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Das geistliche Wort: Veränderung und Wandlung
von Gerhard Hage

LeerVeränderung ist eins der großen Themen unserer Zeit. Wie nie zuvor befindet sich die Welt in einer immer schneller werdenden Veränderung. Diese betrifft alle Bereiche des Lebens bis hin zu den Alltäglichkeiten: öfter mal was Neues! Der Mensch unserer Tage hat die Veränderung als Programm auf seine Fahne geschrieben. Große Erwartungen für die Zukunft verbinden sich mit der Planung solcher Veränderungen. Aber wie steht es eigentlich mit der Veränderung des Menschen, der solchermaßen plant und hofft? Gewiß werden wir alle zugleich mit der Welt, in der wir leben, verändert. Aber ist der Mensch nicht mehr als nur ein Teil seiner Welt? Ist er nicht berufen, sie zu gestalten und sich nicht nur von ihr gestalten zu lassen? Es reicht nicht aus, von der Umwandlung und Veränderung der Verhältnisse auch die des Menschen zu erwarten. Mehr noch: die Arbeit an der Veränderung der Welt wird nicht gelingen, wenn sie nicht von veränderten, erneuerten Menschen getan wird. Denn durch alle Veränderungen der Welt im Laufe der Zeiten bleibt sich der Mensch immer gleich als das „wilde Tier”, wie Luther ihn nennt, als einer „voller böser Lust und Neigung, der keine wahre Gottesfurcht und keinen wahren Glauben an Gott hat”, wie es das Augsburger Bekenntnis sagt.

LeerDas ist der dunkle cantus firmus des Menschen durch die Zeiten hindurch. An dieser Stelle muß die eigentliche Veränderung geschehen, die Wandlung und Erneuerung von Grund auf. Sie kann nur aus der andern Dimension kommen, von Gott her, von dem Gott her, der sich in Jesus Christus als der große Verwandter und Erneuerer zeigt. Weil wir das nicht sind, - nicht mehr und noch nicht - was wir sein sollen und weil die Welt es auch nicht ist, darum zielt Gott auf unsere Wandlung, unsere Metamorphose hin. Sie hat in Jesus Christus begonnen. An ihm können wir nicht nur anschauen, was sie ist, sondern in ihm liegt auch schon der Anfang. Sie ereignet sich immer von neuem mitten unter uns da, wo die Stimme Christi laut und sein Mahl gefeiert wird in seiner Gemeinde, in der Eucharistie, in der wir darum bitten: „wie Du Ihn auf erweckt hast von den Toten und den irdischen Leib in himmlisches Wesen verwandelt hast, so wandle uns.” „Ja, Herr schaffe uns und alle Welt neu nach Deiner Liebe.”

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LeerIn der Form eines äußeren Ereignisses wird diese Wandlung in der Erzählung von der sogenannten „ VerkIärung auf dem Berge” in den Evangelien ausgesagt. Sie ist gewissermaßen das Präludium von Ostern und gehört in besonderer Weise zur Epiphanie Gottes in Christus als deren Ziel. Die Wandlung - das sagt uns diese Erzählung - ist ein innerer Vorgang, in der Sprache der geistlichen Geographie der Bibel mit dem Berg als Ort und der verhüllenden Wolke angedeutet - die andere Dimension. Sie ist aber auch ein äußerer Vorgang, denn sie ereignet sich an der irdischen Gestalt Jesu - der Gestaltwandel. In Beidem geht es um die Transparenz für den Glanz und das wahre Leben Gottes. Die Wandlung Christi ist kein metaphysisches Schauspiel, wie es der ungewandelte Mensch mißversteht, auch wenn er fromm ist, - ein Schauspiel zur eigenen Erbauung. „Herr, schön ist es hier zu sein!” Dem nicht erneuerten Menschen ist das Geheimnis der göttlichen Metamorphose verschlossen. Er muß vielmehr der Weisung folgen, die Gott gibt: „Hört auf ihn, auf Christus! Laßt euch aufwecken und fürchtet euch nicht!” Diese Weisung führt in die Passion mit Christus, in die jeder eintreten muß, der die Wandlung an sich erfahren will. Ohne sie ist sie nun einmal nicht zu haben. Das Miteinander von Passion - und das heißt ja immer Opfer - und Erneuerung kennzeichnet die Wandlung des Menschen, um die es hier geht. „Wenn auch unser äußerer Mensch zunichte wird, so wird doch unser innerer Mensch von Tag zu Tag erneuert.” (2. Kor. 4, 6). Kein Wunder, daß eine so geartete Veränderung des Menschen kein billiges Kleingeld ist: öfter mal was Neues!

LeerMit unserer Teilhabe an der Metamorphose Christi ist uns aber auch die Aufgabe unserer Veränderung gestellt, die sehr konkret in das Dasein eingreift. „Macht euch nicht dem Schema dieser Welt-Zeit gleich, sondern laßt euch umwandeln, laßt eure Sinne und euer Denken neu werden!” (Röm. 12, 2). Auf alle Lebensbereiche, auch und gerade auf unser Denken bezieht sich also die Wandlung des Christen. Welche Konsequenzen hat das für die Arbeit eines von Christus gewandelten Menschen? Trifft das auch zu in der Naturwissenschaft und Technik, in der Pädagogik, im politischen und sozialen Raum, um nur einige Gebiete zu nennen? Gewiß! Aber wir werden hier sehr vorsichtig sein, um nicht mehr zu sagen, als wir es ehrlicherweise tun können, ohne die Deckung mit unserem tatsächlichen Leben zu verlieren. Nur wenn wir selber durch Christus gewandelte Menschen sind und werden, haben wir ein Recht, zur Veränderung des Menschen als der entscheidenden Voraussetzung und dem unerläßlichen Beitrag für die Veränderung der Welt aufzurufen. Aber wir müssen selber an den uns heute aufgegebenen Zielen mitarbeiten und darin hier und dort zur Auswirkung kommen lassen, was Christus an uns getan hat und immer von neuem tut.

Quatember 1972, S. 1-2

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-10
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