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Ganz anders
von Horst Schumann

LeerOb nicht ein gut Teil der Misere unseres kirchlichen Lebens daher rührt, daß wir nicht mehr richtig Ostern feiern - und zwar wöchentlich, denn nicht anders ist ja der Sonntag entstanden? Da hatte das ganze Lebensgefühl der Urchristenheit seinen Ursprung, das Bewußtsein nämlich, in den Machtbereich des Lebens, des Lichtes, in eine ganz neue Sphäre versetzt zu sein. Wenn aber Ostern zum Frühlingsfest und der Sonntag zum Ausschlafetag geworden ist, dann ist das Eigentliche zweifellos verlorengegangen. Wenn das so ist, wäre es dann nicht unsere Aufgabe, immer neu bei diesem Ursprung christlichen Lebensgefühls anzusetzen und uns klarzumachen, was Ostern und Auferstehung eigentlich ist?

LeerEs ist gut, daß in der Neufassung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses das Wörtchen „wieder” bei „auferstanden” verschwunden ist. Denn um ein „wieder”, eine Rückkehr ins irdische Dasein, wie es war, um eine Wiederherstellung des irdischen Leibes handelt es sich gerade nicht. Das Nichterkennen Jesu durch die Jünger in den Ostergeschichten redet ja eine deutliche Sprache. Es geht zu Ostern um den Ausbruch aus dem Bereiche dieser irdischen Welt; der Kreislauf des naturhaften Geschehens („alle Jahre wieder”) ist durchaus gesprengt.

LeerWenn man also nur vom Frühling zu reden weiß, wird alles ganz falsch. Es geht zu Ostern eindeutig um Christus, den Gekreuzigten und Begrabenen. Wenn man nichts von Ihm und Seiner Auferstehung zu sagen weiß, wird alles nur leeres Gerede (1. Kor. 15,14).

LeerDas Nichterkennen in den Ostergeschichten ist sehr wichtig. Es geht bei Jesu Auferstehung um den Durchbruch zu einer total anderen Seinsweise als jeder, die wir kennen - so total anders, daß jede menschliche Redeweise durch diese ganz andere Wirklichkeit gesprengt wird und man nur in sehr widerspruchsvoller Weise davon reden kann. Die scheinbaren Widersprüche in den Ostergeschichten sind also in der Sache begründet (so beispielsweise, wenn der Auferstandene „wie ein Geist” bei geschlossenen Türen kommen und gehen kann, andererseits aber sich anfassen läßt und Speise zu sich nimmt). So üben denn auch die Evangelien in ihrer Darstellung eine große Zurückhaltung, geben keine direkte Beschreibung des Geschehnisses, versuchen an keiner Stelle, den Schleier des Geheimnisses zu lüften, weil es, grob gesagt, kein Ereignis ist, das man hätte photographieren können!

LeerWir reden also, stotternd und stammelnd, weil unsere Sprache nicht ausreicht, von einem Geschehen, das über alle Erfahrungen und Möglichkeiten der uns bekannten Welt hinausgeht, nicht mehr zu der uns greifbaren Wirklichkeit gehört - und doch ganz wirklich ist. Da wird eine Tür zu einer ganz anderen Seinsweise geöffnet, zu einer Dimension, die schon zu der kommenden Welt gehört. Da ist eine radikale Verwandlung geschehen, griechisch „Metamorphose” - und seltsam, eben dieses Wort kommt in dem Evangelium von der sogenannten „Verklärung” vor, die ja wohl nicht anders verstanden werden kann als eben eine Vorwegnahme des österlichen Geschehens. Man kann in seiner sprachlichen Hilflosigkeit eigentlich nur das Wörtchen „anders” gebrauchen-wie es in einer alten, tiefsinnigen Mönchslegende heißt: Bei der Frage, ob der oder jener recht habe mit seiner Vorstellung von der Auferstehung, kommt die Antwort: „Nec taliter, nec aliter, sed totaliter aliter” - „Nicht so, und nicht anders - sondern ganz anders.” Total anders!

LeerIsenheimer Altar - AuferstehungEs gibt in der Kunst, soweit ich sehe, nur einen einzigen Versuch, wo dieses alle Vorstellungen sprengende „Verwandelt werden in himmlisches Wesen” darzustellen einigermaßen geglückt ist, auf dem Auferstehungsbild des Isenheimer Altares, wo sich der Leib der Auferstehenden von unten nach oben geradezu in Licht verwandelt und in Seinem Angesichte schließlich zu einer Sonne geworden ist.

LeerOb Paulus nicht so etwas meint, wenn er von einem „geistlichen Leibe” spricht, in den wir sollen verwandelt werden (1. Kor. 15, 44)? Ob man nicht geradezu „Lichtleib” sagen könnte? Wobei „Licht” dann aber auch als Bild für eigentlich Unsagbares verstanden werden muß - aber wohl das treffendste Bild. Andere Bilder sind die Wohnung beim Vater, die himmlische Stadt, die königliche Hochzeit ... Aber damit haben wir schon vorgegriffen. Man kann nämlich von Ostern nicht sprechen, ohne damit zugleich zu sagen, daß dies Geschehen uns Menschen meint und tief in unsere Existenz eingreift. Dazu ist Christus nach der einhelligen Botschaft des Neuen Testamentes auferstanden, um uns auf diesem Seinem Wege nachzuziehen.

LeerDas große Geheimnis der österlichen Verwandlung meint uns. Christus will uns hineinziehen in Seine Verwandlung, uns daran Anteil geben. „Wir werden alle verwandelt werden”, sagt Paulus (1. Kor. 15, 51). Könnte man nicht wagen zu sagen: Durch die Auferstehung sollen wir das werden, was Gott mit der Schöpfung des Menschen eigentlich gemeint hat - Sein Ebenbild? Er will uns Anteil geben an Seinem Leben und Seinem Wesen! Und eben darum ist alles, was mit Ostern zusammenhängt, letztlich unaussprechliches, niemals adäquat beschreib bares Geheimnis - weil Er der Unaussagbare und Unaussprechliche ist. Verkündigen - ja: Christus ist auferstanden; der Tod ist entmächtigt. Anbeten - ja: Das Leben ist erschienen! Erklären, beschreiben - nein. Die Frühlingsgöttin Ostarun hat unserem Feste seinen Namen gegeben. Aber Frühlingsfest? Nein - total anders!

Quatember 1973, S. 65-66

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-03-11
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