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Anmerkungen zu Günter Howes Buch von Otto Heinrich von der Gablentz |
Günter Howe konnte mit Carl-Friedrich v. Weizsäcker von gleich zu gleich über Atomphysik sprechen und mit Karl Barth über kirchliche Dogmatik. Er wußte, daß beides zusammengehört, daß wir nach dem Wort von Ulrich Scheuner "die Atomfrage nur lösen werden, wenn wir der Gottesfrage in einer neuen Tiefe begegnen". Bei seinen naturwissenschaftlichen Freunden fand er für diese Erfahrung mindestens verständnisvolle Offenheit, wie sie zum Beispiel aus Weizsäckers Geleitwort zu dem Aufsatzband "Die Christenheit im Atomzeitalter" spricht. Bei Karl Barth und seinen Schülern fand er überhaupt kein Verständnis. Barth klammert ja in der Schöpfungslehre seiner "Kirchlichen Dogmatik" die Auseinandersetzung mit der modernen Naturwissenschaft bewußt aus. Bultmanns Theologie ist hier überhaupt farbenblind. Howes Urteil lautet daher (in einer unveröffentlichten Vorlesung) : "Bultmann hat sich mit Fleiß bemüht, die geistliche Natur aus seinem Denken auszuschließen, und es ist nicht verwunderlich, daß er dabei mit gleicher Eindeutigkeit die Theologie in der Sphäre des naturlosen Geistes ansiedeln mußte". In der Michaelsbruderschaft fand Howe in den 30er Jahren eine zweifache Bestätigung: eine Sakramentspraxis, in der die Dinge dieser Welt, Brot und Wein, ganz ernst genommen werden, und eine Theologie, die eine "neue Universalität", eine "kosmische Christologie" anstrebte, die in Christus den Pantokrator nicht nur für die Menschenwelt, sondern für die gesamte Wirklichkeit sah. Das Sakramentsverständnis hat die Bruderschaft durchgehalten und Howe in ihr. Davon spricht die letzte Seite seines Buches "Gott und die Technik". (Die Verantwortung der Christenheit für die technisch-wissenschaftliche Welt. Eine Vorlesung für Hörer aus allen Fachbereichen. Mit einer Einführung von Heinz Eduard Tödt. Furche Verlag, Hamburg, und Theologischer Verlag Zürich.) Die theologische Arbeit ist nach dem Kriege versandet vor den Aufgaben, die den Brüdern in der offiziellen Kirche gestellt wurden. Nicht nur Howe, sondern auch wir anderen, im öffentlichen Leben exponierten Laien fühlten uns im Stich gelassen. Das traf Howe um so schmerzlicher, als sein ganzes Verständnis der geistigen Verantwortung für die Welt und seine besondere Begabung auf gemeinsame Arbeit angelegt war. Er skizziert in einem eignen Abschnitt der Vorlesungen, wie die "neuen Subjekte der Verantwortung" aussehen müßten. Vorstufen sind für ihn zum Beispiel die bekennende Kirche und der Kreisauer Kreis. Ein Beispiel sieht er in "der Gruppe von etwa 50 Wissenschaftlern und einigen hohen Heeresoffizieren, die in den 50er Jahren die neue amerikanische Militärpolitik erkämpft haben". Seine eigne Tätigkeit spielt sich immer wieder in einer Gruppe ab. Von der Bruderschaft war schon die Rede. Hierhin gehört der Hinweis auf meine eigne Arbeit "Vom Sinn der Wirtschaft", die auf unserer gemeinsamen Überzeugung beruhte, daß der Umgang mit Brot und Wein im Sakrament das Modell sein muß für den Umgang mit den Dingen in Technik und Wirtschaft. Daneben stand der Lehrauftrag an der Heidelberger theologischen Fakultät über "Grenzfragen von Theologie und Naturwissenschaft", der von der Fakultät 1967 mit der Ernennung zum Honorarprofessor honoriert wurde. Übrigens hat er auch seine Vorlesungen und Seminare meistens mit einem Kollegen zusammen gehalten. Das alles war nicht Vielgeschäftigkeit, sondern es geschah im Bewußtsein der Verantwortung, für die große Synthese der Atomfrage und der Gottesfrage auf allen Gebieten wenigstens Anregungen zu geben und die Forderung nicht zur Ruhe kommen zu lassen. In einer kleinen Arbeitsgemeinschaft ging er sie unmittelbar an mit dem Thema "Das Sakrament in der physikalisch-technischen Welt". Wir setzen diese Arbeit jetzt im Zusammenhang mit der Michaelsbruderschaft fort. So wird deutlich, woher Howe das Recht und die Pflicht nahm, so, wie er es getan hat, in seinen Vorlesungen "weltlich von Gott" und "göttlich von der Welt" zu reden, und zu welcher Verantwortung er uns durch sein Leben und