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Entwurf zur Ordination
von Walter Lotz

LeerEin schwieriges Hindernis auf dem Weg der Kirchen zueinander ist die Verschiedenheit des Amtsverständnisses und die daraus erwachsende Hemmung, das geistliche Amt der andern Kirche voll anzuerkennen. Dennoch ist in dieser Hinsicht die Lage nicht hoffnungslos. In manchen Theologengesprächen tauchen Möglichkeiten auf, wie man auch an diesem Punkt weiterkommen könnte. Dabei kann nicht übersehen werden, daß sowohl in der römisch-katholischen Kirche das Verständnis des priesterlichen Amtes zur Zeit einer vielschichtigen Diskussion unterliegt, als auch in den evangelischen Kirchen Sinn und Gestalt des Pfarramts allenthalben kritisch überprüft wird.

LeerDie theoretischen Debatten finden ihren Niederschlag in den liturgischen Ordnungen für die Ordination. Mögen auch die sogenannten Ordinationsverweigerer eine kleine radikale Minderheit darstellen, ihr Protest deutet jedenfalls darauf hin, daß nicht mehr überall eine klare und unbestrittene Auffassung vom geistlichen Amt in der evangelischen Kirche besteht. Die agendarischen Reformarbeiten spiegeln die Lage und die Entwürfe für die liturgische Ordnung der Ordination zum Pfarramt sind keineswegs das Experimentierfeld liturgischer Spezialisten, sondern erlauben Schlüsse auf das Selbstverständnis der Kirche, die in der Weitergabe des Amtes in Beharrung und Veränderung ihr eigenes Gesicht zeigt.

LeerWir sind weit davon entfernt, für alle evangelischen Kirchen in Deutschland eine einheitliche Ordinationsordnung in Aussicht zu haben, wenn auch einzelne Grundzüge nach wie vor allen evangelischen Kirchen gemeinsam sind. Neben den lutherischen Ordnungen und den Vorschlägen der Arnoldshainer Konferenz erarbeiten verschiedene Landeskirchen eigene Ordnungen, die für die Gesamtentwicklung nicht ohne Bedeutung zu sein brauchen. Worum es dabei geht, kann vielleicht durch ein paar kommentierte Zitate aus der Entwurfsarbeit der liturgischen Kammer einer dieser Landeskirchen deutlich werden.

LeerIn einer fest formulierten Anrede pflegt den Kandidaten Sinn und Aufgabe ihres künftigen Amtes vorgehalten zu werden. In dieser „Vorhaltung” wurde früher vor aller Menschenfurcht gewarnt. Heute gilt es die Gefahren konkret zu bezeichnen, als bequemen weltförmigen Konformismus auf der einen Seite und als ebenso bequeme klerikale Ghetto-Haltung andererseits. Statt der durchgängigen Heraushebung der Verkündigungsaufgabe muß heute im Blick auf die Seelsorge ausdrücklich und vor allem zum Hörenlernen des Pfarrers ermahnt werden. Wichtiger als die fertigen Rezepte und Trostsprüche ist seine nicht direktive und absichtslose Haltung, die in dem Menschen, der sich ausspricht, das Gefühl des Angenommenseins erweckt und ihn so ermutigt. Im Blick auf das Abendmahl muß deutlich werden, daß es nicht in erster Linie um die Austeilung geht oder um eine Casualie für den einzelnen, sondern vielmehr um ein Amt, das der ganzen Gemeinde aufgetragen ist: die Danksagung und Darbringung der Gaben, die uns von Gott gesegnet werden zur Stärkung der Gemeinschaft, zum Wachstum des Leibes Christi. In allem aber muß ständig bedacht werden, daß die Einzelkirche auf die Einheit der gesamten Christenheit hingeordnet bleibt. So kann es also in einem Entwurf für die Vorhaltung heißen:

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Leer„Liebe Brüder! Zu Eurem Dienst gehört, daß Ihr das Evangelium von Jesus Christus wie es in der Heiligen Schrift gegeben und in den Bekenntnissen der Kirche bezeugt ist, auf mancherlei Weise verkündet und Euch dabei vor falscher Anpassung und Liebedienerei ebenso hütet wie vor anmaßender Lieblosigkeit und Selbstgenügsamkeit. Im Namen des dreieinigen Gottes sollt Ihr taufen und den Getauften und ihren Familien helfen, im Verständnis des Glaubens zu wachsen und zum rechten Dienst vor Gott und an den Menschen bereit zu sein. In der Seelsorge sollt Ihr hören lernen und den Einzelnen oder Gruppen ohne eigene Absichten ermutigend und selbstlos zur Verfügung stehen. Die Vergebung der Sünden sollt Ihr auf Verlangen zusprechen und das Beichtgeheimnis wahren. Es gehört zu Eurem Amt, die Feier des heiligen Abendmahls in der Gemeinde zu leiten und ihr zu einem lebendigen Vollzug der Danksagung vor Gott und der Gemeinschaft untereinander zu helfen. In allem ist Euch zugleich die Sorge für die Einheit der Kirche Gottes aufgetragen.”

