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von Frederick T. Willcox, SSM |
Der Verfasser des Berichtes, den wir aus dem Englischen übertragen haben und hier folgen lassen, nahm kurz vor seiner Ausreise nach Afrika im Jahre 1961 an dem Michaelsfest in Marburg teil und blieb seitdem mit uns in brieflicher Verbindung. Die Schriftleitung St. Patricks Priorei ist ein einstöckiger Bau; der Rasenplatz, den sie einschließt, ist mit seinen Rosenbäumchen ein Ort himmlischen Friedens inmitten einer lauten und lärmenden Außenwelt; denn an der Priorei geht die Eisenbahn vorbei, und zwischen der Priorei und der Eisenbahn fahren auf einer Hauptverkehrsstraße die Autobusse, die gewöhnlich mit Nicht-Weißen vollgepfropft sind und von Weißen gefahren werden. Links von der Priorei liegt das Gefängnis. Wir sehen die Gefangenen oft auf dem Grundstück arbeiten. Die Mauern sind nicht hoch. Das mag der Grund sein, weshalb der Wärter ein Gewehr trägt. Er ist weiß - sie sind schwarz. Aber ich will keine falschen Vorstellungen hervorrufen. Offenbar werden die Gefangenen nicht schikaniert oder angetrieben. Auf der anderen Seite der Priorei befindet sich das Dienstgebäude für den Aufsichtsführenden der Siedlung, aber dazwischen liegt noch die Straße, die in die Siedlung führt. Die Siedlung ist die Eingeborenen-Gemeinde mit rund sechstausend Häusern. In jedem Hause mögen ungefähr vier Familien untergebracht sein. Danach dürften etwa 80 000-100 000 Schwarze in Blomfontain wohnen. Jeden Abend, 8.45 Uhr, ertönt die Sirene in der Stadt und mahnt diejenigen, die noch dort sind, in die Siedlung zurückzukehren, es sei denn, daß sie eine besondere Erlaubnis haben, die Nacht in der Stadt zu verbringen. In der Siedlung liegen drei anglikanische Kirchen. Zwei davon sind sehr klein und haben nur ein- oder zweimal im Monat Sonntagsgottesdienste. Die St. Patricks-Kirche ist dagegen riesengroß, größer als die Kathedrale von Blomfontein, und faßt nicht weniger als 2000 Menschen. Jeden Sonntagvormittag wird hier um 7 und um 10 Uhr die gesungene Messe mit Predigt gefeiert. Die Zahl der Kommunikanten schwankt zwischen 450 und 650. Erstaunlich, wie gut die Bevölkerung sich für den Gottesdienst anzieht! Ein Mann hat vielleicht einen Wochenverdienst von 11.- bis 22.- DM. Trotzdem ist er mitsamt seiner Familie oft äußerst elegant gekleidet, und die Kleidung ist tadellos sauber, obwohl es ihm zu Hause an den nötigen Einrichtungen fehlt. (Die Häuser haben keine Wasserleitung. In jeder Straße gibt es nur ein paar Hydranten zur gemeinsamen Benutzung.) Die Afrikaner lieben Uniformen, und außer den bekannten Jugendverbänden, Pfadfindern und Pfadfinderinnen, gibt es Erwachsenen-Organisationen, in denen Großväter und Großmütter stolz die kleidsamen und farbenfreudigen Uniformen der Bruderschaft vom Heiligen Sakrament, der Gilden von St. Maria und St. Joseph und vom Weißen Kreuz und der Mütter-Union tragen. Wochentags wird in der Kirche Gottesdienst und Unterricht gehalten. Besucher sind oft überrascht, wenn sie zur Vesper am Dienstag mehr als hundert Männer versammelt finden. In englischen Gemeinden rechnet der Priester wohl manchmal mit einem starken Frauenbesuch, aber nicht mit großen Versammlungen von Männern. Innerhalb der Priorei herrscht tiefer Frieden, aber an der Straßenfront befinden sich die Diensträume, und da sind Priester, Laienbrüder und Sekretäre bei der Arbeit. An den meisten Tagen sieht man vor dem Eingang Leute stehen und auf jemanden warten, der sich ihrer Nöte annimmt. Viele wollen nur ihre Kirchensteuer bezahlen. Die Leute aus der Stadt zahlen monatlich mindestens 1.15 DM. Die männliche Landbevölkerung hat 70, die weibliche 43 Pfennige zu entrichten. Andere Leute suchen die Priorei auf, um den Priester über einen Krankheits- oder Todesfall zu unterrichten oder um die Haustaufe für ein krankes