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Allianz und Ökumene
von Kurt Bader

LeerDas Baptist theological Seminary in Rüschlikon (Schweiz) beherbergte vom 26. bis 28. Mai 1974 rund 50 Teilnehmer eines Gesprächs, das in dieser Weise zum 10. Male Angehörige von Freikirchen und Landeskirchen zusammenführte. Veranstalterin dieses Gesprächs war die Arbeitsgruppe „Allianz und Ökumene”. Die bunte Zusammensetzung des Gesprächsteilnehmerkreises namentlich auf Seiten des freikirchlichen Lagers (Heilsarmee, Evangelisch-Methodistische Kirche, Baptisten, Pfingstbewegung u. a.) war ein sprechendes Zeugnis dafür, wie sehr man bemüht ist, auch hier dem Geist des Partikularismus entgegenzutreten. Das Thema der Tagung „Was ist mit dem Glauben los?” mit dem Untertitel „Christen und Kirchen in der Krise” zeigte mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, wie sehr wir alle im gleichen Boot sitzen, ist doch mit dem Wort „Glaubenskrise” in seinem doppelten Aspekt als Not und Verheißung eine Erscheinung angesprochen, die quer durch alle Gruppierungen hindurchgeht.

LeerDas Beglückende in den Gesprächen lag denn auch darin, daß man wirklich aufeinander gehört und einander in seiner Andersartigkeit voll angenommen hat. Es ist, soweit der Berichterstatter es überblicken kann, kaum ein Votum gefallen, das als Ausdruck konfessioneller Rechthaberei oder Selbstgenügsamkeit hätte gewertet werden können. Es scheint, als habe auch, ja gerade in freikirchlichen Kreisen, ein Denken in größeren, man möchte sagen: gesamtkirchlichen Zusammenhängen eingesetzt. Das Bewußtsein, nicht für sich allein existieren zu können und die Wahrheit nicht allein gepachtet zu haben, sondern um der eigenen geistlichen Erkenntnis willen auf die Erkenntnisse auch der andern angewiesen zu sein, dieses echte ökumenische Bewußtsein scheint da und dort in freikirchlichen Kreisen sogar schneller zu wachsen als in den etablierten Landeskirchen, wie denn überhaupt der unbefangene Beobachter mit Staunen feststellen muß, wie gewisse notae ecclesiae (Kennzeichen der Kirche) in den Freikirchen oft deutlicher zutage treten als in den Volkskirchen.

LeerWie sehr alle bisherigen Fronten kirchlichen und geistlichen Lebens heute ins Wanken gekommen sind und schon von daher alles schablonenhafte Denken sich als unzeitgemäß verbietet, wurde besonders stark in den Voten römisch-katholischer Teilnehmer empfunden. Es ist längst offenkundig, daß das Bild der monolithisch gefügten einheitlichen Kirche hier wohl für immer der Vergangenheit angehört. Als ein geistlicher Höhepunkt der Tagung dürfen die Ausführungen eines Dominikaners gelten, der selber der pfingstlichen Erneuerungsbewegung innerhalb der römischen Kirche angehört. Er hat uns ein Bild der Kirche gezeichnet, in welchem die geheime Sehnsucht wohl eines jeden Teilnehmers angesprochen war. Es gehe in dieser pfingstlichen Erneuerung nicht darum, der Kirche etwas zu bringen, was sie noch nicht habe, sondern einzelne Ortskirchen und die ganze Kirche zu veranlassen, das fruchtbar zu machen, was sie bereits besitzen, vor allem: die Lebenshingabe an Jesus Christus zu vertiefen. Die Tagung im Baptist theological Seminary mit seiner herrlichen über dem Zürichsee gelegenen Parkanlage hat in beglückender Weise gezeigt, daß gerade in jenen Kreisen echtes ökumenisches Denken lebendig sein kann, die sonst infolge einer gewissen Gegnerschaft zur Genfer Ökumene zwischenkirchlichen Gesprächen eher zurückhaltend gegenüberstehen.

Quatember 1974, S. 227-229

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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