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Österliches Hallejula
von Jürgen Boeckh und Reinhold George

LeerAm 26. Oktober wurde in der Paul-Gerhardt-Kirche zu Berlin-Schöneberg das neue, von Alfred Manessier gestaltete, farbige Altarfenster eingeweiht. Der Künstler hat es "Alleluia pascal - Österliches Hallejuja" genannt. Wie ist eine solche Einweihung in einer evangelischen Kirche zu gestalten? Der II. Band der "Agende der Evangelischen Kirche der Union" bietet zwar Ordnungen für die Grundsteinlegung und die Einweihung einer Kirche, für den "ersten gottesdienstlichen Gebrauch" eines Altars, einer Kanzel, eines Taufsteines oder neuer Abendmahlsgeräte, für die Einweihung einer Orgel und Glockeneinweihung. Für die Einweihung eines Bildes oder eines farbigen Fensters werden jedoch keine besonderen Texte angeboten. So wird es für manchen interessant sein, wie wir die Einweihung unseres neuen Altarfensters begangen haben.

LeerSie geschah in einem Abendmahlsgottesdienst. Der Superintendent des Kirchenkreises, Reinhold George, war um ein Grußwort gebeten worden, das zwischen der "Salutatio", dem liturgischen Gruß, und der "Kollekte", dem Tagesgebet, gehalten werden sollte. Es wurde ein "Wort", dem alle aufmerksam zuhörten, kein Wort, das im allgemeinen stecken blieb, sondern von der Heiligen Schrift her die Bedeutung des Fensters der Gemeinde klar machte.

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Leer" . . . Die Bibel ist voll von Fenster-Geschichten. Jeder von uns kennt - um nur ein Beispiel zu nennen, - jenen Bericht von der Flucht des Apostels Paulus, der in einem Korb aus einem Fenster hinabgelassen wird. Eine eigentümliche und komische Situation, in der ein Fenster eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Denn hätte es dies Fenster nicht gegeben, wäre Paulus verhaftet worden. Wer weiß, was dann geworden wäre. Die Fenster sind also doch wichtig im Glauben!

LeerIch möchte aber aus der Fülle der Fenstergeschichten nur drei nennen. Sicher sind sie nicht allen heute gleich bekannt.

LeerDie erste Erzählung:

LeerDa baut Noah seine Arche. Aus Tannenholz und aus Pech. Er baut sie, um uns alle zu retten vor den Wassern der Sündflut, die Tiere, die Vögel, alles! Er tut das, weil Gott es ihm so befiehlt. Und Gott ordnet auch an: Obenan sollst du ein Fenster machen! Der umbaute Raum rettet also, sichert also, bewahrt also. Aber das Fenster ist erst recht nötig. Denn dort soll Noah durchsehen, nach außen spähen, ob man schon gerettet ist, ob die Taube des Friedens schon fliegen kann. Das Fenster nach außen ist der Garant der Rettung, der Erwählung.

LeerAlso mein erster Satz: Wir brauchen Fenster nach außen. Die wartende Gemeinde in der Arche - die Kirche ist ja eine solche Arche, ein Schiff - braucht das Fenster zum Blick nach außen. Rettung und Erwählung passiert nicht ohne diesen Blick durch das Fenster! Jede Gemeinde Gottes, jede Arche muß ein Fenster nach außen haben. Ihr habt jetzt eins!

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LeerDie zweite Erzählung der Heiligen Schrift:

LeerSicher ist sie den meisten hier ganz unbekannt. Da wird berichtet, wie David, der König, mit dem Heiligtum, der Bundeslade nach Jerusalem kommt (2. Sam. 6,16 ff). Er zieht in die heilige Stadt und man kann zusehen, wie in Gesang und mit Tanz, mit Trompeten und Schalmeien, mit Posaunen und Lied die liturgische Feier begangen wird. Alles dreht sich um das Innerste, um das Heiligste, um die Bundeslade. Mit aller Macht, mit Jauchzen und Posaunen erklingt das große Halleluja - wie wir es eben auch von der Orgel gehört haben. Ich will dem Herrn spielen mein Leben lang - so lautete die Parole für den festlichen Gottesdienst damals. Und so lautet sie auch heute.

LeerUnd nun das Fenster in dieser Geschichte: Sauls Tochter, Michal mit Namen, sieht aus einem Fenster ihres Hauses. Sie braucht das Fenster, um zuzusehen, was da passiert. Sie sieht in das Innerste der Gottesanbetung im Volke Gottes. Sie sieht den singenden, betenden, tanzenden König aller gottesdienstlichen Liturgien, David, aus dem Stamm Isais. Aber sie sieht eigentlich nichts. Der Blick nach innen ins Zentrum des Gottesdienstes aus dem Fenster ihres Lebens hat keinen Zweck. Sie lacht und spottet über den betenden König. Und eben darum heißt es in lapidarer Kürze von ihr: Aber Michal hatte kein Kind bis an den Tag ihres Todes! Wer durch sein Fenster in die Kirche, in den Gottesdienst hineinsieht, kann alles sehen. Aber zum Sehen, zum Kennen, zum Erkennen gehört auch dann das Bekennen. Das tut die Michal in unserer Geschichte nicht. Sie sitzt wohl am Fenster, aber das Fenster nützt ihr nichts. Sie sieht durch, aber sie sieht nichts. Nötig, meine Lieben, ist auch der Blick nach innen, in das Innerste, in das Heiligste. Zum Fensterblick auf die Kirche Gottes gehört auch das Erkennen und das Bekennen. Das tut sie nicht und darum bleibt sie unfruchtbar. Ist das etwa die Ursache für die permanente Unfruchtbarkeit so vieler Gemeinden und so vieler Christen unter uns? Seht hin durch euer Fenster, von außen nach innen - damit ihr den singenden und betenden König seht, das Volk Gottes in Feier und Fest. Jede Gemeinde muß solch ein Fenster nach innen haben. Ihr habt jetzt eins!