LeerDie „gesellschaftliche Relevanz” des pastoralen Dienstes kann sich erst aus dieser zentralen Grundlegung ergeben. Sie wird sicher manchem in den folgenden Formulierungen nicht klar genug zum Ausdruck kommen: „Ihr sollt die Ordnungen der Kirche achten und darauf bedacht sein, daß alle Kräfte und Gaben in der Gemeinde zur Ehre Gottes wie zur Hilfe für die Menschen zusammenwirken. Ein Diener der christlichen Kirche wird sich besonders der Hilfsbedürftigen, Einsamen und Bedrängten annehmen, in der Öffentlichkeit für Gerechtigkeit und Versöhnung eintreten und die Liebe Gottes allen Menschen in Wort und Tat bezeugen.”

LeerWichtig ist in jedem Fall, daß niemand ein Seelsorger für andere sein kann, der nicht selbst seelsorgerlichen Dienst an sich erfährt. So sagt der bereits zitierte Entwurf: „Dieser Auftrag erfordert ein betendes Umgehen mit der Heiligen Schrift. Wer anderen seelsorgerlich helfen will, soll sich auch selbst einem Seelsorger anvertrauen, die brüderliche Gemeinschaft suchen und auf geistlichen Rat hören. Bittet Gott immer aufs neue um seinen Geist, der uns lehrt, was uns zu tun geboten ist.”

LeerDie Übertragung des geistlichen Amtes ist weder ein Verwaltungsakt der kirchlichen Behörde noch etwa die feierliche Verbrämung eines beamtenrechtlichen Vorgangs. Unabhängig von dem Dienst in einer oder mehreren konkreten Gemeinden gilt die Beauftragung und Bevollmächtigung für Lebenszeit, auch wenn der Beruf eines Pfarrers nicht mehr ausgeübt wird, es sei denn, daß „die Rechte des geistlichen Standes”, wie das bisherige Kirchenrecht formuliert, ausdrücklich durch ein geistliches Gerichtsurteil aberkannt werden. Was der einzelne Amtsträger zur Stärkung und Ermutigung für seinen Dienst bei der Ordination empfängt und was er notwendig braucht, wenn er nicht anmaßend aus .eigener Kraft handeln oder sich der Resignation ausliefern will, das empfängt er durch Vermittlung der Kirche, die sich auf den apostolischen Auftrag gründet, aber er empfängt es im Grunde weder von der Gemeinde noch von bestimmten Amtsträgern, sondern von Gott selbst in Christus und durch den Heiligen Geist. Darum ist eine angemessene Form der „Konsekration” die Handauflegung mit dem Gebet um den Heiligen Geist. Dieses Gebet, das nach dem Ordinationsgelübde unter Handauflegung gesprochen wird, kann etwa folgenden Wortlaut haben:

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Leer„Barmherziger Gott, Du hast Deine Gemeinde zu Deinem Dienst berufen, damit Deine Liebe aller Welt kund werde. Unter dem Kreuze Deines Sohnes sammelst Du die Zerstreuten und Verlorenen und schenkst ihnen Deinen Frieden. Du sendest Deine Apostel zu allen Völkern und gibst Deinen Boten und Dienern durch Deinen Geist die Vollmacht zum Dienst der Versöhnung. Wir bitten Dich für diese unsere Brüder (und Schwestern): Gib ihnen Deinen Heiligen Geist, daß sie Dir in der Gemeinde recht dienen und Deine Gaben so empfangen und weitergeben, daß reiche Frucht daraus erwachse. Erhalte Deine ganze Kirche und alle die ihr dienen in Deiner Wahrheit und Liebe bis an den Tag der Vollendung. Wir bitten Dich durch Jesus Christus unsern Herrn. Amen.”

LeerZur theologischen und liturgischen Begründung ist Näheres ausgeführt von Alexander Völker in der Schrift: „Ordination heute” (Kirche zwischen Planen und Hoffen, Heft 5).

LeerNach diesem Gebet spricht der ordinierende Bischof oder sein Vertreter zu jedem einzelnen Kandidaten:

Leer„Lieber Bruder N. N. (Schwester N. N.), so übernimm nun den Dienst, der Dir aufgetragen ist in der Kraft des Heiligen Geistes, den wir für Dich erbeten haben, und sei gewiß, daß der Herr mit Dir sein wird in allem, was Du in seinem Namen beginnst.”

LeerDanach wird die Bereitschaft der anwesenden Vertreter der Kirche und der Gemeinde erfragt, ob sie den Ordinierten in seinem Dienst annehmen und mit ihrer Fürbitte und Hilfe tragen wollen. Dann heißt es abschließend:

Leer„Ihr seid nun ordentlich berufene und angenommene Diener der Kirche Jesu Christi. Gehet hin, wie Ihr gesandt seid, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.”

LeerEs wäre zu wünschen, daß an möglichst vielen Orten Ordinationen stattfinden möchten, damit möglichst viele Gemeinden in diesen Gottesdiensten deutlicher als durch bloße theoretische Belehrung erfahren, was das geistliche Amt für die Einzelgemeinde und für die Gesamtkirche bedeutet. Es wäre aber erst recht zu wünschen, daß die Vielfalt der Ordinationsformen in nächster Zukunft eine Revision in Richtung auf mehr grundlegende Gemeinsamkeit erfahren könnte, damit immer klarer erkennbar würde: es sind mancherlei Dienste, aber es ist ein Herr!

Quatember 1972, S. 213-216

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-10
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