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Gerhard Langmaack zum 50. Architekten-Jubiläum
von Wolfgang Krönig

Aus der Eröffnungsrede zu den Ausstellungen „Kirchen - Heime - Schulen. Werke von 1922 bis 1972” in München (November 1971) und Hamburg (März 1972).

LeerGern habe ich es übernommen, einige einführende Worte zu sagen zur Eröffnung der Ausstellung des in Hamburg geborenen und wirkenden Architekten D. theol. Gerhard Langmaack, die einen Überblick seines Lebenswerks zu geben versucht in Grundrissen und architektonischen Zeichnungen, in Groß-Fotos und Modellen, freilich nur in einer Auswahl. Ich tue es aus der Überzeugung, daß der rechte Zeitpunkt und der rechte Anlaß gegeben sind, um ein Lebenswerk zwar nicht zu würdigen, aber doch wenigstens auf es hinzuweisen und seiner mit Dankbarkeit zu gedenken, ein Lebenswerk, hinter dem der Wirkende stets allzu sehr in Bescheidenheit zurückgetreten ist.

Leer„Kirchen-Heime-Schulen”, unter dieser Überschrift steht die Ausstellung. Das ist Aussage der Quintessenz dieses Lebenswerkes und zugleich dessen Summe. Kirche, das war für Langmaack stets der konkrete Ort, an dem sich auf dieser Erde das Christsein zu bewähren hat. Konfession ist dabei zwar der gegebene Ort, der konkrete Ausgangspunkt, aber Ziel ist die Kirche, wie sie die ganze Christenheit in allen ihren Teilen gemeinsam im Credo bekennt. Das Ökumenische, die ökumenische Verantwortung war stets in allem seinem Tun, seinem Bauen und Handeln, seinem Schreiben und Reden gegenwärtig. Kirchen bauen und „an-der-Kirche-bauen” - das ist für Langmaack stets dasselbe gewesen, zwei Aspekte derselben Sache. So hat er stets seine verschiedenen Aufgaben und Ämter aufgefaßt, ob als Gemeindeältester an der St. Johanneskirche in Hamburg, ob als einer der Stifter der Evangelischen Michaelsbruderschaft, ob als Mitbegründer des Evangelischen Kirchenbautags, immer handelte es sich um ein „Bauen an der Kirche”.

LeerVon der Dokumentation seiner frühen Kirchenbauten sei besonders hingewiesen auf zwei kleine Kirchen in Schlesien von 1936; schlicht und klar, vorzüglich der Landschaft eingefügt, aus deren Werkstoffen sie errichtet sind. Ähnlich ist es ihm, bei wachsender Reife, später noch öfter gelungen. Wir sollten uns aber klarmachen, daß der seit 1922 selbständig tätige Architekt erst damals den ersten Bauauftrag für eine Kirche erhielt, daß zwölf Jahre intensiver Beschäftigung mit den Fragen des Kirchbaus vorangegangen waren, daß mancherlei zu sagen wäre zu den Schwierigkeiten und Enttäuschungen im Leben eines Schaffenden, zu dem oftmals tragischen Kapitel der „Architektur, die nicht gebaut wurde”, aber auch zu den vielseitigen Bauaufgaben und Bauinteressen des Schaffenden, die der Titel der Ausstellung nicht erfassen kann. Lassen Sie mich aber von hier aus zurücklenken zu einer der frühesten Bauten Langmaacks, der „Bibliothek Warburg” in der Heilwigstraße zu Hamburg von 1925. Der Auftrag dieser längst weltberühmten wissenschaftlichen Institution, 1933 durch die Nazis aus Deutschland vertrieben und seitdem in London beheimatet, ehrt beide, den Auftraggeber und den Architekten. Es ist die schöne und konsequente Anwendung des Backsteins als Werkstoff, die wir an diesem Bau sehen. Von Professor Aby Warburg (1866-1929) ist bei dieser Gelegenheit unter anderem ein Ausspruch bekannt: „Langmaack, Sie sollten sich vorsehen, daß Ihre Kerze nicht gleichzeitig auf beiden Seiten brennt” - ein Ausspruch, der ebenso kennzeichnend ist für die tiefdringende Hellsichtigkeit Warburgs wie sie treffend ist für Langmaack, für seinen Einsatz, zeitlebens.

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LeerWenn wir die gebauten Kirchen überblicken, so ist es leider kaum möglich, auch nur annähernd eine angemessene Charakterisierung vorzunehmen. Wir sollten aber wahrnehmen, daß in diesem so vielschichtigen Werk drei Kategorien vorhanden sind:

Leer1. Wiederaufbau und Konservierung kriegszerstörter historischer Bauten. Hier ist vor allem St. Michaelis in Hamburg zu nennen, der bedeutendste evangelische Kirchenbau des Barock in deutschen Landen nach der leider für immer zerstörten Frauenkirche in Dresden, der schon einmal nach dem Brand von 1906 weitgehend neu errichtet war und nunmehr mit ungewöhnlichem Takt in Bindung und Freiheit gegenüber dem großen Werk der Vergangenheit (in manchem dem Original näher als der Neubau von 1907/ 1912) von Langmaack wiederhergestellt wurde, der auch die ganze Umgebung neu gestaltete.

Leer2. Neubau halbzerstörter Kirchen. Als Beispiel sei St. Nikolai in Kiel genannt, eine hochräumige Hallenkirche der Backsteingotik aus dem 14. Jahrhundert, von der nur Teile der Umfassungsmauern und der mittelalterlichen Ausstattung nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten geblieben waren. Hier wurde in der Erneuerung das System der hohen und schlanken Hallenkirche mit den neuen architektonischen Formen unserer Zeit dennoch bewahrt.

