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Das Kirchberger Tympanon
von Paul Rohleder

Tympanon Johanniskirche Kloster KirchbergLeerZu den ältesten Kunstwerken der Kirchberger Klosterkirche gehört ein Tympanon, das heute an deren Nordwand angebracht ist. Es stammt aus der Zeit des Klosterbeginns im 13. Jahrhundert und wurde beim Abbruch des Südflügels im Jahre 1868 in einer wenig gelungenen Fassung an seinen jetzigen Ort gebracht.

LeerWährend in Einzelheiten offene Fragen bleiben, ist die Darstellung als Ganzes klar und einprägsam. Eine erhöhte Scheibe zeigt das geopferte Lamm mit dem Nimbus des Siegers und mit dem Kreuz, welches zugleich als Siegesfahne gestaltet ist. Entlang dem Scheibenrand entfaltet sich ein frischer, kräftiger Eichenzweig. Das will sagen: Im Kraftfeld Christi sind wir gesund und geborgen. Wir werden - dem Eichenzweig vergleichbar -, was wir der Anlage nach sind. Man könnte mit Paulus sagen: „Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, es ist alles neu geworden.”

LeerAußerhalb der Scheibe sehen wir drei Tiergestalten: Schwein, Löwe und Bock. Das Schwein hat aber keinen Schweineschwanz und trägt das Maul eines Krokodils. Ist einfach an ein Untier oder auch an den drachenartigen Leviathan gedacht, welcher Jes. 27, 1 als gewundene Schlange bezeichnet wird? Der Löwe ist auffallend klein und könnte auch als Hund gedeutet werden. Dabei wäre vielleicht an Phil. 3, 2 und Offb. 22, 15 zu denken. Lassen wir diese Zweifelsfragen dahingestellt. Sicher sind die Tiere zu deuten als Völlerei und Maßlosigkeit im Essen und Trinken; als Gewalt und Maßlosigkeit eines ichhaften, rücksichtslosen Wesens; als Unzucht und Maßlosigkeit in geschlechtlichen Dingen. Diese Tiergestalten (Löwe und Bock haben übrigens unter ihren Füßen ein paar abgerissene, zertretene Blätter des Eichenzweiges) symbolisieren die niederen Anlagen in uns, welche uns an die Erde binden. Sie drängen zur Herrschaft, wenn wir den Christusraum verlassen und nicht mehr „in Christus” sind. Man könnte - das Pauluswort umkehrend - sagen: Ist jemand außerhalb des Kraftfeldes Christi, so bleibt der alte, gebundene Mensch. Es ist ihm nicht möglich, aus sich selbst ein neuer Mensch zu werden.

LeerDas Tympanon stellt uns mehr als eine beschauliche Interpretation des Lebens vor Augen. Es hatte vermutlich eine exorzistische Aufgabe. An seinem ursprünglichen Ort, im Bogenfeld eines Portals, sollte es jedenfalls die in den drei Gestalten von Schwein, Löwe und Bock symbolisierten unsauberen Geister bannen und ihnen den Eintritt ins Kloster verwehren. Es sollte dem Menschen vor Augen halten, daß er im Bannkreise Christi vor ihnen sicher ist, und ihn an die Verheißung Christi erinnern: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Quatember 1968, S. 160

Foto: DrMartinus
Rechte: Creative Commons

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-07
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