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International Ecumenical Fellowship
von Monika Lipps

LeerDie Bemühungen der getrennten Christen um die Einheit der Kirche vollziehen sich auf verschiedenen Ebenen, im Bereich des geistlichen Lebens, im theologischen Dialog, im gemeinsamen Handeln. Dabei kommt der Primat dem geistlichen Leben zu. Dieser ist Grundlage jeder christlichen Aktivität.

LeerDie IEF (International ecumenical fellowship) weiß sich dem geistlichen Ökumenismus in besonderer Weise verpflichtet. Sie ist 1967 in Fribourg in der Schweiz als eine Bewegung von Christen entstanden, die an der Zertrennung der Kirchen leiden und die Wiedergewinnung der Einheit erstreben. Aus allen Konfessionen und vielen Nationen sammeln sich Christen - Theologen und Laien, Männer und Frauen, Jugendliche und Erwachsene jeden Alters und aller Schichten - zu einer im Glauben begründeten Gemeinsamkeit, die in wiederholten Begegnungen erfahrbar wird. Im persönlichen Engagement, nicht in offiziellem Auftrag, wollen die Mitglieder der Einheit der Kirche dienen. Sie sind der Überzeugung, daß im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort, im gemeinsamen Beten und in der gemeinsamen Feier der Eucharistie, die in den verschiedenen Weisen der einzelnen Kirchen gehalten wird, die Einheit von der geistlichen Tiefe her anwächst.

LeerNachdem in den Vorjahren die IEF ihre Geistlichen Wochen in der Schweiz (Gwatt 1968), in Holland (Breda 1969) und in Spanien (Salamanca 1970) abgehalten hatte, fand die Vierte Internationale Konferenz unter dem Thema „Der Geist Gottes heute” vom 25. VIII. bis 1. IX. 1972 in Altenberg bei Köln statt. Hier konnte an ein Stück ökumenischer Praxis angeknüpft werden, da der Altenberger Dom seit Jahren gemeinsam von katholischen und evangelischen Christen benutzt wird.

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LeerGrußtelegramme aus dem Phanar, dem Vatikan, vom Ratsvorsitzenden der EKD, dem Erzbischof von Canterbury und dem Ehrenprimas der Alt-Katholischen Kirchengemeinschaft sowie die Anwesenheit überregionaler und regionaler Vertreter der einzelnen Konfessionen ließen deutlich das Wohlwollen erkennen, das die amtlichen Kirchen einer Bewegung entgegenbringen, die „durch ein Maximum an Überzeugung und Treue zum eigenen Glauben und die Gemeinsamkeit tiefer geistlicher Erfahrung” eine gegenseitige Bereicherung und schließlich die „Fülle Christi” anstrebt. Die Teilnehmer, etwa 160 an der Zahl, kamen aus den USA, aus England, Holland, Belgien, Frankreich, Spanien, Schweden, Norwegen, aus der Schweiz, der Bundesrepublik und der DDR, aus Jugoslawien und der Türkei; es sammelten sich Christen der syrischen, orthodoxen, römisch-katholischen, lutherischen, reformierten, anglikanischen, alt-katholischen und freikirchlichen Bekenntnisse, Angehörige von religiösen Gemeinschaften, Theologen, Geistliche, Laien.

LeerDie Woche gemeinsamer Begegnung, die hauptverantwortlich vom Leiter der deutschen Sektion, Pastor Helmut Kühne (Köln), vorbereitet worden war, ließ in klarer Profilierung den Primat des geistlichen Lebens erfahren; aber es wurde auch deutlich, daß das ganze Leben des Menschen geistliches Leben im biblischen Sinne sein soll. Mit dem gemeinsamen Morgengebet im Altenberger Dom begann der Tag, mit der Komplet wurde er beschlossen. Eine biblische Meditation ließ das Wort Gottes vernehmbar werden. Den Höhepunkt bildete täglich eine der Eucharistiefeiern, die von Tag zu Tag in der Ordnung einer anderen Kirche gehalten wurden. Zu stillem, persönlichem Gebet und zu schweigender Anbetung wurde in unaufdringlicher Weise eingeladen. Aufschlußreich waren die einführenden Gedanken zur orthodoxen und syrischen Liturgie sowie die Informationen über die Ökumene in Deutschland, Spanien und Jugoslawien.