Leer3. Der völlige Neubau und die Neuplanung von Kirchenbauten, seit je überwiegend. Der Bildfries von nicht weniger als 50 in gleich großen Zeichnungen dargestellten Kirchen, welcher im Jahre 1968 den 70jährigen zugleich mit der Vollendung des fünfzigsten Kirchenbaus grüßte, zieht sich auch auf unserer Ausstellung rings um die Wände. Seitdem hat sich die Zahl der Werke weiter vermehrt. Die Fülle der Lösungen verdiente ebenso eine Würdigung wie die zeitliche Abfolge, in welcher ein sensibles Eingehen auf neue Möglichkeiten in Werkstoff und Technik auch im Kirchenbau sichtbar wird, zugleich aber auch menschliche und künstlerische Entfaltung, Entwicklung. Ich versuche einiges Wenige herauszuheben.

LeerAlles Modische, Spielerische, Einfallsartige hat hier kaum Platz; wohl aber das Bedenken landschaftlicher, örtlicher Bedingungen, begründeter Gegebenheiten und Traditionen, was alles sich im gesamten wie in Einzelheiten auswirkt. Das „Zentrale” und das „Gerichtete” hat Langmaack stets als die gegebenen Grundelemente des Kirchenbaus angesehen - und es scheint mir höchst bedenkenswert, wie hierin seit langem schon eine Gemeinsamkeit der großen christlichen Konfessionen verwirklicht ist, die über das bewußt Gewollte und Formulierte in der Praxis bereits hinausging.

LeerDas Schaffen Langmaacks ist nicht denkbar ohne stetige Besinnung auf das Wesen des Baumeisters, vor allem des Kirchenbauers. Sich und anderen gab er Rechenschaft von seinem Tun. Gewichtige Beiträge grundsätzlicher Art und auch geschichtlicher Thematik bedenken das Gewordene, die Verantwortung, Notwendigkeiten und Möglichkeiten des Heute und der Zukunft. Und es ist diese Fähigkeit des reflektierenden, des denkenden Künstlers - häufiger anzutreffen in der Tradition der romanischen Länder, die ihn gleichsam in die Nachfolge einer großartigen Architekten-Persönlichkeit gebracht hat - gleichfalls in Hamburg beheimatet: von Fritz Schumacher (1869-1947), schaffender Architekt und zugleich bedeutender Denker und Schriftsteller, dessen Lebensbild uns Langmaack gegeben hat. Daß Langmaack nunmehr schon seit vielen Jahren im Hause Fritz Schumachers an der Alster lebt und wirkt, im Herzen der Stadt, mit dem Blick über die Wasserfläche und gleichsam im Blick auf die Türme der Stadt, will mir wie eine sichtbare Verkörperung einer bedeutenden Tradition erscheinen.

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LeerSo ist auch die Verleihung der Würde eines D. theol. durch die Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Hamburg die Bestätigung und Anerkennung eines Lebenswerkes, das in Wort und Tat, in Denken und Handeln und in wechselseitiger Durchdringung beider Bereiche sich beispielhaft darstellt. Deshalb muß auch das schriftstellerische Werk wenigstens in einigen Stichproben hier genannt werden: die Beiträge, welche der Evangelische Kirchenbautag nach seinen Tagungen seit 1949 veröffentlichte; das Buch „Kirchenbau heute” (1949); die gewichtigen und umfangreichen Abschnitte „Der gottesdienstliche Ort” in: Leiturgia, Handbuch des Evangelischen Gottesdienstes, Bd. l (1953) und derjenige über „Evangelische Kirchen” in: Handbuch der modernen Architektur (1957) sowie das umfassende Buch „Evangelischer Kirchbau im 19. und 20. Jahrhundert, Geschichte -Dokumentation - Synopse” (Stauda 1971).

LeerIn Schulen und Heimen verkörpert sich in gleicher Weise gemeinschaftsgebundenes Schaffen und eine spezifische Verantwortung, auch wird hier deutlich, daß nicht von ungefähr gerade solche Aufgaben es sind, denen Langmaack sich stellt. Erwähnung verdient auch die Tatsache, die durch die Ausstellung sinnfällig wird, daß Langmaacks Werk zwar seinen Schwerpunkt hat im heimatlichen Bereich Norddeutschlands, gleichwohl aber über verschiedene deutsche Landschaften verstreut ist, und schließlich über die Grenzen des Landes und auch des Kontinents hinausgegriffen hat, wie es vor allem die Bauten im Vorderen Orient zeigen.

LeerDas Ganze überschauend, werden wir wohl zusammen mit Langmaack selbst sagen dürfen, daß die Epoche des kirchlichen Wiederaufbaus nach dem furchtbaren Zusammenbruch des Zweiten Weltkrieges einen gewissen Abschluß erreicht hat, daß neue Probleme und Aufgaben vorhanden sind, denen auch er sich gestellt hat und stellt, nachdem ihm relativ spät in seinem Leben diejenigen Aufgaben zumal im kirchlichen Wiederaufbau zuteil wurden, in denen er sein Eigenstes zu geben vermochte. Alles menschliche Handeln, Schaffen und Gestalten ist einmal Gegenwart, wird aber im nächsten Augenblick zu einer Vergangenheit. Da es aber allem architektonischen Schaffen bestimmt ist, den Lebensrahmen und den Lebensraum für eine wie auch immer geartete und wie lang auch immer dauernde Zukunft zu bestimmen, so ist in jedem Werk Zukunft enthalten. Diesem Lebenswerk, das nur dem tiefer Blickenden zu erkennen gibt, welche widrigen Umstände äußerer und innerer Art sich ihm entgegenstellten, gebührt unser Dank und unsere Hochachtung.

Quatember 1972, S. 224-227

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-10
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