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Aus Kirchberg
von Hans Carl von Haebler

LeerObwohl unser Kloster im Frühling ausgebaut wurde, vom schrillen Lärm der Baumaschinen und Geräte widerhallte und einen verwüsteten Anblick darbot, war Vorsorge getroffen worden, daß die Konferenzen, welche die Bruderschaft in dieser Zeit abzuhalten pflegt, durchgeführt werden konnten.

LeerVom 8. zum 9. April tagte der Theologische Arbeitskreis, der sich von Prof. Wendland, Münster, in Gegenwartsprobleme der ökumenischen Sozialethik einführen ließ. Vom 10. bis 12. April fand das 7. (ökumenische) Kirchberger Gespräch statt. Anschließend beriet der Liturgische Arbeitskreis unter seinem neuen Sekretär Alexander Völker über Weiterbildung der gottesdienstlichen Ordnung und neue liturgische Texte.

LeerAus der Fülle des Stoffs kann hier nur ein Ergebnis des 7. Kirchberger Gesprächs herausgegriffen werden, das sich das Exaudi-Kapitel in Kirchberg in einer „Erklärung zu den Fragen um Amt und Ordination der Kirche” zu eigen machte.

LeerDie Grundlage des Gesprächs, zu dem unsere altkatholischen Brüder, unsere römisch-katholischen Freunde und ein anglikanischer Gast wertvolle Beiträge leisteten, lieferten zwei Referate von Prof. P. Koch SJ, Marburg, und Prof. Siegwalt von der evangelischen Fakultät Straßburg. In allen drei Gottesdiensten, die nach altkatholischer, römisch-katholischer und bruderschaftlicher Ordnung gefeiert wurden, wurde offene Kommunion gewährt.

LeerDie Erklärung, die wir nachstehend bringen, ist auch für den Laien wichtig und hilfreich. In einer Zeit, in der von evangelischen Christen das besondere Priestertum in Frage gestellt und von römisch-katholischen Christen die Gültigkeit evangelischer Amtshandlungen bezweifelt wird, will sie der Auflösung der Kirche entgegenwirken und zur Verwirklichung ihrer Einheit beitragen. Sie wurde dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, den Bischöfen, Präsides und Synodalpräsidenten ihrer Gliedkirchen und den Mitgliedern der (röm. kath.) Fuldaer Bischofskonferenz zur Kenntnis gebracht.


Erklärung des Rates der Evangelischen Michaelsbruderschaft
zu Amt und Ordination


Leer1. Jesus Christus sammelt seine Gemeinde, die seine Stimme hört und seine Gegenwart im Heiligen Mahl erfährt. Er sendet seine Gemeinde in die Welt. Der Dienst der Sammlung und Sendung obliegt allen getauften und glaubenden Christen, sofern sie diesen Dienst in der Gemeinschaft der Kirche ausüben.

Leer2. Jesus Christus sammelt und sendet seine Gemeinde als der „Hirte und Bischof unserer Seelen” durch den Dienst der von ihm Berufenen. Das bedeutet: die Kirche ist in dem Handeln ihrer Diener ihrem Herrn und zugleich der Welt zugewandt. Sie muß sich besonders davor hüten, nur auf sich und ihre Probleme zu blicken. Sie nimmt selbst am Wandel der Zeiten teil und sucht aufmerksam nach geeigneten Wegen, um ihren Dienst an der Menschheit auf immer neue Weise zu erfüllen.

Leer3. Jesus Christus beruft dazu einzelne Menschen und befähigt sie durch den Heiligen Geist, „als Haushalter über Gottes Geheimnisse” am Auftrag und Dienst der Kirche teilzunehmen. Die Verkündigung in Prophetie und Lehre, das gottesdienstliche Handeln und die Leitung der Kirdie erfordern besondere Gnadengaben. Es widerspricht deren Wesen sowohl, sie in einer autoritären Machtstruktur auszugestalten als auch, sie demokratisch zu egalisieren. Vielmehr gleichen sie in ihrer Verschiedenheit und in ihrem Zusammenwirken den Gliedern Eines Leibes.

Leer4. In unserer Zeit ist die Vielfalt der Aufgaben, aber auch die Universalität und Einheit der Kirche neu hervorgetreten. Daher ist in einer vielschichtigen Gesellschaft die Ausgliederung des einen Amtes der Kirche in mannigfache Dienste ebenso nötig wie die Zusammenführung der verschiedenen Gaben im gemeinsamen Dienst.