LeerEiner der Höhepunkte der Konferenz war die ergreifende Feier der syrischen Liturgie, die uns durch die aramäische Sprache der Texte und die urwüchsig-ungebrochene Gestaltung an die Ursprungszeit des Glaubens erinnerte. Erzpriester Aziz Günel hielt eine schlichte, an bildhaften Vergleichen reiche Predigt in der Sprache Jesu: „Eisen ist hart, aber es wird vom Feuer verzehrt; Feuer ist mächtig, aber es wird vom Wasser gelöscht; Wasser ist gewaltig, aber es wird in Wolken verwandelt; Wolken sind stark, aber sie werden vom Wind zerstreut; die Winde sind mächtig, aber sie werden vom Menschen in Schranken gehalten; die Menschen sind wie ein Hauch; was bleibt, ist die Liebe.”

LeerDer theologischen Besinnung auf das Konferenzthema „Gottes Geist heute” dienten die Vorträge von Dom Olivier Rousseau OSB (Chevetogne): „Gottes Geist in Geschichte und Tradition”, von Professor Horst Bürkle (München): „Gottes Geist als Charisma”, von P. Georgios Metallinos (Bonn): „Gottes Geist als Mysterium”. Die Zuordnung von Thema und Konfession erfolgte mit Bedacht, um den Aspekt ans Licht zu bringen, der der jeweiligen Kirche besonders bedeutsam und vertraut ist, den Orthodoxen das Mysterium, den Katholiken Tradition und Geschichte, den Evangelischen das Charisma.

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LeerDie elf Arbeitskreise, bestehend aus jeweils 10-15 Personen, die sich mehrere Male zum Gedankenaustausch über die Vorträge oder auch über das Selbstverständnis der fellowship zusammenfanden, wurden als das verborgene Leben der Tagung bezeichnet. Erst im Plenum der Schlußsitzung wurden die verschiedenen, Auftrag, Schwierigkeiten und Zukunft der IEF betreffenden Überlegungen der einzelnen Gruppen allen mitgeteilt. Der körperlichen und geistigen Entspannung sowie dem ungezwungenen Gedankentausch diente eine Exkursion mit Picknick in das landschaftlich reizvolle Siebengebirge. Anschließend fuhr man noch in die evangelische Sozialsiedlung Michaelshoven.

LeerZu einem Erlebnis wurde die meisterhafte Aufführung der Kölner Kantorei im Altenberger Dom, bei der ein Überblick über deutsche Kirchenmusik vom Beginn bis zur Moderne vermittelt wurde. Die gemeinsamen Mahlzeiten, die vielen persönlichen Gespräche und Begegnungen, Spaziergänge, Geselligkeit und Humor stifteten eine frohe und brüderliche Atmosphäre. Sprachliche Schwierigkeiten wurden durch die unermüdliche Übersetzungstätigkeit einzelner Teilnehmer überbrückt, eine konkrete Weise der Rücksichtnahme und der Hilfeleistung. Die Verbundenheit im Glauben an den einen Herrn Jesus Christus ermöglichte vom Anfang bis zum Ende der Konferenz eine große Offenheit und Bereitschaft, auf den anderen zuzugehen und einzugehen, die Willigkeit, den anderen höher zu achten als sich selbst. Gewiß, es gab auch die Krise; entscheidend aber ist immer die Bewährung in ihr, die Erkenntnis der Schuld und die Vergebung. Es war beispielhaft, wie im Gebet, im Schweigen, mit der Klarheit des Wortes, mit Phantasie und Humor im Blick auf den gemeinsamen Auftrag das Knäuel der Verwirrung gelöst wurde. Einer der Teilnehmer bemerkte treffend: IEF hieße „Inevitable evil forgiven”.

LeerDie IEF ist bestrebt, am Ort ihrer Konferenz realisierbare Möglichkeiten der Kommunikation und der Dienstleistung aufzuspüren. So hat man von Altenberg aus Verbindung aufgenommen mit „Philoxenia”, einem Freundeskreis, der auf der Basis der Orthodoxie in Zusammenarbeit mit der evangelischen und katholischen Kirche sich besonders der orthodoxen Gastarbeiter annimmt. Nach der sonntäglichen Feier der orthodoxen Liturgie in der Kölner Kirche Maria Himmelfahrt fanden sich die Tagungsteilnehmer mit serbisch- und griechisch-orthodoxen Christen sowie einer Äthiopierin zusammen, die ihnen bei einer Agape mit geselligen Darbietungen einige frohe Stunden bereiteten.

