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Bruderschaftswoche in Kirchberg
von Hans F. Loeffler

LeerDer Einladung zur Bruderschafts- und Probebrüderwoche 1974 nach Kirchberg waren insgesamt 41 Teilnehmer gefolgt. So viele Interessenten hatte noch keine dieser Wochen gezählt. Die Tage erhielten durch die tägliche Feier der Evangelischen Messe und vier Gebetszeiten ihren geistlichen Rhythmus. Die Einstimmung nahm der Kantor der Bruderschaft Günther Hinz bereits frühmorgens eine Stunde vor der Mette durch Atem- und Tonübungen vor. Diese Übungen halfen uns, die anfängliche Verkrampfung und hier und da auch ein unpersönliches Nebeneinander recht bald zu überwinden. Dem Vorbild der orthodoxen Kirchen folgend, übte Kantor Hinz mehrstimmige Melodien ein, wie sie auch in Taizé gesungen werden. An die morgendlichen Atem- und Singübungen schloß sich eine Bild- und Textbetrachtung unter der Leitung von Dr. Tetzlaff an, die auf die Messe oder das Morgengebet vorbereitete.

LeerVon den Feiern möchte ich besonders die Tischmesse am Mittwochabend mit der sich anschließenden fröhlichen Agape erwähnen („Agape” wird das aus der frühen Christenheit stammenden „Liebesmahl” genannt). Auf andere Weise hat auch die abendliche Beichtfeier, der eine Vorbereitung in der Stille mit Gelegenheit zur Einzelbeichte vorausging, die Teilnehmer froh entlassen. Den Höhepunkt bildete jedoch die feierliche Sonntagsmesse in der Kirche, die mit einem gemeinsamen Einzug begann. Hier wurde die von Günther Hinz für den Kirchentag in Düsseldorf komponierte Messe - von der Orgel begleitet - im Wechsel von Schola und Gemeinde gesungen.

LeerIn den Rahmen von Messe und Stundengebet waren täglich drei Zusammenkünfte eingefügt, bei denen vor allem Fragen von Bruderschaft und Kirche behandelt wurden. Pfarrer Dickmann stellte ausgehend von 1. Kor. 11 das Abendmahl in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Indem er es (1.) als Gedächtnisfeier des letzten Mahles Jesu mit den Jüngern, (2.) als Ausdruck dessen, was Gemeinde Jesu heute ist, und (3.) als Feier der Hoffnung, als Vorwegnahme der künftigen Tischgemeinschaft mit dem Herrn, erklärte, führte er zugleich in das Wesen von Bruderschaft, Kirche und Ökumene ein. Seine Einleitung in die Urkunde der Evangelischen Michaelsbruderschaft weckte die Frage nach der heutigen Not der Bruderschaft und der Kirche.

Pfarrer Gerhard Hage, der Älteste der Bruderschaft, wies auf die Grenzen des Einflusses der Bruderschaft heute hin, betonte jedoch zugleich die Notwendigkeit eines „Aggiornamento im Kleinen”, innerhalb der Bruderschaft. Ein „Aggiornamento”, eine Antwort auf die Herausforderung des Tages, hatte Papst Johannes XIII. einst als Aufgabe der Kirche proklamiert. Für sie behalte - ähnlich wie in der Anglikanischen Kirche - weiterhin das gelebte Leben Vorrang vor der Lehre, der „kritische, aber nicht fundamentale Bedeutung” (K. Barth) zukomme.

LeerKlaus Seichter, der Konventsälteste von Hannover, sprach über das Helferverhältnis und die von den Brüdern einmal im Jahr erwarteten Rechenschaftsberichte. Er wies auf, daß dem Christen auf seinem Wege immer der Bruder zur Seite gestellt ist.

LeerDaß sich die Bruderschaft nicht nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, zeigten die beiden Referate von Professor Grosch über Dietrich Bonhoeffer und Jochen Klepper, die zwar beide als Zeitgenossen in Gegnerschaft zum Dritten Reich standen, aber ganz verschiedene Wege beschritten haben. Trotz des umfangreichen Programms blieb Zeit für einen Ausflug zu den herrlichen Barockkirchen St. Anna und der Schloßkirche in Haigerloch wie auch zum geselligen Beisammensein in der Klosterschenke. Hier und während der ganzen Woche nahmen die Hausgemeinde und der Hausvater, Pfarrer Nickles, dem auch für eine kundige und fesselnde Führung durch das Kloster und seine Geschichte zu danken ist, die Teilnehmer brüderlich auf. Gut war auch die hohe Teilnehmerzahl älterer Brüder, die während der Konvente und vor allem in Einzelgesprächen aus ihrer eigenen Erfahrung berichten konnten. Dies gilt um so mehr, da wir sehr viele Gäste unter uns hatten, die erst durch diese Woche in Kirchberg den ersten Kontakt zur Bruderschaft gewonnen haben. Für die nächste Probebrüderwoche wäre vielleicht etwas mehr Zeit zur Einübung in die Dienste von Diakon, Vorbeter und Kantor zu wünschen. Das Konzept der Tagungsleitung hat sich im übrigen voll bewährt.

Quatember 1974, S. 236-237

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-12-12
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