LeerAlle Beauftragten bedürfen der Fürbitte, Einordnung und Sendung. Diese kommen in Segenshandlungen zum Ausdruck. Jeder zum Dienst Berufene ist immer auch ein solcher der gesamten Kirche und für ihre Einheit und den gemeinschaftlichen Dienst in der Welt mit verantwortlich.

Leer5. Besonders zum öffentlichen Dienst der Verkündigung, der Beichte und Absolution, der Leitung des Gottesdienstes und der Kirche bedarf es einer geordneten Berufung und Segnung. Der Berufung voraus geht eine Vorbereitung und Prüfung, die sich nicht nur auf Kenntnisse erstreckt, sondern auch nach den geistlichen Gaben fragt.

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LeerIn der Ordination werden die vorhandenen Gaben anerkannt. In ihr wird aber auch die geistliche Vollmacht zum Dienst von Gott erbeten und im Vertrauen auf seine Verheißung unter Handauflegung zugesprochen. Darum ist sie als geistliche Handlung wesentlich.

LeerDer Ordinierte wird in ihr zugleich für die ganze Zeit seines Lebens vergewissert, daß er weder mit seinen Fähigkeiten und Schwächen noch mit dem Beifall und Widerspruch seiner Umwelt steht und fällt.

LeerVon der Ordination ist die Einführung zu unterscheiden. In ihr wird der zum Dienst Berufene an eine bestimmte Gemeinde oder Dienstgruppe gewiesen.

Leer6. Die Ordination zum geistlichen Amt schließt rechtliche Beziehungen ein. Die Kirche und ihre berufenen Diener übernehmen beiderseits geordnete Rechte und Pflichten. Es widerspricht aber der geistlichen Verantwortung des Amtes, es auf rechtliche, womöglich arbeitsrechtliche oder beamtenrechtliche Bezüge zu beschränken. Das Wirken des Geistes und die Ordnungen der Kirche sind zwar zu unterscheiden, doch sollten sie nicht voneinander getrennt werden. Die Ordnung der Kirche lebt nur aus der Kraft des Geistes, und der Heilige Geist wirkt in konkreter Bindung. Geist und Recht gehören zusammen.

Leer7. Das geistliche Amt wird heute in Frage gestellt, weil es bei uns zu sehr an eine akademisch-intellektuelle Ausbildung gebunden und von der Vorstellung eines bürgerlichen Standes geprägt ist. Demgegenüber sind die Ansätze zu außerordentlichen Wegen der Berufung und Vorbereitung in den Dienst der Kirche zu fördern. In dem Maß, in dem die Kirchen in einer säkularen Gesellschaft aus einer bevorzugten Stellung ausscheiden, können sie zu Formen des Dienstes frei werden, die dem Geist des Neuen Testamentes besser entsprechen.

Leer8. Da das Amt immer ein Amt der gesamten Kirche ist, müßte es eine gegenseitige Anerkennung der Ämter der getrennten Kirchen geben. In dieser Frage haben aber die Kirchen bisher nur partielle Fortschritte erzielt. Immerhin werden heute die Merkmale der wahren Kirche Christi überall dort anerkannt, wo Glaube und Taufe, Verkündigung und Herrenmahl auf dem Grund des Neuen Testaments vollzogen werden und eine geordnete Leitung der Kirche und Gemeinden in der apostolischen Uberlieferung besteht. Dazu gehört auch die personale Weitergabe des Amtes.

Leer9. Die Frage der rechten Gemeinschaft in der einen katholischen und apostolischen Kirche wird sich in dem Maß klären, wie die Kirchen bereit werden, ihre eigene Tradition zu überprüfen, die Gnadengaben anzuerkennen, die jede Tradition empfangen hat, und daran Anteil zu geben. Wir glauben, daß wir auf diesem Weg bereits heute eine weitgehende Gemeinschaft auf dem Grund der Taufe, im Gebet und Hören auf das eine Wort, in der Feier der Eucharistie und in gemeinsamen Diensten der Liebe finden können.

LeerWir vertrauen der Zusage des Herrn, daß er mitten in der Unruhe der Zeit bei seiner Gemeinde und Kirche bleiben und sie vor Erstarrung und Vereinzelung, wie vor Verwirrung und Auflösung bewahren wird. Eben dazu beruft er immer neu seine Diener, daß sie in seiner Nachfolge das Volk Gottes leiten.

Quatember 1970, S. 208-210

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-11-07
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