Kind vorzubereiten. Die Anmeldung zur öffentlichen Kindertaufe erfolgt vor jedem dritten Sonntag im Monat. Die öffentliche Taufe von Erwachsenen findet nach vorherigem Katechismus-Unterricht an einem anderen Sonntag statt. Auch wer Probleme hat, sucht den Priester auf. Manchmal ist einer christlichen Trauung eine Trauung nach einheimischem Ritus vorangegangen. Die Versuchung, die christlichen Ehegesetze zu brechen, ist oft groß. Der Bräutigam und seine Eltern müssen die Braut kaufen. Das kann 500 DM kosten. Vater und Mutter veranlassen deshalb unter Umständen den Sohn, sich zu vergewissern, daß die Braut, die soviel kostet, ihm auch Kinder bringen kann. So unterstützen sie ihn in der Vorwegnahme der Ehe. Ein anderer Fall: In den abgelegenen Gegenden des Orange-Freistaates unterhalten die Heiden noch rituelle Schulen, Junge Männer oder junge Frauen, die christlichen Gemeinden angehören, verschwinden manchmal für einige Monate. Wenn sie zurückkehren, müssen sie einer kirchlichen Strafe unterworfen werden. Sie haben sich im Leben der Erwachsenen und in den Volkssitten unterrichten lassen. Sie haben eine Initiation nach heidnischem Brauch durchgemacht. Die Zauberer haben sich dabei bereichert. Wenn ich nicht irre, haben die Kommunisten in Ostdeutschland ein Gegenstück zum christlichen Konfirmationsritus erfunden. Ich wünschte nur, wir Christen wären in der Lage, ein Gegenstück zu den „Beschneidungsschulen” der Heiden anzubieten. Wenn ich auch nicht glaube, daß die Exerzitien des Ignatius eine Antwort geben, so denke ich doch, daß etwas ebenso Substantielles not tut und der Konfirmation vorausgehen könnte. Wie Sie sehen, haben jene Schulen meiner Meinung nach ihre guten Seiten. Sie bringen die jungen Leute zusammen, sie prägen ihnen ein, was der Eintritt in das Erwachsenenleben bedeutet, sie geben ihnen Verhaltungsvorschriften und lehren sie verschiedene Handfertigkeiten. Wenn nur drei Priester in der Mission sind, ist nur einer für den Sonntagsgottesdienst in St. Patricks und den beiden kleineren Kirchen verfügbar. Die anderen zwei Priester müssen in anderen Teilen des Freistaates Dienst tun. Das bedeutet oft, daß man eine oder mehrere Farmen aufsuchen muß. Dahin kommen dann die Leute aus der weiteren Umgebung, um der Messe beizuwohnen, in stundenlangem Fußmarsch oder im Pony-Wagen. Ist der Priester in seinem Kleinauto oder auf dem Motorroller eingetroffen, dann geht es in die Kirche zur Einzelbeichte. Die Messe wird fast immer gesungen. Die Predigt muß von einem Katecheten übersetzt werden. Nach der Messe findet der Konfirmandenunterricht statt, Erwachsene werden für die Taufe vorbereitet, oft folgen Kindertaufen und gelegentlich eine Trauung. Darüber hinaus ist der Priester bestrebt, mit allen Gemeindegliedern ein Wort zu wechseln, die jeder, nach seinem Vermögen, zur Deckung der Unkosten der Kirche beitragen. Jeden Sonntag muß einer der Priester eine größere Fahrt unternehmen. Für gewöhnlich bricht er schon am Samstag auf und besucht abends im Dorp noch soviele Leute wie möglich. (Dorps sind die kleinen Landstädte.) Er bleibt über Nacht im Hotel des Ortes, und morgens 5 Uhr beginnt dann die erste Messe. Viele unserer Gemeindeangehörigen müssen bald nach Tagesanbruch auf Arbeit gehen. Für sie vor allem ist dieser Frühgottesdienst gedacht. Später wird Unterricht erteilt, getauft, eine weitere Messe gelesen und das Abendgebet gehalten. Vier Uhr nachmittags besteigt der Priester, ziemlich erledigt, seinen Roller und tritt die Heimreise an, die 90 Meilen betragen kann. Er kehrt nach Blomfontein zurück, glücklich, nicht so sehr, weil sein Tagewerk vollbracht ist, sondern weil er zu diesem Werk berufen wurde, wo soviel zu tun ist und wo die Leute sich so erfreut zeigen über seine Hilfe. Quatember 1964, S. 81-83 |
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