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Helmut Kühne †
von Heinrich Siebrasse

LeerHelmut Kühne, der noch auf dem Krankenlager für das letzte Quatember-Heft die einleitende Betrachtung „Station Exaudi” schrieb, ist heimgegangen. Mit welch tieferem Verständnis liest man jetzt dies letzte Vermächtnis, in dem es heißt: „Als die Engel, einer Legende zufolge, Jesus bei seiner Ankunft im Himmel fragten, wer denn seine Aufgabe da unten übernehmen sollte, hatte er auf dies Häuflein gedeutet. ,Hast du keine anderen?', hatten sie fassungslos gerufen. ,Nein, nur diese!'” Diese, das sind die Jesujünger zwischen Ostern und Pfingsten, zwischen Planen und Hoffen, die bis zum Tag der offenbaren Herrlichkeit ihres Gottes immer neu auf pfingstliches Geschehen warten und erfahren dürfen, daß des Herrn Kraft in schwachen Menschen mächtig ist.

LeerHelmut Kühne war schon viele Jahre herzkrank. Vor über einem Jahr schrieb er mir aus einer Kreislauf-Klinik im Schwarzwald: „Heute Nacht hatte ich dreimal einen Herzanfall. Es wurde mir so deutlich wie nie zuvor, daß ich eindeutig zu den Schwachen gehöre und niedergebeugt bin. Mit Tränen in den Augen dachte ich an meine Frau und Kinder, an die Äußerungen der letzten Monate aus Gemeinde und Synode, in denen zum Ausdruck kam: Wir brauchen dich noch!”

LeerAls aber die Trauerfeier für den 59jährigen in seiner Christuskirche zu Köln-Dellbrück gehalten wurde, war nicht von Krankheit und Schwachheit die Rede, sondern schier unfaßbar von einer Kraft und Vielfalt des Wirkens für Christus und Seine Kirche, wie es das Maß eines normalen Pfarrerlebens überschreitet.

LeerAls wir uns vor Jahrzehnten als Mitglieder der Evangelischen Michaelsbruderschaft kennenlernten, erfuhr ich ihn immer wieder als den begnadeten Liturgen, der tonrein und nach Innen gerichtet die Hochform der Evangelischen Messe zu singen und zu beten vermochte, daß sie selbst Puritanern annehmbar wurde. Ich erlebte ihn als Prediger, der auf anstrengenden Tagungen aus tiefster Sammlung heraus anschaulich und von der Christusmitte der Schrift her wahrhaft Frohe Botschaft verkündigte.

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LeerSo ausgerichtet konnte er mit derselben Hingabe während seiner Kölner Dienstjahre der Stadtmission mit evangelistischer Verkündigung dienen. Weil Christus die Kraftquelle seines Lebens war und er in Wort, Sakrament und Gebet unaufhörlich daraus schöpfte, fand er diese erstaunliche Kraft und Vielseitigkeit seines Wirkens. Er organisierte schon vor vielen Jahren einen Besuchsdienst nicht nur in der eigenen Gemeinde, sondern auch in vielen anderen. Er versagte sich der synodalen Mitarbeit nicht und setzte sich in besonderer Weise für die Zusammenarbeit der evangelischen Gemeinden mit den freikirchlichen, katholischen und orthodoxen Nachbargemeinden ein. Der Höhepunkt der Trauerfeier war wohl das Gebet des Pfarrers der katholischen Nachbargemeinde, der - ohne vorhergehende Ansprache - die vielen ökumenischen Aktionen des Heimgegangenen vor Gott ausbreitete und in immer neue Danksagungen übergehen ließ.

LeerDas führt mich zuletzt zu dem Engagement Helmut Kühnes, in dem, wie ich meine, sein irdisches Wirken eine Krönung fand. Er hatte vor Jahren in Quatt am Thunersee die Gründungsversammlung der International Ecumenical Fellowship miterlebt. Diese Gesellschaft oder Freundschaft wurde von Gliedern der anglikanischen, römischen, reformatorischen und orthodoxen Kirchen begründet, um ein Sichkennenlernen in Gottesdienst und Frömmigkeit und damit eine ökumenische Spiritualität zu ermöglichen. Er kam zurück und „begeisterte” uns zur Mitarbeit. Mir fällt kein geeigneteres Wort ein, denn es handelte sich ja um eine charismatische Bewegung und somit um den Heiligen Geist. Das intensivste Erlebnis in den kommenden Jahren war ohne Zweifel die lEF-Woche in Salamanca. Es gab eine Fülle von Gottesdiensten aller Konfessionen unter Beteiligung von Bischöfen und weltlichen Würdenträgern, von Vorträgen und Gruppenarbeiten in allen Sprachen. Erstaunlich war die große Anteilnahme der spanischen Presse. Eine führende Madrider Zeitung brachte ihren Bericht unter der Überschrift: „Erster ökumenischer Durchbruch in Spanien”. Ich sehe Helmut Kühne noch in der Universitätsaula in souveräner Weise die Leitung ausüben, ja ich höre ihn mit der großen, vielsprachigen Versammlung den Losungs-Kanon einüben und singen.

LeerDaß sich für einen kleineren Kreis an diese so inhaltsreiche und bewegte Woche eine geruhsame Retraite in Avila anschloß, war ein guter Ausklang. Von einer Episode dieser Tage schrieb Helmut Kühne in dem schon erwähnten Brief: „Einer der Höhepunkte war gewiß jener Gang auf die Höhe vor Avila, wo die Steine und die Heiligen wachsen, und wir in der wahrhaft erhabenen Stille auf die vergoldeten Mauern der Stadt der heiligen Therese schauen durften. Das wird uns keiner nehmen können!” Was ist in der Erinnerung an diese Stunde geblieben? Unsere Gespräche und Gedanken, ausgespannt zwischen Zeit und Ewigkeit! Denn wir planten schon die nächste lEF-Woche für Deutschland. Sie wurde in Altenberg verwirklicht. Und wir sprachen unter dem Eindruck der Retraite davon, noch intensiver auf das Ziel hin zu leben. Wir hatten die hochgebaute Stadt mit ihren angestrahlten Mauern vor Augen! Den bleibenden Eindruck dieser nächtlichen Stunde vermag ich nur in das Mystikerwort zu fassen: „Wem Zeit wie Ewigkeit und Ewigkeit wie Zeit, der ist befreit von allem Leid.”

LeerNachdem ihm die Tagung in Altenberg noch eine volle Erfüllung seiner Hoffnungen geschenkt hatte, kam dann für ihn die Wanderung von einer Station Exaudi zur anderen, ein steiniger Weg der Anfechtung und des Wartens an dessen Ziel ihm nun das bleibende Pfingsten geschenkt wurde: Freude und Lobpreis in der Lichtherrlichkeit der ewigen Gottesstadt.

Quatember 1974, S. 186-188

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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