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Liturgischer Kongreß in Mainz
von Horst Schumann

LeerVom 20. bis 24. April tagte im Mainzer Dom der große „III. Liturgische Kongreß für das deutsche Sprachgebiet”, besucht von fast 3000 römisch-katholischen Christen, Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dieser Kongreß, der unter Leitung des liturgischen Institutes in Trier stand, sollte die praktischen Ergebnisse des 2. Vatikanischen Konzils auf dem Gebiet der Liturgie durchdenken, durcharbeiten, soweit möglich darstellen und die neu eröffneten Möglichkeiten diskutieren, wie sie in der ausführlichen Konstitution des Konzils „Über die heilige Liturgie” gegeben sind. Diese Konstitution ist in einer wohlfeilen Ausgabe lateinisch und deutsch im Verlage Aschendorff, Münster, zu haben. (Herausgegeben und erläutert von Bischof Simon Konrad Landersdorfer, Josef A. Jungmann und Johannes Wagner.)

LeerZur Darstellung im lebendigen Vollzug gelangten auf dem Kongreß die Eucharistische Feier in den jetzt gegebenen verschiedenen Möglichkeiten, die Vesper und der neugeschaffene „Wortgottesdienst”, während anderes nur anklingen konnte, wie die zu erwartenden Vereinfachungen im Brevier, Änderungen der „bis jetzt recht befremdlichen Totenliturgie” (Vilma Sturm), Anpassung der auf den Erwachsenen abgestellten Taufe an die mit der Kindertaufe gegebene Situation, eine Perikopenordnung für einen Vierjahres-Turnus und dergleichen. Hausherr und Gastgeber des Kongresses, wenn man so sagen kann, war der Bischof von Mainz, Dr. Dr. Hermann Volk, von manchen von uns seit vielen Jahren geliebt und geschätzt wegen seiner führenden Mitarbeit in den ökumenischen Arbeitskreisen, mit Professor D. Dr. Edmund Schlink zusammen Herausgeber des den Bischöfen Jäger und Stählin gewidmeten Bandes „Pro Veritate” - ein gründlicher Kenner evangelischer Theologie und ein mit tiefem Ernst um die letzte Wahrheit ringender Gesprächspartner.

LeerEr hatte seinen herrlichen Dom zur Verfügung gestellt, als Feierkirche und als Diskussionsaula. Gute Lautsprecheranlagen ließen jedes Wort verstehen.

LeerDie drei Verhandlungstage mit dem Vorabend waren in glücklicher Weise so eingeteilt, daß jeweils morgens die eucharistische Feier, abends ein Wortgottesdienst oder eine Vesper stattfand, dazwischen hielten bedeutende Fachleute ihre Referate, die täglich durch zwei Podiumsgespräche ergänzt und fortgeführt wurden.

LeerDie Reihe der Gottesdienste wurde am Vorabend mit einem von Bischof Volk gehaltenen Wortgottesdienst eröffnet. Diese Gottesdienstform ist eine Neuschöpfung, deren Kühnheit überrascht. Während wir bei reinen Predigtgottesdiensten weithin gewohnt sind, an die Horen anzuknüpfen (Mette oder Vesper), oder eine verkürzte Messe halten, wurde hier eine neue, sehr überzeugende Form geboten, nämlich:

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LeerLied, Lesung, Responsorium, Predigt (in Mainz stets „Homilie” genannt), Psalm mit „Leitvers” (Antiphon), Herr erbarme Dich..., Vaterunser, Kollektegebet, Segen, Schlußlied.

LeerBischof Volk predigte an diesem Eröffnungsabend über den „Tisch des Wortes” (der Ausdruck stammt aus der Konstitution). Von der vielfältigen Gegenwart Gottes ausgehend: im Sakrament, im Gebet u. a. wurde in sehr eindringlicher und sehr evangelischer Weise auf den reichgedeckten Tisch des Gotteswortes hingewiesen - wo keine bloße Mitteilung erfolgt, wo real etwas geschieht, wo Gott kommt und Wohnung bei uns macht. Bischof Leiprecht von Rottenburg fuhr in seiner Predigt am nächsten Tage gleichsam hier fort, indem er auf die große Verantwortlichkeit hinwies, das Wort zu verkündigen. Der Verkündiger (der Ausdruck „Diener am Wort” lag nahe) sei zwar Werkzeug der göttlichen Gnade, aber der Verantwortung nicht enthoben; er müsse mit seiner ganzen Existenz dahinter stehen. Wir sind im Wort ganz persönlich angesprochen und haben Antwort zu geben - darauf liefen die beiden Predigten hinaus.

LeerVon den großen Gottesdiensten waren stilistisch am geschlossensten und überzeugendsten ein ganz lateinisches Pontifikalamt, eine lateinische Pontifikalvesper und eine herrliche deutsche österliche Vesper, die in jeder evangelischen Kirche genau so hätte gehalten werden können. Zwiespältig wirkten dagegen in ihrem Ineinander vom Latein des Zelebranten und dem Deutsch der mitfeiernden Gemeinde eine „Betsingmesse” und ein „Amt mit deutschem Volksgesang” („Deutsches Hochamt”).

LeerAber auch bei den lateinischen Gottesdiensten wurden grundsätzlich Epistel- und Evangeliengesang sowie die in die Messe neu eingefügten Fürbitten auf deutsch gehalten, und bei den übrigen Gebeten auf deutsch wenigstens jeweils die „Intention” angesagt: „Wir beten jetzt um . . .”

