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von K. Christian Felmy |
Zum fünften Male - auf den Tag zwölf Jahre nach der ersten Begegnung in Arnoldshain vom 27. bis 29. Oktober 1959, von der die Gespräche ihren Namen herleiten - waren vom 20. bis 28. Oktober 1971 Theologen der Russischen Orthodoxen Kirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Fortsetzung ihres offiziellen - seit 1967 im Zwei-Jahres-Turnus - abwechselnd in der. Bundesrepublik Deutschland und in der Sowjetunion abgehaltenen Dialogs in Kloster Kirchberg zusammengekommen. Leiter der Delegation der Russischen Orthodoxen Kirche war zum dritten Male der Metropolit von Leningrad und Novgorod, Nikodim, Vorsitzender der Abteilung für Auswärtige Kirchliche Beziehungen des Moskauer Patriarchats - so die russische Bezeichnung für „Kirchliches Außenamt” und dessen „Präsidenten”. Wie seit Anbeginn dieser Gespräche leitete der Präsident des Kirchlichen Außenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland D. Adolf Wischmann die deutsche Delegation, deren Mitglieder ordentliche Professoren bundesrepublikanischer Fakultäten für evangelische Theologie sind, von denen keiner weniger als dreimal an den Gesprächen mit der Russischen Orthodoxen Kirche teilnahm. Gegenwärtig sind es die Professoren: Leonhard Goppelt, München; Götz Harbsmeier, Göttingen; Georg Kretschmar, München; Fairy von Lilienfeld, Erlangen; Edmund Schlink und Reinhard Slenczka, beide Heidelberg. Professor Ernst Wolf, Göttingen, einem der Initiatoren der Begegnungen mit der Russischen Orthodoxen Kirche, der sich um die Thematik des Kirchberger Gesprächs besonders gemüht hatte, war die Teilnahme daran nicht mehr vergönnt: er starb - 69jährig - am 13. September 1971, schmerzlich vermißt von den in Kirchberg Versammelten. Metropolit Nikodim, Dr. h. c. der Comenius-Fakultät Prag, Magister der Moskauer Geistlichen Akademie, Ehrenvorsitzender des Rates der Leningrader Geistlichen Akademie, wurde begleitet von einem Erzbischof, zwei Bischöfen, einem Professor und einem Dozenten der Leningrader Geistlichen Akademie, beide Erzpriester, sowie einem Dolmetscher, Mitarbeiter des Patriarchats. Der russische Magistertitel entspricht mindestens dem deutschen Doktortitel. Die Würde eines Doktors der Theologie wird nur in äußerst seltenen Fällen verliehen. Das Tagungsthema „Der Auferstandene Christus - das Heil der Welt” wurde unter den Gesichtspunkten der neutestamentlichen Theologie, der Kirchengeschichte, der Systematik, der Dogmatik, der Ethik und der Liturgik in zwölf Referaten behandelt. Die Arbeitsordnung war die für „Arnoldshain” gewohnte: jedem der Referate folgte eine Diskussion, deren jeweiliges Ergebnis zweisprachig in von den Mitgliedern unterschriebenen Thesen festgehalten wurde - ebenso wie das Resümee nach Abschluß der Gespräche. Auf Wunsch von Metropolit Nikodim erteilten die beiden Delegationen einander über das Tagungsthema hinaus Informationen über die ökumenischen Beziehungen ihrer Kirchen. Das erste und das letzte Referat von „Arnoldshain V” war den russischen Gästen vorbehalten. Der Bischof von Astrachan und Enotaevka Michail (Mud'jugin), bis 1968 Dozent und Rektor der Leningrader Geistlichen Akademie, der bereits an den beiden voraufgegangenen Tagungen beteiligt war, leitete die Gespräche ein mit seinem deutsch gehaltenen Vortrag „Die Wahrheit von Kreuz und Auferstehung und ihr Spiegelbild in den Werken des hl. Athanasius von Alexandrien”, während Metropolit Nikodim sie mit seinem Beitrag „Kreuz und Auferstehung im orthodoxen Gottesdienst” mit einer Fülle von Texten in kirchenslavischer Sprache, die Frau Professor von Lilienfeld aus dem Stegreif ins Deutsche übersetzte, abschloß. Das Referat von Bischof Michail wurde ergänzt durch das von Professor Kretschmar: „Kreuz und Auferstehung in der