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Spitzengehälter
von Hans Carl von Haebler

LeerMan hört öfters von den astronomischen Summen, die für gewisse Professorenhonorare und Direktorengehälter, für die Gagen von Dirigenten und Filmdivas oder auch für ein Bild von Picasso ausgegeben werden. Nun läßt sich freilich nicht leugnen, daß die Preise, welche diese Kapazitäten erzielen, auf dem freien Markt ausgehandelt worden sind. Sie machen sich bezahlt, und es ist nicht Schuld der Großverdiener, daß das Angebot an überdurchschnittlichen Kräften klein, die Nachfrage eines kaufkräftigen Publikums aber groß ist. Und doch: daß man Geist und Gaben als persönliches Verdienst betrachtet und sich diese außerordentlichen Gnadenerweise Gottes nicht nur mit Erfolg, Ruhm und Dankbarkeit honorieren, sondern auch mit Geld aufwiegen läßt - so wie sich arme Mißgeburten auf den Jahrmärkten für ihren Buckel oder für ihre sechs Finger bezahlen lassen müssen -, das ist heute zwar gang und gäbe, aber deshalb nicht weniger grotesk. Ein guter Pastor wird für seine Predigt auch nicht besser bezahlt als ein schlechter, und ein guter Richter erhält für seine Gerechtigkeit auch keine Sonderzulage.

LeerDie kapitalistische Gesinnung der Begabten, Leistungsfähigen und „Arrivierten” ist gewiß angreifbarer als die Wirtschaftsreform des Kapitalismus. Es scheint mir deshalb wichtig, daß die Kirche sich - wie auf dem Konzil geschehen - wieder der heiligen Armut erinnert und daß sich Menschen finden, die dem Unternehmerrisiko das Wagnis der Armut entgegenstellen; und es wäre schon etwas damit getan, wenn wir einander nicht mehr an unseren akademischen Titeln und an unserer publicity messen würden. Das ist ein subalterner und spießbürgerlicher Standpunkt. Mehr als Gottes Geschöpf kann der Mensch nicht werden.

Quatember 1964, S. 94-95

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
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