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Pfeiler der Kirche
von Hans Carl von Haebler

Propheten ChartresLeerDas Mittelportal der Nordseite des Domes von Chartres ist von zweimal fünf Gestalten flankiert. Auf der linken Seite stehen Melchisedek, Abraham, Moses, Samuel und der König David. Rechts wird die Reihe mit den hier abgebildeten Propheten Jesaja, Jeremia, Simeon und Johannes dem Täufer fortgesetzt, um schließlich mit dem Apostel Petrus zu enden.

LeerFür das Hochmittelalter gibt es keinen Bruch zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. „Suchet in der Schrift”, hatte Jesus im Blick auf das Alte Testament gesagt, „denn ihr meinet, ihr habt das ewige Leben darin; und sie ist's, die von mir zeuget” (Joh. 5, 39). So kann es uns nicht verwundern, daß der Steinmetz in Chartres die Zeugen des alten Bundes zur Kirche rechnet und mit Heiligenscheinen schmückt. Die Menschwerdung Gottes hat ihre rückwirkende Kraft. Was haben die fünf hier abgebildeten Männer uns zu sagen? Zunächst einmal, daß sie zusammengehören als Pfeiler der Kirche, daß sie die Zeiten zusammenhalten und daß die Weltgeschichte auf Christus hin angelegte Heilsgeschichte ist, Sodann hat jeder seine eigene Botschaft.

LeerJesaja, der mit dem Finger auf eine Pflanze auf seiner Brust zeigt, sagt von dem Gottesknecht: „Er schießt auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich” (53, 1 f.; Lesung am Mittwoch in der Karwoche).

LeerJeremia prophezeit: „Du aber, Herr, zeigtest mir ihr Vornehmen, nämlich, daß sie mich wie ein armes Schaf zur Schlachtbank führen wollen” (11, 18 f.; Lesung am Dienstag in der Karwoche). Diesem Wort und der an die Passion Christi erinnernden Mißhandlung, die er erfuhr (K. 20), verdankt der Prophet wohl das Christus ähnliche Haupt und den Kreuzesnimbus, den er in der Hand trägt.

LeerDie drei Männer, die jetzt folgen, haben alle zu Jesu Zeiten gelebt. Aber sie haben in ihm den Messias erkannt, noch ehe er sich offenbart hatte, und können insofern den Propheten zugerechnet werden.

LeerSimeon hatte, wie Lukas erzählt, auf den Trost Israels gewartet und war vom Heiligen Geist erfüllt, als er das Kind Jesus auf die Arme nahm und jene Worte sprach, die wir in der Komplet beten: „Herr nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.”

LeerAn seiner hageren Asketengestalt erkennbar, ist Johannes der Täufer ganz in den Anblick des Lammes versunken. Er sieht den Opfertod des Herrn voraus: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt.”

LeerPetrus, der als Gegenfigur zu dem Priesterkönig Melchisedek und wohl auch als erster Papst die Tiara und das Brustschild des Hohenpriesters trägt, bekennt schließlich: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn.” Die Schlüssel, die an seinem rechten Unterarm hängen, erinnern an die Worte, mit denen der Herr dieses Bekenntnis aufnahm: „Ich will dir des Himmelreichs Schlüssel geben.”

Quatember 1964, S. 97

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
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