durch seine Schriften aufruft. Es ist Howes wissenschaftliche Überzeugung, daß jetzt der historische Augenblick gekommen ist, an dem sich die Möglichkeit einer neuen Verbindung aufzeigen läßt. Dazu führen ihn auf der einen Seite die theoretischen und praktischen Ergebnisse der Atomphysik. Das theoretische Ergebnis ist die Erschütterung des Determinismus. Das Newtonische Weltbild, an das Bultmann anachronistisch seine Theologie gebunden hat, ist zerstört durch die Erfahrung, "daß unsere Bestimmung eines Zustandes grundsätzlich auf die jeweilige Beobachtungssituation bezogen werden muß und die totale Trennung von beobachtendem Subjekt und beobachtetem Objekt auch gedanklich nicht mehr vollzogen werden kann" (Weizsäcker). Damit ist nicht etwa die Frage nach dem Sinn schon gestellt oder gar positiv beantwortet. Aber es steht nun fest, daß es erlaubt ist, sie zu stellen, auch für den exakten Naturwissenschaftler, auch auf seinem eigenen Gebiet. Daß er sie aber stellen muß, ist die Folge der praktischen Anwendung seiner Erkenntnisse. Wer die Atombombe baut, ist dafür verantwortlich, was sie anrichtet. (Die persönliche Tragödie Robert Oppenheimers ist nicht zufällig zum Symbol geworden.) Mit der Tatsache der Atombombe und den Möglichkeiten einer friedlichen Anwendung der Atomkraft erscheinen alle Probleme des sozialen Lebens in neuer Beleuchtung. Was bedeuten gegenüber den Gefahren der Massenvernichtung noch die Begriffe von staatlicher Integrität, von nationaler Ehre und dergleichen? Wie können auf der anderen Seite die positiven Ergebnisse genutzt werden, die es grundsätzlich ermöglichen, auch den Massen der dritten Welt ein nach unseren Vorstellungen menschenwürdiges Leben zu sichern? Wie ist aber dieser Verantwortung nachzukommen bei dem gegenwärtigen geistigen, seelischen und organisatorischen Zustand der Völker? Aber sind Theologie und Geisteswissenschaften darauf besser vorbereitet als bisher? Howe zitiert Georg Picht: "Wir müssen den Weg der Aufklärung radikal zu Ende gehen." Auf der ersten Stufe hat Kant den Menschen mündig gesprochen. Auf der zweiten Stufe hat Hegel die geschichtliche Bedingtheit unserer Erfahrungen gelehrt. Aber er ist gescheitert an dem Versuch, das Glauben zum Wissen zu steigern. Auf der dritten Stufe haben wir die beiden Ergebnisse festzuhalten: wir können weder hinter die Autonomie der Vernunft zurück, noch können wir darauf verzichten, Gott auch erkennen zu wollen. Aber wir müssen einsehen, daß solches Erkennen den Glauben schon voraussetzt: aus Glauben zum Glauben (Römer 1, 17). Das ist genau die Haltung, die Tillich als "Theonomie" bezeichnet. (Daß Howe Tillich nicht erwähnt, ist vielleicht die Folge seiner allzulangen Bindung an Barth.) "Es geht um den Menschen, der im Gehorsam gegen Gott in voller Mündigkeit die Verantwortung; für sich selbst und die Erde übernimmt." Ist aber die Zeit gekommen für diese neue Besinnung auf das Verhältnis zu Gott, auf das Verhältnis zur Welt und auf das Verhältnis der Welt zu Gott? Howe meint, daß gerade Nietzsches Wort "Gott ist tot" zu dieser Besinnung zwingt. Denn wir können uns nicht damit herausreden, daß damit ja nur der "Gott der Philosophen und Gelehrten" gemeint sei, und der wirkliche Gott, der Vater Jesu Christi, zu dem man beten kann, sei nicht betroffen. Diese beiden Erfahrungen von Gott sind nicht auseinanderzureißen. Gerade dadurch, daß die Theologen das versucht haben, haben sie einen weltlosen Gott und eine gottlose Welt bekommen, der eben mit der Beziehung auf Gott auch jeder Zusammenhang verlorengegangen ist, in der "die Wahrheit aufgespalten wird in eine Fülle von wissenschaftlichen Richtigkeiten". Wir können hinter die Erfahrung, daß Jesus Christus "unser Gott und Herr" ist, wie die Ökumene bekennt, nicht zurück. Darum müssen wir auch vorwärts zu der Erfahrung, daß er der Herr der Natur und der Herr der Geschichte ist. Das meint Howe mit dem Satz, wir müßten "unser Reden mit den drei Artikeln des christlichen Glaubens artikulieren" und zwar "in der Reihenfolge zweiter, erster, dritter Artikel". Quatember 1972, S. 14-18 |
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