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Festival katholischer und evangelischer Kommunitäten
von Wilfried Warneck

LeerAus mehr als zwanzig evangelischen und katholischen Kommunitäten - ordensähnlichen und anderen auf geordnete Gemeinschaft ausgerichteten Gruppen kamen etwa sechzig Frauen und Männer am 23. und 24. Juni, zum Fest Johannes des Täufers, zur Begegnung und zum gemeinsamen Feiern zu der Kommunität Imshausen bei Bebra. Viele der Teilnehmer kannten sich bereits - nicht nur von gegenseitigen Besuchen und früheren Treffen, sondern auch von der Wahrnehmung einer gemeinsamen Aufgabe her: Beim ökumenischen Pfingsttreffen 1971 in Augsburg hatten katholische und evangelische Lebensgemeinschaften miteinander eine Reihe von "Foyers" zur Verfügung gestellt, über die Stadt verteilte Stätten des Gesprächs, wo man von früh bis spät Gesprächspartner finden konnte, nicht nur zum Austausch über Fragen des gemeinsamen Lebens heute, sondern auch zur engagierten Reflexion des Tagungsgeschehens oder zur Diskussion und Besinnung über manche andere Fragen. Von diesem Angebot wurde reichlich Gebrauch gemacht.

LeerChristliche Gemeinschaften, die als Raum für ein ganzes Leben gedacht sind, sollte man nicht zu schnell mit fixierten Zwecken und Zielen belegen oder identifizieren. Sie wollen für eine Vielfalt von Gaben und Neigungen offensein und in den unterschiedlichsten Phasen von Leben und Schicksal Basis und Partner sein. Es liegt jedoch nahe, sie mit Kontemplation, intensivem gottesdienstlichem Leben, Gastfreundschaft, theologischer Arbeit, aber auch mit Pioniermission und -diakonie zusammenzubringen; die Geschichte der römisch-katholischen, orthodoxen, protestantischen und sonstigen Kommunitäten ist voll von Beispielen dafür. Wenn aber eine Sache der Kommunität auf den Leib geschrieben ist, so ist es die der Einheit der Kirche. Tag um Tag darauf ausgerichtet, Einheit und Frieden innerhalb der eigenen Gemeinschaft nicht als Anpassung, sondern als Versöhnung und Ergänzung der sonst auseinanderstrebenden menschlichen Möglichkeiten zu stiften, ist ihr die heutige Konfessionenzersplitterung der Kirche ein existentielles Ärgernis. So ist es nicht von ungefähr, daß Kommunitäten oft sehr verborgen, aber immer sehr bewußt daran wirkten, Brüder, die nicht zusammen waren und die doch sich erkennen sollten, in ihrem Raum zusammenkommen zu lassen. Sie vermittelten eine Fülle von Begegnungen, die sich als geschichtskräftig erwiesen.

LeerDafür ist das Modell der Foyers von Augsburg ein beredtes Beispiel oder das meist geradezu überbeanspruchte Foyer der Brüder von Taizé während des Zweiten Vatikanischen Konzils, das zum Beispiel für die kirchliche Entwicklung in Lateinamerika entscheidende Freundschaften vermittelte. Was aber kann die Kommunität für die Kirche heute sein?

Linie

LeerWar sie vor ein, zwei Jahrzehnten anziehend als verbindliche Form von Kirche, so sieht man heute in ihr ein soziologisch interessantes Mittelglied zwischen Intim- und Großgruppe, an dessen Gestalt allenthalben gearbeitet wird. Die Fragen, die sich daraus ergeben, und ihre Auswirkungen auf das von uralten oder sehr unerprobten Regeln geprägte gemeinsame Leben wurden in zwei Plenargesprächen erörtert. Aber das Schwergewicht des Treffens lag einerseits im gemeinsamen Feiern in dem zu weitläufigem liturgischem Spiel einladenden neuen Gottesdienstraum auf dem Imshäuser Tannenhof, der aus einem riesigen Heu- und Kornboden entstanden ist, andererseits auf den dauernd sich ergebenden informellen Gesprächen in den ausgiebigen Pausen. Da waren der Abt der Benediktiner-Abtei Trier und die Verantwortlichen der Teestube Hannover (die auf Mission und Dienst unter jungen Leuten ausgerichtet ist) im Gespräch mit Vertretern der Michaelsbruderschaft und des Laurentiuskonvents; die Kleinen Brüder Jesu, Kapuziner, Dominikaner, Benediktinerinnen und Augustinerschwestern - um nur einige von katholischer Seite zu nennen - mit Vertretern der Brüder vom gemeinsamen Leben, der Jesusbruderschaft oder des "Lebenszentrums für die Einheit der Christen" von Schloß Craheim, um wieder nur einige evangelische Häuser zu nennen.

LeerÖfter knüpfte das Gespräch an das Schauspiel "Der zehnte Mann" von Paddy Chayefsky an, das die Kommunität Imshausen am ersten Abend aufgeführt hatte, zum Beispiel im Blick auf die Fragen der Öffnung oder der relativen Konzentration der Räume gemeinsamen Lebens ("Familien mit kleinen Kindern im Refektorium?"). Höhepunkt war die große Eucharistiefeier am Johannistag, zu der Günther Hinz aus Hamburg, der Kantor der Michaelsbruderschaft, einige Stücke komponiert hatte und mit einem Ensemble und der ganzen Gemeinde spielte und sang.

LeerMan hörte mit zum Teil geradezu leidenschaftlicher Aufmerksamkeit aufeinander. Jedermann weiß, daß gemeinsames Leben heute auch ein Knoten von Problemen ist. Hier wußte jeder, daß Antworten nur aus dem Dialog kommen können. Jedenfalls in diesem Bereich waren Konfessionen im Sinne von abgezirkelten Bereichen nicht mehr sichtbar. Ganz abgesehen von der bei einigen dieser Gruppen über die Kontinente hin reichenden geistigen Ausstrahlung und sozialen Aktion ist zumindest darin die Kommunität "Vorläufer" der Kirche im Ganzen -wie Johannes der Täufer "Vorläufer" war. Kommunitäten sind keine Luxusunternehmen; denn ungezählte Menschen verschiedener Art kehren Jahr um Jahr, Tag um Tag bei den Gemeinschaften ein, und - wie jemand sagte - "Kommunitäten färben ab".

Quatember 1972, S. 231-233

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-10-09
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