LeerEinige im Kölner Raum verstreut lebende syrische Gastarbeiterfamilien folgten der Einladung zu der für sie hierzulande so seltenen Feier der syrisch-aramäischen Liturgie und zur anschließenden Agape. Bei beiden Gelegenheiten wurde die Verbundenheit in Christus in beglückender Weise erfahren. Die Kollekte der Tagung soll orthodoxen Christen sowie der „Zelle des Friedens” in Jerusalem zugute kommen, wo Christen, Juden und Moslems zusammenwohnen. Die Konferenz der IEF in Altenberg war im ganzen ein glücklicher Wurf, der in ökumenischer Verantwortung die Tiefe und Breite christlicher Existenz erfahren und den Willen zur Einheit erstarken ließ. Um so mehr gilt es, wachsame Sorge um den guten Fortgang zu tragen. Die folgenden Überlegungen (einer Teilnehmerin römischkatholischen Bekenntnisses) wollen im Sinne helfender kritischer Reflexion verstanden werden.

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LeerDie IEF will die eine Kirche der Zukunft in Pluriformität, nicht in Uniformität; jede christliche Kirche soll ihr Erbe in diese Kirche mit einbringen. Nichts ist verständlicher, als daß eine ökumenische Tagungsgemeinschaft den Wunsch hat, den einen Leib des Herrn zu empfangen und den einen Kelch zu trinken, zumal die Teilnehmer in den verschiedenen Liturgien einen breiten Strom gemeinsamen Erbes erfahren, der oft bis in Aufbau und verbale Übereinstimmung hineinreicht. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß die liturgische Feier der jeweiligen Konfession unablösbar verbunden ist mit der Frage: was ist Kirche? Diese Frage ist das offene Problem zwischen den Konfessionen. Es ist noch viel geduldiges und ehrliches Gespräch vonnöten, um hier weiterzukommen. Eine Praxis, die diesen Tatbestand nicht deutlich macht, schafft allzu leicht euphorische Einheitsgefühle, die der Realität nicht standhalten.

LeerDie ausdrückliche Einladung zur Kommunion, die während der Konferenz in den Eucharistiefeiern der reformatorischen Kirche an alle erging, „die in ihrer eigenen Kirche zu den Sakramenten zugelassen sind”, hat gewiß in der Erfahrung tiefer Gemeinsamkeit ihre Wurzel; aber faktisch ist sie für einen katholischen (und orthodoxen) Christen eine Einladung zu einem subjektiven Gewissenentscheid, der sich partiell emanzipiert von der Glaubensgrundlage der eigenen Kirche. Unversehens wird ein Kirchenbild lebendig und maßgebend, in dem zwar die pluriformen Liturgien als Bereicherung angesehen werden und gleichberechtigt nebeneinander stehen dürfen, in dem aber stillschweigend (und häufig unreflektiert) vorausgesetzt wird, das besondere Amtspriestertum katholischen (und orthodoxen) Verständnisses sei nicht konstitutiv für die Kirche Jesu Christi, sondern eine zwar mögliche, doch nicht notwendige Variante. Ebenso stillschweigend dürfte dabei vorausgesetzt sein, das gegenwärtig zähe Festhalten der katholischen Kirche am besonderen Priestertum sei nur noch eine Frage der Zeit.

LeerIndes verhält es sich so, daß nach römisch-katholischem Glaubensverständnis das besondere Priestertum konstitutiv ist für das Leben der Kirche, insbesondere für den Vollzug der Eucharistie. Dem priesterlichen Amt ist die reale und objektive Vermittlung des Mysteriums anvertraut, das als Geschenk von dem empfangen wird, der glaubt. In der Konsequenz einer solchen Auffassung liegt es, daß ein katholischer Christ die Kommunion nur nehmen kann „von einem Amtsträger, der die Priesterweihe gültig empfangen hat”, so wie es das von dem aufrichtigen und unverdächtigen Ökumeniker Kardinal Bea verantwortete ökumenische Direktorium ausdrückt.

