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Aus der Ökumene
von Hans Carl von Haebler

LeerUnsere Konzilsberichte bedürfen einer Ergänzung. Es ist ja nicht so, daß nur in Rom für die Erneuerung und Einheit der Kirche gebetet und gearbeitet wird. Alle Konfessionen sind in Bewegung geraten. Auch in Deutschland mehren sich die Anzeichen für einen Umschwung.

LeerWährend die Landeskirchen sich bisher in verlegenes Schweigen gehüllt haben, hat der Johanniter-Orden die Bitte des Papstes um Vergebung in würdiger Weise beantwortet. In dem Schreiben des Ordens heißt es: „Wir stehen heute an einer Wende in der Geschichte der Christenheit auf Erden. Wenn auch eine äußere Einheit noch nicht zu erzielen ist, so hat sich doch die Tür zu einer neuen Einigkeit unter den Christen aufgetan. Die Bitte um Vergebung, die Eure Heiligkeit in feierlicher Weise ausgesprochen haben, veranlaßt nun auch uns Protestanten, die gleiche Bitte um Verzeihung für alles Böse in Gedanken, Worten und Taten auszusprechen, das wir unsererseits unseren katholischen Brüdern wissentlich oder unwissentlich angetan haben.”

LeerNeuerdings hat sich die rheinische Landessynode hinter ihren Präses, Dr. Beckmann, gestellt mit dem Wunsch, der Rat der EKiD möge auf die Bitte des Papstes um Vergebung für verletzendes und unbrüderliches Verhalten antworten. Aber bemerkenswerter als diese Stellungnahme einer evangelischen Synode ist die wachsende Anteilnahme des Kirchenvolkes. Die interkonfessionellen Begegnungen und Gespräche tragen allmählich Früchte. Daneben wird die Berichterstattung durch die weltliche Presse und durch den Rundfunk zu diesem Ausbruch aus dem konfessionellen Getto beigetragen haben. Jedenfalls hat man sich jetzt soweit kennen gelernt, daß gemeinsame Aktionen möglich geworden sind. Wir hören von Gebetsgottesdiensten in der Marburger Universitätskirche, wo etwa fünfhundert Protestanten und Katholiken gezählt wurden, und in der Kasseler Karlskirche, wo über tausend Jugendliche beider Konfessionen zusammengekommen waren. In Bonn, wo schon wiederholt gemeinsame Gebetsgottesdienste gehalten wurden, fanden sich letzthin 2 500 Beter ein.

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LeerWie sieht es sonst in der Welt aus?

LeerFür die evangelische Kirche Österreichs hat Bischof D. Mai die Bitte des Papstes beantwortet und in einem Hirtenbrief gewürdigt. „Wir müssen bekennen”, so schreibt er, „daß auch wir in den konfessionellen Auseinandersetzungen im Eifer des Kampfes für den Glaubensstand und die Gewissensfreiheit unserer Glaubensgenossen aus Liebe zur eigenen Kirche oft nicht in der gleichen Liebe die gesamtchristliche Aufgabe wahrgenommen haben und manchmal an der christlichen Schwesterkirche schuldig geworden sind. Das bereuen wir. Darum bitten wir Gott und die Brüder, an denen wir schuldig wurden, um Vergebung. Es bewegt uns tief, daß wir ihrer Vergebung gewiß sein dürfen.”

LeerIn dem Hugenottenzentrum Aix-en-Provence sind im November Vertreter der Kirchen und Werke des französischen Protestantismus, Lutheraner und Reformierte, zusammengekommen, um zu einem gemeinsamen Zeugnis zu gelangen und an die Erneuerung der Kirche zu gehen. Unter der Parole „Eine Kirche für die Welt” wurde an einer trägen und selbstsicheren Kirchlichkeit Kritik geübt und die Problematik der Kirche in der heutigen Welt erörtert. Höhepunkt der Tagung war der gemeinsame Abendmahlsgottesdienst, bei dem ein lutherischer Pfarrer die Predigt hielt und ein reformierter das Sakrament verwaltete. Das größte Kino von Aix reichte gerade aus, um die tausendköpfige Gemeinde zu fassen. Wenn vorher in einer Diskussion betont worden war: „Die grundlegende Gemeinschaft der Kirche ist die Eucharistie”, so blieb es nicht bei diesen Worten. Es wurde wirklich die Eucharistie gefeiert mit Praefation und Sanctus, mit Elevation, Epiklese und Agnus Dei. Es fehlte auch nicht das Gebet für das Konzil, und der in Rom versammelte französische Episkopat hat seinerseits der Versammlung fürbittend gedacht.

LeerDie Kirche von England besitzt seit kurzem in Farncombe, Surrey eine Schwesternschaft, die sich dem immerwährenden Gebet für die Einheit der Kirche widmet. Die Kommunität, die von einem ständig wachsenden, bereits dreihundert Freunde zählenden Kreis getragen wird, besteht vorerst aus fünf Schwestern, die alle in Indien Dienst getan haben und von Grandchamps Anregungen empfingen. [Die Farncombe Community bestand bis 1989]

LeerErzbischof Ramsey hat eine Kommission für die Beziehungen zwischen der anglikanischen und der römischen Kirche gebildet. Im Mai erwartet er den Besuch des ökumenischen Patriarchen Athenagoras.

LeerWas die orthodoxen Kirchen anbetrifft, so ist es nicht bei der historischen Begegnung von Athenagoras mit Paul VI. in Jerusalem geblieben. Die KNA berichtet von gemeinsamen Andachten orthodoxer und katholischer Christen in Buenos Aires, und in Moskau nahm Metropolit Nikodim an der Weihnachtsmesse in der katholischen St. Ludwigskirche teil. - Wie Dr. Nissiotis vor dem Exekutiv-Ausschuß des Ökumenischen Rates in Odessa meinte, liegt das bisher von der römischen Kirche ignorierte Haupthindernis für das Gespräch der Konfessionen in ihrem Prinzip des Gehorsams gegenüber dem römischen Stuhl.

Quatember 1964, S. 85-86

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
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