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Pastor Gerhard Hage wird Ältester
der Evangelischen Michaelsbruderschaft

von Hans Carl von Haebler

LeerDie Leitung der Evangelischen Michaels-bruderschaft, die ihr erster Ältester, Karl Bernhard Ritter, im Jahre 1961 als „Senior” noch einmal übernommen hatte, wird demnächst in jüngere Hände übergehen. Es ist schwer vorstellbar, wie die Generation der Siebziger und Achtziger, der nicht nur die Bruderschaft, sondern die gesamte Kirche Entscheidendes verdankt, ersetzt werden könnte. Wir nennen nur einige Namen: Wilhelm Stählin (1883), Romano Guardini (1885), Karl Barth und Paul Tillich (1886), Eugen Rosenstock-Huessy (1888), Karl Bernhard Ritter (1890), Reinhold von Thadden-Trieglaff (1891)! Diese Männer haben uns aus der Vergangenheit in die Gegenwart geführt, sie verbinden ein lebendiges Traditionsbewußtsein mit einer in schmerzlichem Erleben gereiften Erfahrung. Der schöpferische Schwung, der ihnen eigen war, läßt sich nicht kopieren. Er hat einer kritischen Sachlichkeit Platz gemacht, die heute sicherlich angebracht ist. Doch ist in einer Gemeinschaft wie der Evangelischen Michaelsbruderschaft zu erwarten, daß der Geist der Väter fortwirkt und sich mit den Gaben verbindet, welche die Jüngeren mitbringen.

LeerDer neue Älteste, Pastor Gerhard Hage, ist zwanzig Jahre jünger als Karl Bernhard Ritter. Er ist 1910 als Sohn eines Bankdirektors in Berlin geboren. Seine Studienjahre verbrachte er in Tübingen, wo Friedrich Karl Schumann ihn in die Theologie Luthers einführte, in Berlin, wo er zusammen mit Dietrich Bonhoeffer Schüler von Reinhold Seeberg war, und in Greifswald, wo er sein erstes theologisches Examen ablegte. Als Angehöriger der akademischen Gildenschaft stand er in der bündischen Jugendbewegung. Als Hitler zur Macht kam, hatte er gerade das Predigerseminar in Wittenberg verlassen und war als Vikar nach Pommern gekommen. Seine öffentliche Kritik an Hitlers „Kampf” brachte ihn ins Gefängnis und hätte seiner Laufbahn vermutlich ein schnelles Ende bereitet, wenn die „Bekennende Kirche”, in der er ordiniert wurde, ihn nicht als Pfarrer in einem pommerschen Dorf eingesetzt hätte. Damals kam er durch Friedrich Schauer und Otto Haendler in Berührung mit der Bruderschaft, in die er 1935 aufgenommen wurde.

LeerSchon früher hatte er sich der geistlichen Welt Wilhelm Löhes aufgeschlossen. So war er für die Gedanken Wilhelm Stählins geöffnet, den er 1935 auf einer Jungbrudertagung auf der Burg Nordeck persönlich kennen lernte.

LeerAus dem Kriege zurückgekehrt, trat er in den Dienst der Oldenburgischen Kirche, deren Bischof damals Wilhelm Stählin war. Die Bruderschaft ernannte ihn zum Ältesten des dortigen Konvents. Seit 1953 ist er Pastor am Altenberger Dom bei Köln, einer ehemaligen Zisterzienserkirche, die als Simultankirche seiner eigenen Gemeinde und einer röm.-kath. Gemeinde als Gotteshaus dient. Hier, in der Diaspora, hat er sich wohl jene illusionslose, aber unbeirrbare ökumenische Haltung angeeignet, die ihn für die bevorstehenden Aufgaben besonders befähigt. Im gleichen Jahr berief die Bruderschaft ihn zum Probemeister. 1957 wurde er als Vikar des damaligen Ältesten Erwin Schmidt in den Rat der Bruderschaft gewählt.

LeerDer weit verbreiteten, deshalb aber nicht minder verkehrten Meinung, es handele sich bei dem Berneuchener Dienst und der Michaelsbruderschaft um eine rein liturgische Bewegung wird Pastor Hage gewiß keine Nahrung geben.

LeerDer neue Älteste versteht zwar die Bruderschaft als eine Gemeinschaft aus dem Sakrament, sieht aber ihre Aufgabe in der Welt, also als Vollzug der Diakonie von der Liturgie her.

LeerDiese Aufgabe, meint er, könne nicht in konfessionalistischer Verkrampfung geleistet werden. Man dürfe die Augen nicht davor verschließen, daß auf dem römischen Konzil urevangelische Forderungen aufgenommen werden.

LeerZweifellos wird die Michaelsbruderschaft unter ihrem neuen Ältesten ihren bisherigen Weg nicht verleugnen. Aber sie wird von neuem an die Aufgabe herangehen, in unserer oft so introvertierten Kirche die Kraft des Sakramentes und der Liturgie für die Diakonie an der Welt fruchtbar zu machen.

LeerDazu gehört freilich, daß unsere Kirche bereit wird, sich selber aus den Kräften der Gesamtkirche erneuern zu lassen.

Quatember 1964, S. 169-170

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-11-29
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