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von Frieder Schulz |
Vom Jahre 1870 an bis zum Ersten Weltkrieg hat das Königliche statistische Bureau in Berlin für die Bedürfnisse der Kalenderhersteller den Königlich preußischen Normalkalender herausgegeben. Den Hauptteil dieses Kalenders bildete das Verzeichnis der Namenstage, das auf Grund des ebenfalls abgedruckten Kalenderherkommens in den einzelnen Landesteilen durch Interpolation (Ermittlung der vorherrschenden Namen) gewonnen und getrennt nach „katholisch” und „nichtkatholisch und gemischt” (protestantisch) aufgeführt war. Eine Anlage machte darüber hinaus den Versuch, die allen Kalendern gemeinsamen Namen zu ermitteln. Die dem interpolierten „evangelischen” Kalender zugrundeliegenden Landeskalender gingen ja letztlich auf die katholische Kalenderüberlieferung zurück. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde, nunmehr vom „Preußischen Statistischen Landesamt” in Berlin, für die Kalenderhersteller der „preußische Grundkalender” herausgegeben, der den alten „Normalkalender” unter dem gleichen Bearbeiter und mit dem gleichen Inhalt weiterführte. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm es das nunmehr nach Heidelberg übergesiedelte Astronomische Recheninstitut, die Kalenderunterlagen weiter herauszugeben. Sie erscheinen als Astronomische Grundlagen jedes Jahr neu im Verlag Braun in Karlsruhe und bringen eine Fülle von Angaben über die Zeit- und Festrechnung, die Mondphasen, Auf- und Untergangszeiten von Sonne und Mond, Planetenlauf, Finsternisse usw. Dagegen rückte der „religiöse” Fest- und Namenskalender an den Schluß und umfaßte nur noch die von früher übernommene „Durchschnittsform der Namen” getrennt nach „evangelisch und religiös neutral” und „katholisch”. In der „evangelisch und religiös-neutral” genannten Spalte fanden sich Angaben wie: „Maria Himmelfahrt”, „Petri Stuhlfeier” u. ä., was bei der Art des Zustandekommens des interpolierten Kalenders nicht verwundern konnte. Es gelang nun, im Jahre 1958 (für die Astronomischen Grundlagen von 1960) auf dem Wege persönlicher Verbindungen die schlimmsten Anstöße vorläufig zu beseitigen und den Festkalender mit den inzwischen erschienenen neueren Agenden abzustimmen. In dieser behelfsmäßig revidierten Form sind die Unterlagen seither erschienen, zuletzt für das Jahr 1964. Es ist für die Römische Kirche gesichert, daß der in den „Astronomischen Grundlagen” abgedruckte Namen- und Festkalender mit dem jeweiligen kirchenamtlichen Kalender übereinstimmt. Demgegenüber bietet der „evangelische und religiös neutrale” Kalender das peinliche Bild, daß er nunmehr fast 100 Jahre lang ohne kirchliche Prüfung geblieben ist und die Bezeichnung „evangelisch” eigentlich zu Unrecht trägt. Das Bedürfnis nach einem evangelischen Namenkalender hatte schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Herausgabe des „Evangelischen Kalenders” geführt. Der Herausgeber Ferdinand Piper legte erstmals 1849 eine Namenliste für einen evangelischen Namenkalender vor und druckte sie alljährlich in seinem „Evangelischen Kalender” ab. Gleichzeitig veröffentlichte er in den 21 Jahrgängen bis 1871 die zu den Namen gehörenden, aus den ersten Quellen geschöpften Biographien, um eine lebendige Begegnung mit den Zeugen der evangelischen Wahrheit zu bewirken. Piper hatte von vornherein ins Auge gefaßt, daß der Namenkalender „durch die aufsehenden Organe der Kirche, so Gott will, durch eine evangelische Generalsynode Deutschlands” geprüft und rezipiert werden sollte. Es kam denn auch zu Verhandlungen der Eisenacher Kirchenkonferenz im Jahre 1868 und 1870. Man legte dort zwar die Pipersche Aufstellung zugrunde, jedoch wurden die Zeugen aus den Ländern fremder Zunge und reformierter Konfession ausgeschieden. Der preußische Evangelische Oberkirchenrat veröffentlichte daraufhin diesen „Verbesserten evangelischen Kalender” auf Grund der Beschlüsse der Eisenacher evangelischen Kirchenkonferenz. Piper selbst konnte diesem Kalender, der nun kein gesamt-evangelischer Kalender mehr war, nicht zustimmen. Immerhin wäre auch der verbesserte Kalender nicht ohne seine Arbeit zustande gekommen. Auch hatte der Pipersche Kalender inzwischen weite Verbreitung gefunden. In seiner Praktischen Theologie schrieb C. J. Nitzsch: „Dagegen würde der von Piper herausgegebene verbesserte evangelische Kalender, wenn er sich weiter und weiter durch häuslichen und kirchlichen Gebrauch verbreitete - und dem steht, was Rechts- und andere Verhältnisse oder was seine Einrichtung betrifft, nichts entgegen - als ein wirklicher Auszug der personalen Geschichte des Reiches Gottes in christlicher Kirche das volkstümliche Zeit- und Tagesbewußtsein in der erwünschten Art beschäftigen und bestimmen.” Als der preußische Normalkalender im Jahre 1870 herauskam, brachte er als Anlage II den originalen Piperschen Namenkalender. Daneben wurde später auch der vom preußischen Oberkirchenrat festgestellte „verbesserte” Namenkalender als Anlage III abgedruckt. Reihenfolge und Vorwort zeigten aber deutlich, daß man den Piperschen Kalender als Grundlage für die „Herbeiführung einer künftigen gemeinsamen protestantischen Form der Kalendernamen” ansah. Nach dem Ersten Weltkrieg verschwand der Pipersche Namenkalender aus dem nunmehrigen preußischen Grundkalender, und so fehlte er auch in den „Astronomischen Grundlagen”, die nach dem Zweiten Weltkrieg erschienen. Es wäre nicht möglich gewesen, in verhältnismäßig kurzer Zeit einen evangelischen Namenkalender vorzulegen, wenn nicht die jahrzehntelangen Vorarbeiten von D. Jörg Erb in Hinterzarten zur Verfügung gestanden wären. Als besonders hilfreich und wichtig erwies es sich, daß D. Erb für sämtliche in den Kalender aufgenommenen Namen eine Lebensdarstellung verfaßt und in den vier Bänden des Werkes Die Wolke der Zeugen veröffentlicht hat. Dabei wurden die einschlägigen Veröffentlichungen über die evangelischen Märtyrer aller Zeiten ebenso berücksichtigt wie monographische Arbeiten über einzelne Glaubenszeugen. Selbstverständlich wurde auch die grundlegende Arbeit von Piper immer wieder zu Rate gezogen. Bei der Aufnahme bzw. Ausscheidung von Namen für den neuen evangelischen Namenkalender wurde nach folgenden Grundsätzen verfahren:
Der neue Namenkalender tut nur einen hinweisenden Dienst ohne selbst mehr Gewicht zu beanspruchen, als einer solchen Übersicht in der evangelischen Kirche zukommt. Er steht damit in einer Reihe mit anderen Arbeiten, wie Wochenliedreihe, Bibellese-Ordnung u. a., die dazu helfen, daß das grundlegende biblische Wort, das antwortende Gotteslob der Gemeinde und das in der Geschichte weitergehende Zeugnis der Glaubenden in der Kirche Jesu Christi nicht verstummen. Quatember 1964, S. 162-164 |
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