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Ökumenische Spiritualität
von Heinz Beckmann

LeerIn diesem Heft begrüßen wir zwei katholische Autoren, den Sekretär des Rates der Kirchen in den Niederlanden („Raad van Kerken in Nederland”), Professor H. A. M. Fiolet, und Professor Albert Brandenburg vom Johann-Adam-Möhler-Institut in Paderborn. Beide sind durch Amt und persönliches Engagement jener „Erneuerung und Einheit der Kirche” verpflichtet, zu der sich QUATEMBER im Untertitel bekennt. Katholisch ist auch jene ungenannte Briefschreiberin, die sehr persönliche Erfahrungen mit der Zen-Meditation ausspricht und damit, fernab aller Theorie, einen Beitrag zu der Diskussion über die verschiedenen Methoden der Meditation gibt.

LeerSo findet sich hier Gelegenheit genug, jene Nebelwand einer allgemeinen ökumenischen Resignation zu durchstoßen. Es wäre töricht, diese Resignation leugnen zu wollen, auch wenn sie bisweilen eher auf einer gewissen Ermüdung beruht. Die spektakulären Elemente der ökumenischen Begegnungen haben sich verflüchtigt. Das kann man begrüßen, doch wird man dadurch noch nicht befreit von der Sorge um eine offenkundige Rückläufigkeit ökumenischer Zusammenkünfte, deren Teilnehmerzahlen schwinden. Es ist nicht einmal so schwer, die Gründe dafür zu erkunden. Sie liegen mutmaßlich nicht in einer abnehmenden ökumenischen Bereitschaft, sondern in einer Abnahme der kirchlichen Bereitschaft überhaupt. Die Erfahrung lehrt, daß Ökumene dort lebendig geblieben ist und zunimmt, wo am Ort wirklich wache evangelische und katholische Gemeinden beieinander leben. Wir alle wissen freilich, daß das ein seltener Fall ist. Aber wir kennen auch die Möglichkeit, daß zwei Gemeinden am Ort sich in der ökumenischen Begegnung gegenseitig aufwecken. Das scheint mir sogar eine der wichtigsten Aufgaben der Ökumene zu sein, die bei rechtem gemeinsamen Leben imstande ist, evangelische oder katholische Christen sozusagen zu sich selbst zu bringen. Es steckt viel Hoffnung darin, wenn evangelische Christen wirklich „evangelisch” und katholische Christen wirklich „katholisch” werden. Dann nämlich erfahren wir, daß wir einander viel näher sind, als wir es zu sein meinten.

LeerEs fällt auf, daß katholische Empfehlungen und Verlautbarungen zur Ökumene am Ort immer dringlicher ein gemeinsames geistliches Leben, eine ökumenische Spiritualität befürworten. Damit haben sie sich auf evangelischer Seite manches Mißtrauen zugezogen. Man argwöhnt, die katholische Kirche wolle auf diese Weise die Ökumene mehr oder weniger „abschieben”. Selbst wenn ein solcher Argwohn berechtigt wäre, gäbe es unter Christen doch wohl nur den Weg, die katholischen Empfehlungen beim Wort zu nehmen, und sie lassen sich - das lehrt die Erfahrung - beim Wort nehmen. Allzu rasch kommt dann der Einwand, die katholische Kirche sperre aber für ein gemeinsames geistliches Leben den Sonntag.

LeerWo eigentlich steht geschrieben, daß für Christen geistliches Leben nur am Sonntag stattfindet? Und wären bei dieser Frage der Sonntagssperre nicht gerade die evangelischen Christen gehalten, ein wenig in sich zu gehen, sich ihre oft kläglich besuchten Kirchen (am Sonntag!) anzuschauen und dem katholischen Sonntagsgebot etwas näher auf den Grund zu gehen? Dieses Gebot betrifft nämlich die Teilnahme an der Feier der Eucharistie. Erst jüngst hat der badische Landesbischof Hans-Wolfgang Heidland in einer Ansprache vor der Pfälzischen Landessynode über Fragen des Gottesdienstes die noch weitverbreitete Unterbewertung des Abendmahls in evangelischen Gottesdiensten als einen Skandal bezeichnet und den Predigtgottesdienst einen Nebengottesdienst genannt, da doch die einzige gottesdienstliche Stiftung des Herrn der Kirche die Tischgemeinschaft beim Abendmahl sei.

LeerDer Einwand gegen die katholische Sonntagssperre für ökumenische Gottesdienste kann sich also leicht als ein Bumerang erweisen. Wenn ökumenische Begegnung nicht dazu führt, daß wir voneinander lernen, taugt sie ohnehin nichts. Voneinander lernen aber kann man nur, wenn man darauf verzichtet, fortwährend dem Anderen die Schuld am Schneckengang der Ökumene anzulasten. Falls man denn nach Schuld sucht - was eigentlich nicht Art der Christen sein sollte -, dann gibt es zunächst im eigenen Haus genug zu finden. Es ist dringend an der Zeit, daß evangelische Gemeinden sich auf die katholische Empfehlung eines gemeinsamen geistlichen Lebens, einer ökumenischen Spiritualität einlassen und gefaßt darauf sind, dabei bereichert zu werden, so wie sie - hoffentlich! - bereichern können.

Quatember 1974, S. 185-186

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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