Sicht von Athanasius und Luther”. Am zweiten Arbeitstag folgten die Ausführungen über „die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, ihre Wirklichkeit und ihre Wirkung”. Zuerst referierte - gleichfalls in deutscher Sprache - der am 16. Mai 1971 inthronisierte Erzbischof von Düsseldorf und Nordwestdeutschland Dr. theol. der Leningrader Geistlichen Akademie Alexis (van der Mensbrugghe), ein zuletzt in Nordamerika, vordem in Frankreich und England tätiger bedeutender Theologe. Das Korreferat hielt Professor Goppelt. Der Vormittag des dritten Arbeitstages stand unter dem Thema „Die Veränderung der Welt durch Christus und die Antwort des Menschen darauf”. Der Verlesung des Referats von Professor Wolf und dem Vortrag von Professor Slenczka, folgte eine besonders lebendige Diskussion. Professor Liverij Voronov von der Leningrader Geistlichen Akademie, Magister der Theologie, sprach über „Das Auferstehungsdogma in der Orthodoxie”. Erzpriester Voronov vertritt seit 1962 seine Kirche in einer großen Anzahl internationaler Konferenzen und zwischenkirchlicher Begegnungen - sowohl innerhalb der Orthodoxie als auch mit abendländischen Kirchen und im Weltkirchenrat. Zu dem Thema „Was ist in der neuen Schöpfung schon erfüllt und was haben wir zu erwarten?” sprachen die Professoren Harbsmeier und Schlink sowie Erzpriester Nikolaj Gundjaev, Dozent für Patristik an der Leningrader Geistlichen Akademie. Frau Professor von Lilienfeld referierte über „Auferstehung im Oster-lied der deutschen Evangelischen Kirche” und wies auf die enge Verwandtschaft der Aussagen über die Auferstehung im abendländischen Liedgut zu denen der orthodoxen Liturgie hin. Durch dieses Resümee weisen die Mitglieder beider Delegationen bereits darauf hin, daß ihre ökumenische Begegnung sich nicht auf ein theologisches Gespräch beschränken läßt, ebenso wenig wie sie grundsätzlich auf ein solches verzichten darf. Die Tagung war eingebettet in das geistliche Leben von Kloster Kirchberg, dessen Mette und Komplet die deutschen und russischen Teilnehmer regelmäßig mitbeteten. Das gottesdienstliche Leben wurde durch einen russischen Vespergottesdienst und die Feier der Göttlichen Liturgie bereichert, bei denen Metropolit Nikodim seine liturgischen Kenntnisse und musikalischen Fähigkeiten als Chordirigent bewies. Am Abreisetage leitete Dekan Rohleder die Feier der Evangelischen Messe nach der Ordnung der Evangelischen Michaels-Bruderschaft, bei der Professor Schlink die Predigt hielt. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg, deren Landesbischof Claß die Tagungsteilnehmer schon am ersten Arbeitstage in der Kirche von Kloster Kirchberg begrüßt hatte, lud sie am Sonntag, dem 24. 10., zu einer Rundfahrt durch das Schwäbische Land ein. In der Gemeinde Gönningen wurde ein Predigtgottesdienst besucht. Außerdem besichtigte man Mariaburg, eine Anstalt des Diakonischen Werkes für Geistesbehinderte, sowie die Klöster Blaubeuren und Beuron mit dem Vetus-Latina-Institut. Am Dienstag, dem 26. 10., hatte die Evangelische Landeskirche in Württemberg einen Empfang im Bernhäuser Forst bereitet. In Begleitung des Referenten für Orthodoxie im Kirchlichen Außenamt, Pfarrer Dr. Chr. Felmy und Amtsrat Heß reisten die orthodoxen Gäste nach Tagungsabschluß zunächst nach Trier, wo der Wunsch von Metropolit Nikodim, die Reliquie des Hl. Rockes zu besichtigen, erfüllt werden konnte; nach Bonn mit einem Empfang bei Bischof D. Kunst und nach Hamburg. Die Abgeschiedenheit von Kloster Kirchberg bot, begünstigt durch das sonnenreiche, sommerwarme Wetter, den denkbar günstigsten Rahmen für die anstrengende Geistesarbeit. Dankbar empfanden alle Teilnehmer die ihnen dort erwiesene herzliche Gastfreundschaft.
Quatember 1972, S. 96-99 [Biographie Wikipedia] |
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