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von Hermann Schwemer |
Nach einer mit vorliegenden Übersicht führte Pater Hugo M. Enomiya-Lassalle in der Zeit vom August 1975 bis zum März 1976 in Deutschland und Holland insgesamt 23 Meditationskurse (Sesshins) durch, ungefähr drei also im Monat, dazwischen Abendmeditationen und Vorträge. Seine Wahlheimat ist Japan, sein Wohnsitz ein von ihm in der Nähe von Tokio aufgebautes Zen-Zentrum. Er ist katholischer Priester und Pater des Jesuiten-Ordens, und er ist Lehrer und Meister des Zen. Beides durchdringt sich bei ihm in einer bisher wohl einmaligen Weise. Bereits hoch in den Siebzig, reist er wie ein Missionar von Ort zu Ort, nicht als Missionar des Ostens für den Westen, sondern als Christ unter Christen, um etwas auszurichten, was ihm in der Begegnung mit der spirituellen Überlieferung des Ostens zuteil geworden ist. In Kirchberg, wo er vom 12. bis 17. Januar ein Sesshin gab, erinnerte er gern an Johannes Tauler, den Prediger und Lehrer der Mystik im vierzehnten Jahrhundert, der auch so von Ort zu Ort, von Kloster zu Kloster wanderte, vermutlich als Dominikaner auch bei den Dominikanerinnen in Kloster Kirchberg einkehrte, um überall die Herzen für eine neue Art der Gotteserfahrung zu öffnen. Wer theologische Klärung durch die Vorträge suchte, wurde kaum bedient. Das liegt auch nicht in der Linie der Lehrvorträge beim Zen. Trotzdem wurde klar, daß die Frage der Legitimation des Zen im christlichen Bereich für den katholischen Theologen wohl leichter zu beantworten ist als für den evangelischen. Sie liegt für ihn einfach darin, daß die Zen-Erfahrung der christlich-mystischen analog ist. Der evangelische Theologe muß sich mit dem Problem des Verhältnisses zwischen religiöser Erfahrung und Glauben herumschlagen. Einen wichtigen Satz habe ich mir aber hier notiert: „Der Buddhist ist ganz auf Erfahrung angewiesen. Der Christ h a t etwas - mit der Gefahr des Habens!” Wer der Zen-Praxis übend und weitergebend verpflichtet ist, konnte aus den Vorträgen eine Fülle von Anregungen mitnehmen, die Dinge noch vollständiger und klarer zu beschreiben. Vieles steht auch in den Schriften Lassalles und soll hier nicht ausgebreitet werden. Nur die Ausführungen über die Frage des Meisters möchte ich erwähnen. Soll man üben auch ohne feste Bindung an einen Meister, was für uns Abendländer kaum zu vermeiden ist? Die Antwort richtet sich danach, ob der Sinn des Übens im Bereich der wohltätigen Wirkungen auf das leibseelische Gesamtbefinden gesucht wird, oder im Beschreiten des Wegs der Wandlung. Hier bedarf es der Beziehung zu einem, der auf dem Weg vorangekommen ist. Vielleicht kann hier im Westen der Therapeut eintreten. Aber es muß festgehalten werden, daß der Zen-Weg ein Weg eigenen Rechtes ist, in vielem freilich analog zu dem, was die Tiefenpsychologie therapeutisch anstrebt. Das Berneuchener Haus scheint mir auf dem richtigen Wege zu sein, wenn es immer wieder sehr verschieden geprägte Repräsentanten der modernen Meditationsbewegung einlädt. Auch Lassalle hat sein Wiederkommen in Aussicht gestellt, wenn auch nicht innerhalb Jahresfrist. Geist und Gestalt eines neuen Zeitalters der Kirche beginnen sich aus vielen verschiedenen Faktoren zu formen, nicht nur aus dem etwa, was uns in unseren Berneuchener „Traditionen” aus übrigens viel reicheren und vielseitigeren Ansätzen der Anfangszeit geblieben ist. Freilich dürfen wir uns nicht ständig nur von außen bedienen lassen. Wir müssen den Weg selber gehen, müssen auch die theologische Rechtfertigung dieser neuen Form von Askese und Spiritualität, wie sie von Lassalle und anderen vertreten wird, in einer Weise zu geben versuchen, wie sie den Denkvoraussetzungen moderner Theologie entspricht. Quatember 1976, S. 110-112 |
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