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Ein Traum
von Bernhard Rang

LeerEin Traum: Ich sah eine Schar betender, anbetender Gestalten. Mitten unter ihnen stand ich; es waren meine Brüder. Ein großes wartendes Schweigen herrschte unter uns. Dann aber war es, als ob aus der Ferne ein Rufen zu uns drang. Auch ich lauschte in schweigender Erwartung kommenden Geschehens. Nun vernahmen wir die Stimme. Sie rief den Namen eines der Betenden. Der Bruder trat hervor; es war einer der Stillen, die fast verborgen blieben. Die Stimme rief ihn an: „Tritt hervor, du bist erwählt!” Zögernd trat der Angerufene hervor. Ich hörte, wie er flüsternd bat, nicht allein gewählt zu werden. Es kam die Antwort: „Wähle, wen du mit dir nehmen willst!” Der Bruder blickte zurück. Wir standen in einem Halbkreis vor ihm. Da streckte er seine Hand aus und wies auf einen von uns und sagte laut: „Du!”. Und wieder streckte er die Hand aus und wies auf einen anderen Bruder und sagte: „Und du!”. Und erneut erklang sein „Und du! Und du!”. Er hörte nicht auf zu weisen und zu sagen: „Und du! Und du!”. Uns alle hat er benannt.

LeerIch erwachte aus dem Traum und hörte, als ob wirklich eine Stimme gerufen hätte, noch immer dieses: Und du! Und du! Der Traum bewegte mich den ganzen Tag. Der von Gott so zu sich Gerufene - ach, wir hatten nicht erkannt, wie nahe er schon immer der Eingangspforte zum Königreich stand. Er war berufen, er allein. Aber er konnte nicht allein bleiben. Wir alle, auch wir Fehlsamen und Geringeren, waren seine Brüder. Er durfte wählen, wen er mit ins Reich des Lichtes nehmen wollte. Er wählte uns alle. Immer neu rief er: „Und du! Und du”.

Quatember 1964, S. 93

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
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