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von Jürgen Boeckh |
„ C e s a r e B o r g i a a l s P a p s t ... Versteht man mich? . . . Wohlan, d a s wäre der Sieg gewesen, nachdem i c h heute allein verlange -: damit war das Christentum a b g e s c h a f f t ! - Was geschah? Ein deutscher Mönch, Luther, kam nach Rom. Dieser Mönch . . . empörte sich in Rom gegen die Renaissance . . . Statt mit tiefer Dankbarkeit das Ungeheure zu verstehen, das geschehen war, die Überwindung des Christentums an seinem S i t z ... das Christentum saß nicht mehr auf dem Stuhl des Papstes! Sondern das Leben! . . . Und Luther s t e l l t e d i e K i r c h e w i e d e r h e r : er griff sie an ...” Das schrieb Friedrich Nietzsche, der Pastorensohn, in seinem Pamphlet „Der Antichrist” vor knapp 100 Jahren. Immerhin hatte er mehr von Luther verstanden als viele seiner Zeitgenossen, die als „Kulturprotestanten” gegen Rom zu Felde zogen, mehr im Namen Deutschlands als im Namen des Evangeliums. Es lohnt sich, auch einmal über die historischen Dimensionen nachzudenken. Vor 100 Jahren kämpften Protestanten gegen Rom - und die Polen. Wer hätte sich damals vorstellen können, daß ein polnischer Papst in Köln, der katholischen „Gegenhauptstadt” Preußens, erscheinen würde? - Vor knapp 40 Jahren existierte der Plan, den Papst, der für Juden und Polen eingetreten war, in einem Kloster bei Erfurt (wo Martin Luther einst Mönch gewesen war) zu internieren. Wer hätte sich damals vorstellen können, daß ein junger Pole, der bei Krakau im Steinbruch arbeitete, 40 Jahre später den „Stuhl Petri” besteigen würde? Bei der Begegnung mit dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland griff Johannes Paul II. weiter zurück, bis zu jenem Ereignis, das Nietzsche zu seiner bitteren Anklage gegen Luther veranlaßt hatte: „Ich erinnere mich in dieser Stunde daran, daß Martin Luther 1510/11 als Pilger, aber auch als Suchender und Fragender zu den Gräbern der Apostelfürsten in Rom kam. Heute komme ich zu Ihnen, zu geistlichen Erben Martin Luthers; ich komme als Pilger. Ich komme, um mit dieser Begegnung in einer gewandelten Welt ein Zeichen der Verbundenheit in den zentralen Geheimnissen unseres Glaubens zu setzen.” Er hat solche Zeichen gesetzt. Vielleicht hat der Wirbel um das Luther-Kapitel des Professors Remigius Bäumer dazu geführt, daß diese Zeichen stärker ausgefallen sind, als ursprünglich geplant. Dann könnte man auch hier sagen: O felix culpa! Der Papst wagt es, solche unpopulären Dinge vor der Öffentlichkeit auszusprechen. Weder für evangelische Christen, noch für Katholiken ist er da im einzelnen unfehlbar. Aber daß er Maßstäbe setzt, ist ganz gewiß im Sinne Jesu. Ein Kritiker zitierte mir gegenüber ein Wort des Papstes, das er unmöglich fand: „Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren . .. ”. Aber dieses Wort stammte nicht vom „Stellvertreter Christi”, sondern von IHM selbst. Bei Johannes Paul II. hat man den Eindruck, daß er weiß, was er sagt. Auch wo er sich dem Geist der Zeit entgegenstellt, kennt er ihn, weiß er um die Problematik. Luther hatte an den „schlecht informierten Papst ”appelliert. Dieser Papst ist informiert - auch über die „deutschen Dinge”, die von damals und die von heute. Viele „Erben Martin Luthers” haben erst aus dem Munde des Papstes etwas von der Confessio Augustana erfahren. Ebenso wenig wie der einstige Augustinermönch, der Gegner Tetzels und Kritiker des Papstes, redet Johannes Paul II. einer „billigen Gnade” (Dietrich Bonhoeffer) das Wort. Rettet der Papst Luther, wie einst Luther den Papst gerettet hat? Quatember 1981, S. 2-3 |
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