betont werden, daß das neue Leben durch die Predigt des Evangeliums und die Teilhabe an den Sakramenten empfangen wird.

LeerDie Kirche ist nicht um ihrer Selbstwillen da, sondern sie ist berufen, dem Kommen des Reiches Gottes und damit der Herrschaft der Gnade zu dienen.

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Leer2. Es ist Wert darauf zu legen, daß durch den Glauben und die Taufe die Glieder der nicht unter der Jurisdiktion von Rom stehenden Kirchen am Heil teilhaben. Demgemäß beruht das Heil für den einzelnen im Glaubensgehorsam gegen, den erkannten Willen Gottes, einem Glaubensgehorsam, der die Taufe und damit die Gliedschaft in der Kirche einschließt, wie diese ihm glaubwürdig begegnet. Die Kirchen, die durch die Verkündigung des Evangeliums und durch die Taufe auf den Dreieinigen Gott den Dienst der Kirche an ihren Gliedern tun, gehören zu der Einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche, wenngleich diese Eine Kirche ihre ökumenische Einheit noch nicht sichtbar zu machen vermag.

Leer3. Allein Christus ist das Haupt des Leibes, der Bräutigam der Kirche als Braut und der Weinstock, von dem die Reben leben. Die mit dem Weiden seiner Herde beauftragten Diener empfangen ihre dem Wesen nach begrenzte Vollmacht (exousia) als Hirten der Herde Christi von ihm, der der Erzhirt seiner Herde bleibt. Im Verständnis und der Ausübung des Hirtenamtes als der repräsentatio des Guten Hirten muß alles vermieden werden, was verdecken könnte, daß Christus selbst der Urheber aller Vollmacht und der in ihr Wirkende ist.

LeerBei der vorwiegend juridischen Betrachtung des Amtes in der römisch-katholischen Kirche scheint uns die Gefahr zu bestehen, daß das Amt als privilegierter Stand gegenüber der Gemeinde verstanden wird auf Kosten seines Dienstcharakters. Der bisherige Verlauf des Zweiten Vatikanischen Konzils hat uns mit Genugtuung darüber erfüllt, daß hier das Kollegium der Bischöfe in Zusammenarbeit mit ihrem Ersten in einer freien und synodalen Form seine Arbeit hat tun können und in Ergänzung des Ersten Vatikanischen Konzils die Gefahr der Autokratie und des Zentralismus zurückgedrängt hat. Diese Erfahrung ermutigt uns zu der Hoffnung, daß dieser Prozeß auch seinen theologischen und kirchenrechtlichen Niederschlag findet und sich auf den anderen Ebenen des kirchlichen Lebens fortsetzt.

Leer4. Die wechselseitige Annäherung der Kirchen steht und fällt mit der Bereitschaft, die Wirkung des Heiligen Geistes, wo immer sie sich dem geistlichen Erkenntnisvermögen zeigt, anzuerkennen, die Bruderschaft in Christus nicht zu verleugnen, die Gaben anzunehmen, die in mannigfaltiger Weise in der Christenheit ausgeteilt sind, und den Brüdern mit den eigenen Gaben zu dienen.

LeerAus diesen Grundsätzen folgen bestimmte konkrete Wünsche, die der Arbeitskreis in kurzen Sätzen festgehalten hat. Sie bezeichnen die Erscheinungen, die wir mit Dank und Freude wahrgenommen haben: das wachsende Interesse an der Verkündigung des Evangeliums, an allen echten ökumenischen Bestrebungen, den neu erreichten Sinn für die notwendige Freiheit in der Begegnung. Sie sprechen aber auch das aus, was uns belastet und zu schaffen macht: dogmatische Definitionen, die trennen, etwa mögliche neue Aussagen über Maria noch über die bisherigen Dogmen hinaus, bestimmte Formulierungen des kanonischen Rechts, vor allem hinsichtlich der Ehe und der bedingungsweise vollzogenen Taufen.

LeerWir bewegen uns bei einem Versuch, so miteinander zu reden, zwischen verschiedenen Gefahren. Es ging deshalb dem Arbeitskreis darum, sich weder in unpassender Weise in das innerkatholische Gespräch einzumischen, noch darum, das evangelische Bekenntnis durch unklare Vermischung römisch-katholischen Lehren anzugleichen, sondern einzig um die rechte Rede zueinander in der Wahrheit und in der Liebe, die Christus selbst ist und die Er uns geboten hat.

Quatember 1963, S. 172-173

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-06
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