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Missionsbruderschaft Südafrika
von Heinz Gerlach

LeerIm Anschluß an eine sechswöchige Missionsreise durch Südwestafrika besuchte ich die Evangelische Missionsbruderschaft Südafrika, die mit der Evangelischen Michaelsbruderschaft eng verbunden ist. Ich konnte an einer dreitägigen Retrait in Lobethal/Transvaal teilnehmen. Etwa zwanzig Frauen und Männer, Mitglieder und Gäste der Missionsbruderschaft hatten sich in dem Konferenzzentrum versammelt. Missionar Landmann von der Herrmannsburger Mission hielt zwei einführende Referate über das kontemplative Gebet, und ich hielt an den drei Vormittagen biblische Besinnungen zu dem Thema „Mit Gott umgehen wie mit einem Freund”.

LeerIch möchte hier einige Eindrücke wiedergeben, die mir die wichtigsten scheinen: Es ist überraschend und großartig, wenn man so weit in den Süden Afrikas kommt und von schwarzen Brüdern und Schwestern aufgenommen wird, als gehörte man schon immer zu ihnen. Vollends zu Hause weiß man sich bei den Stundengebeten und der Evangelischen Messe, die in Text und Melodie ganz dem Tagzeitenbuch und der „Eucharistischen Feier” der Michaelsbruderschaft entspricht, lediglich, daß sie ins Englische oder in Sesotho übersetzt sind.

LeerMir kam jedoch die Frage, ob gregorianische Weisen wirklich zu diesen Menschen passen. Rhythmus und Mehrstimmigkeit gehören so elementar zu ihrem Leben wie das Wasser zum Fisch. Sehr deutlich wurde mir das bei der Agapefeier, dem festlichen Abendessen mit anschließendem Tischabendmahl. Ehe die Feier eröffnet wurde, tanzten und sangen die Brüder. Und nach der Feier wollte es gar nicht mehr enden. Um den großen Tisch zog man in gemessenem Schritt, dann wieder klatschend und stampfend. War ein Lied zu Ende, stimmte ein anderer spontan ein neues an. Ob dies nur an der afrikanischen Mentalität lag? Oder waren es die Frauen, die bei der Bruderschaft nicht nur Gäste, sondern Vollmitglieder sind und die mit ihren Stimmen und Gebärden Glanz in die Feier hineinbrachten? Es war eine „Liturgische Nacht” ohne das Fluidum und die Suggestion der Masse und ohne großen Aufwand an Reizen optischer und akustischer Art. Es war ein Fest der Freude. Jeder Gottesdienst endete damit, daß man, ein fröhliches Lied singend, die Kirche verläßt, sich vor der Türe aufstellt und jedem die Hand gibt. So steht man dann noch eine Weile singend und mit dem Körper wiegend vor der Kirche und jeder hat mit jedem Kontakt - Gottesdienst, der nicht nur in der Gemeinschaft des Hörens und Betens besteht, sondern den Leib mit seinem Bedürfnis nach Bewegung miteinbezieht.

LeerWie gut sich strenge liturgische Form mit spontaner Fröhlichkeit doch verbinden kann! Auch war es selbstverständlich, daß zu den agendarisch festgelegten, Gebeten die freie Gebetsgemeinschaft hinzutritt. Der Liturg nennt die Gebetsanliegen des Tages und bittet drei Brüder zu beten. Es ist selbstverständlich, daß jedes Referat oder eine Besprechung mit einem freien Gebet abgeschlossen wird. Die Gespräche im Plenum über die politischen Probleme des Landes waren sehr gedämpft, da die Brüder einen Spitzel unter den Anwesenden vermuteten. Dennoch habe ich im persönlichen Gespräch erfahren können, daß die Brüder - wie der größte Teil der Intelligenz in Südafrika - ein kritisches Verhältnis zur Politik des Landes haben. Dank der Vermittlung durch Bruder Mminele, dem Leiter der Missionsbruderschaft, konnte ich auch Beyers-Naudé vom christlichen Institut in Johannesburg und Pfarrer Brückner, den Leiter der christlichen Akademie, kennenlernen.

LeerNach den drei Tagen in Lobethal besuchte ich die alte Missionsstation Kratzenstein, von wo aus ich die Norduniversität, eine der drei schwarzen Universitäten, besuchen konnte. Eine Fahrt durch den Krüger-Nationalpark mit seinen vielen Tieren und durch die wunderschönen Drakensberge bildeten den Abschluß. Bei der Verabschiedung fragte mich Bruder Mminele, wer wohl der nächste Michaelsbruder sein würde, der einen persönlichen Besuch im Süden Afrikas macht.

Quatember 1974, S. 232-233

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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