LeerZu den Messen hatten alle anwesenden Priester - über die Hälfte der Kongreßteilnehmer - Alba und Stola angelegt und saßen auf der Evangelienseite des Domes. Überraschend war die reibungslose und ohne jede Hast erfolgende Kommunion fast aller Kongreßteilnehmer. Dazu wurden beim Opfergang 15 große Speisekelche mit Hostien zum Altar getragen, dort konsekriert - und dann begaben sich 14 Priester an die verschiedensten Stellen des Domes und teilten aus. Die Kommunion wurde stehend empfangen. Leider konnte ich nicht wahrnehmen, ob bereits die neue kurze Spendeformel gebraucht wurde, die heißen soll „Corpus Christi”, worauf der Empfangende mit „Amen” antwortet.

LeerIn den Vespern wurde ausgezeichnet psalmodiert, unter Führung teils einer Schola, teils eines vierstimmigen Chores. Da im Kongreßheft durch Fettdruck in jedem Psalmvers der Beginn der Schlußwendung angegeben war und dann die Schola jeweils durch die Antiphon in den nächsten Psalmton hilfreich hinüberführte, konnte die ganze Riesengemeinde ohne Mißtöne mitsingen - ich habe selten ein so beschwingtes und jubelndes Psalmodieren gehört, besonders in der deutschen österlichen Vesper (deren Lieder übrigens aus dem evangelischen Bereich stammten). Bei starken Versschlüssen wurde durchweg die sogenannte Correpta angewandt - dies für die Fachleute!

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LeerVon den Referenten an den Vormittagen sei nur erwähnt der von der Versammlung mit stürmischem Beifall begrüßte Altmeister der Liturgik, Pater Josef Andreas Jungmann SJ, ohne dessen großes Werk über die Messe „Missarum Sollemnia” auch wir nicht gut auskommen können. Er sprach über die Würde des christlichen Gottesdienstes als Dankfeier der Erlösten; über den trinitarischen Charakter der Liturgie „im Geist durch Christus zum Vater”; über die Gemeinde als Träger des Gottesdienstes (nicht die Hierarchie!), und wünschte als besondere Aufgabe der Bischöfe, daß „die Vesper in angemessener Form für das Volk heute gerettet werde”, durch Zurückgehen auf die Urgestalt, „knapper, durchschaubar, ohne unnötige Wiederholungen”. Er mahnte aber in allem Reformieren zur Behutsamkeit - ohne gewaltsame Übergänge.

LeerBei den Podiumsgesprächen kam man sich wie in die Reformationszeit versetzt vor. Stürmisch wurde die Muttersprache als ein Stück Naturrecht für den gesamten Gottesdienst gefordert. Eine Meßordnung, ganz einfach, „wie für die Kinder” sollte die Ursprünglichkeit des Umganges mit den großen Geheimnissen Gottes leichter machen - ja man schlug vor, einen Ritus für die einfache Feier der Eucharistie innerhalb der Familie zu schaffen, wobei daran gedacht ist, daß der Priester, statt in der Kirche, öfter im Familienkreis nach einem neuem Ritus die Eucharistie mit den Familienmitgliedern oder Freunden feiern sollte. Man strebte sichtlich hin zur allgemeinen Kommunion unter beiderlei Gestalt (wenn auch unter Warnungen und Widerspruch). Man wies darauf hin, daß das Lektorenamt ein Laienamt sei und daß die Epistel von Laien gelesen werden solle. Man forderte, daß jeder Altar für die Feier von beiden Seiten her eingerichtet sein solle; die Feier mit dem Volke in derselben Richtung habe Sinn, dürfe aber nicht als klerikale Sonderunternehmung mißverstanden werden; man hob aber „das Befreiende” der Stellung des Feiernden zur Gemeinde hin hervor: Ich bin nicht „hinter der Messe” - ich bin mitten darin!

LeerSehr überzeugend und unserer Erfahrung durchaus entsprechend waren die Warnungen, nicht alles Einleuchtende ohne den Bischof sogleich einzuführen und der Gemeinde mit den immerhin umstürzenden Neuerungen zugleich „die Capricen des einzelnen Pfarrers” aufzubürden.

LeerZum Gesamteindruck ist zu sagen, daß die deutschen Übersetzungen der Schrift nicht ganz befriedigten - hier wäre von Luther zu lernen gewesen - und daß die Frage der FAZ berechtigt ist, ob sich wohl die Verantwortlichen „der Mithilfe wortkundiger und wortmächtiger Helfer bedienen” würden.

LeerWenn man auf die aufgeschlagene Bibel auf dem Hauptaltar sah, die jubelnd deutsch singende Gemeinde erlebte, das stürmisch fordernde Vorwärtsdrängen, wie den Beifall bei sehr revolutionär klingenden Forderungen; wenn man sich klar machte, wie hier dringende Anliegen der Reformatoren nach über 400 Jahren mit leidenschaftlichem Ernst verfochten wurden, und das alles in der Haltung einer klaren Christozentrizität, dann versteht man, was der greise Karl Barth meint, wenn er kürzlich in einem Interview von der jetzigen evangelischen Theologie gesagt hat: „Was sind das für kümmerliche Problemchen, verglichen mit den großen Dingen, die unsere katholischen Kollegen und Brüder zur Zeit verhandeln”, und „es könnte dazu kommen, daß wir etwas zu lernen bekommen an einem Ort, wo wir es nicht erwartet haben.”

Quatember 1964, S. 175-177

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-03
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