LeerIn einem Arbeitskreis wurde zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß „Kleinigkeiten” in den Augen der einen Konfession „große Dinge” in den Augen der anderen sein können. Gewiß, es ist eine schwierige Aufgabe bei den Katholiken (und Orthodoxen), die „große Sache” des besonderen Priestertums auf Christus hin durchsichtig zu machen und sie aus der Zwielichtigkeit mißbräuchlichen Machtanspruchs zu lösen. Die Aufgabe bleibt. Es ist aber auch eine Aufgabe der anderen Kirchen, ihr Selbstverständnis zu verdeutlichen. In den Arbeitskreisen und in Einzelgesprächen wurde nicht selten sichtbar, wie unzulänglich und klischeehaft das Verständnis der eigenen und der anderen Kirchen ist und wieviele Vorurteile noch ihr Unwesen treiben.

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LeerDie IEF wird gut daran tun, wachsam zu sein, daß jede Kirche das ihr in besonderer Weise anvertraute Erbe einbringt, und dies nicht nur hinsichtlich der gottesdienstlichen Praxis, sondern auch hinsichtlich der theologischen Prämissen. Wo sie sich vor Alternativen hütet, vor denen der lutherische Superintendent Wurms in seiner bedeutsamen Predigt eindringlich gewarnt hat, scheint eine echte Synthese nicht unmöglich.

LeerDie Stärke der IEF besteht zweifelsohne darin, daß sie dem geistlichen Ökumenismus den Primat zuweist. „Die Betätigung des geistlichen Ökumenismus ist notwendig, um dem gemeinsamen Einsatz in der Welt Qualität und Tiefgang zu geben. Die Einheit ist eine Gnade, der Ökumenismus ist ein gewaltiger Gnadenprozeß” (Y. Congar). Wenn die IEF es nicht als ihre Aufgabe ansieht, theologische Fragen zu lösen und entsprechende Stellungnahmen abzugeben, so ist dies ein Zeichen ehrlicher Selbstbescheidung, da der theologische Ökumenismus ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz zur Voraussetzung hat. Das heißt nicht, daß theologische Fragen ignoriert werden; vielmehr wird es für wünschenswert gehalten, daß in Vorträgen, Arbeitskreisen und persönlichen Gesprächen theologische Überlegungen miteinander angestellt werden. Ein theologischer Fachausschuß unter dem Vorsitz des Direktors des ökumenischen Instituts in Salamanca, Prof. Vaquere, ist verantwortlich für theologische Korrekturen, deren der geistliche Ökumenismus unter gegebenen Umständen bedarf.

LeerIn der Schlußbesinnung, anknüpfend an Psalm 122 und die Apokalypse, zeichnete Pastor Helmut Kühne das visionäre Bild des neuen Jerusalem, in dem alle Stämme und Nationen sich sammeln werden; zu diesem großen Fest, das in der Anbetung Gottes gipfelt, will die fellowship wallfahrend unterwegs sein. „Jerusalem” könnte eines Tages Symbol für die IEF werden. Inspiriert durch die Idee eines neuen Jerusalem wird bereits die künftige Öffnung der IEF nach draußen erwogen und das Gespräch mit Juden, Moslems und Marxisten in den Blick genommen. So sehr die Öffnung zur Welt hin zum unaufgebbaren Auftrag des Christen und einer christlichen Bewegung gehört, so wird an dieser Stelle doch viel Besonnenheit vonnöten sein. Ganz sicher würde die IEF sich darin übernehmen, die Begegnung mit dem Judentum, dem Islam, erst recht mit dem Marxismus zu thematisieren; einzelnen suchenden Menschen, woher sie auch kommen mögen, die Teilnahme an ihren Konferenzen zu ermöglichen und in der Begegnung mit ihnen sich selbst auch bereichern zu lassen, wäre eher denkbar.

LeerVor allem aber wird die IEF, die dem Wirken des Geistes Gottes vertraut und durch ihn sich in Dienst nehmen läßt, auf der Hut sein müssen, daß die Vision vom himmlischen Jerusalem nicht umschlägt in die Illusion einer Stadt Gottes, die durch menschliche Anstrengung machbar ist. LeerDie Fünfte Internationale Konferenz der IEF wird vom 3. bis 10. September 1973 in Sibenik (Jugoslawien) stattfinden und unter dem Thema stehen: „Die Fülle Christi.”

Quatember 1973, S. 48-52

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-01
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