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Dienstbereitschaft oder Sklaverei
von Wilhelm Stählin

LeerIn einem Gespräch darüber, daß der Beruf der Hausgehilfin (oder wie man ihn sonst bezeichnen mag) heute fast ausgestorben ist, wurde mir zur Erklärung unter anderem gesagt, die meisten heutigen Menschen handelten nach dem Grundsatz jenes ursprünglich friesischen Wortes „Lewwer duad üs slaav” (Lieber tot als Sklave; das Wort steht in einem Gedicht „Pidder Lüng” von Detlev Freiherrn von Liliencron). Über diese Belehrung war ich doch sehr erschrocken, weil hier jeder Dienst an anderen Menschen als eine entwürdigende Sklavenarbeit verstanden und eben darum entschieden abgelehnt wird. Wer so denkt, hat offenbar eine Grundhaltung des Neuen Testamentes nicht verstanden, die Erkenntnis nämlich, daß in der Nachfolge Christi der Dienst an anderen Menschen mit freiem Willen geleistet werden kann und daß die Bereitschaft zu solchem Dienst zu den Lebensformen der christlichen Existenz gehört als ein Erweis der Verbundenheit mit Christus (Kol. 3, 23 f.). Die ständige Angst um die eigene Ehre und Freiheit ist der sichere Erweis innerer Unfreiheit, und auch insofern ist die oft gehörte Klage, daß es in jeder Form des „Dienstleistungsgewerbes” ständig an Arbeitskräften mangelt, ein höchst bedenkliches Symptom nicht nur für einen übermächtigen Drang nach äußerer Unabhängigkeit, sondern für eine erschreckende Verwechslung von Dienstbereitschaft mit Sklaverei. „Der Herr, dem ihr dienet, heißt Christus.”

Quatember 1964, S. 94

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
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