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40 Jahre
von Walter Lotz

LeerDas 40jährige Bestehen der Evangelischen Michaelsbruderschaft regt mich zu einer Erwägung im Blick auf diese biblisch so bedeutsame Zahl an. Die 40 bezeichnet in der Bibel immer wieder den Zeitraum einer kritischen Verwandlung und zielt auf den Beginn eines Neuen. Wie uns Karl Bernhard Ritter oft gezeigt hat, hängt das mit der Kurve von knapp einundeinhalb Mondphasen zusammen, die bei abnehmendem Mond einsetzend zweimal in die Tiefe führt und beim zweiten Aufstieg abbricht. Es geht mit dem erwählten Volk durch die Wüste und durch Krisen in das gelobte neue Land. Es geht mit Mose zweimal auf den Berg der Abgeschiedenheit und Gottesbegegnung, die zum Empfang des Gesetzes führt. Es geht mit dem lebensmüden Elia nach Stärkung durch Brot und Trunk auf die Höhe einer neuen Gotteserfahrung und dann doch wieder an den alten Auftrag.

LeerDas sind nicht die einzigen Beispiele, die eine Zeit krisenhafter Bereitung für einen neuen Anfang bezeichnen. Dabei ist natürlich nicht buchstäblich an 40 Tage oder 40 Jahre zu denken. Trotzdem komme ich im Blick auf die 40 Jahre der Bruderschaft nicht von dem Eindruck los, daß wir heute mit unseren eigentlichen Anliegen vor einem neuen Auftrieb stehen, nachdem sich lange Zeit Müdigkeit und Krisenstimmung breit gemacht haben.

LeerEin Blick in das Berneuchener Buch der 20er Jahre, das jetzt noch einmal nachgedruckt wurde, zeigt uns, daß die damals in prophetischer Weise erkannten Aufgaben weder gelöst wurden noch inaktuell geworden sind. Auch wenn manches davon heute radikaler und wirksamer von kleinen Kommunitäten wahrgenommen wird, bleibt für eine breitere Berneuchener Gruppierung nach wie vor ein echtes Bedürfnis, und es besteht kein Grund zu resignierendem Rückzug.

LeerAllerdings kann das alte Anliegen nicht dadurch in die Zukunft wirken, daß man alte Formen und Formeln nach 40 Jahren einfach wiederholt. Mag auch manches, was antiquiert erscheint, noch lange seinen guten Dienst tun, so müssen wir uns doch offen halten für die Entfaltung neuer Formen und für eine Wirksamkeit in der Sprache und mit den Möglichkeiten unserer Zeit. Jedenfalls liegt das Eigentliche noch immer vor uns und macht uns frei von einem falschen Jubiläumsblick in das Gestern.

Quatember 1972, S. 61

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-10
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