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LeerDie dritte Fenstergeschichte:

LeerDa ist Gefangenschaft, da ist Angst in Babylon. Da ist Sterben und Qual - eine unruhige Welt, ein scheinbar schlimmes Ende in Blut und Tränen. Die babylonischen Herren sind noch schlimmer als die ägyptischen Pharaonen mit dem Volk Gottes umgesprungen. Und viele kapitulieren. Der junge Daniel (Dan. 6,11 ff) aber resigniert nicht. Er hat ja Fenster. Da haben wir wieder das Fenster der Bibel. Daniel macht heimlich sein Fenster auf. Berichtet wird darüber so: 'Daniel hatte offene Fenster gegen Jerusalem.' Das Fenster zeigt also in die richtige Richtung, nach oben, zu den Bergen, von denen uns Hilfe kommt. Da kann er beten. Da kann er lobpreisen - wo es nichts zu preisen mehr gibt, wo alle Hoffnung umsonst ist. Das Fenster nach Jerusalem steht offen. Das Fenster nach oben ist offen. Wo seht Ihr hin durch dies neue Fenster? Hinter euch ist das Fenster, das den Friedhof, das Grab, den Tod zeigt. Vor euch aber ist nun dies strahlend schöne österliche Halleluja-Fenster. Wo seht Ihr da hin? Auf den 'schönen Berg' Schönebergs? Sicher nur der ist nicht schön genug. Daniel weiß um einen schöneren Berg, neben der Auferstehungsstätte. Des Himmels Fenster ist aufgetan (Mal. 3, 10). Laßt euch, Brüder und Schwestern, anstecken von dem Tun des kleinen Daniel in Babylon. Reißt das Fenster zum Himmel auf, das ihr im österlichen Glanz nun immer vor euch habt, auch hier in Schöneberg. Denn zum Beten, zum Preisen, zum Loben und zum Lieben ist das Fenster geöffnet. Ihr habt jetzt das Daniel-Fenster der Freude! Nutzt es auch! Ich meine, diese Gemeinde und wir alle sollten aus den biblischen Fenstergeschichten dies lernen:
  1. Die Rettung und Erwählung kann festgestellt werden. Dazu braucht man das Fenster für den Blick nach außen.
  2. Das jubelnde gottesdienstliche Erkennen der Wahrheit und Schönheit Gottes kann gegen alle Unfruchtbarkeiten erlebt werden. Dazu braucht man das Fenster für den Blick nach innen. Nutzt eure Fenster anders als Michal, die Dame.
  3. Lobpreis und Freude sind möglich auch in Anfechtung und Angst. Dazu braucht man wie Daniel das Fenster nach oben, den Fensterblick nach Jerusalem. Wer solch ein Fenster öffnet, wird auch das österliche Halleluja mitbezeugen können. Freut euch über euer neues Osterfenster.
LeerDie Fenstergeschichten haben es in sich.

LeerVergeßt also nicht, Freunde in Alt Schöneberg, wozu das Fenster da ist:
für den Blick nach außen,
für den Blich nach innen,
für den Blick nach oben."
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LeerDas Tagesgebet nach der Ansprache lautete:

Leer"Herr, unser Gott! Du wohnst in einem Lichte, dem niemand nahen kann, der noch auf dieser Erde weilt. Wir bitten Dich: Erleuchte unsere Herzen, daß wir auch in dem vergänglichen Licht dieser Welt etwas erfahren von Deiner Herrlichkeit und mit der ganzen Schöpfung Dich rühmen und preisen - durch Jesus Christus, Deinen Sohn, unseren Herrn, der mit Dir in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und regiert in Ewigkeit."

LeerWie aber sollte die Weihe, protestantisch: Einweihung, oder noch "geschützter" gesagt: die Indienstnahme des Fensters geschehen? In dem Buch "Gläubiger Umgang mit der Welt / Die Segnungen der Kirche", herausgegeben von Jakob Baumgartner, erschienen bei Benziger/Herder 1976, fanden wir (auf Seite 126/127) eine Benediktion, die der Erzbischof von Montreal im Herbst 1966 bei der Einweihung der dortigen Untergrundbahn gesprochen hatte. Den ersten Teil dieser Benediktion übernahm ich - in etwas veränderter Form - und fügte ihm eine für unseren Anlaß passende Anrufung und die Bitte um den Segen hinzu. So lautete unser Segensgebet, das im Anschluß an die Fürbitten vor der Darbringung von Brot und Wein gesprochen wurde:

Leer"Heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott! Wir preisen Dich und sagen Dir Dank, denn Du hast den Himmel und die Erde geschaffen und alles, was sie enthalten. Du gibst den Menschen Einsicht und Kraft, die irdische Wohnstatt einzurichten und auch ein Haus zu bauen zur Ehre Deines Namens. Da wir ein neues Werk für diese Kirche in Deinen Dienst stellen, eine Frucht menschlicher Begabung und Anstrengung, bekennen wir, daß du die Quelle aller unserer Arbeit bist. Den einen verleihst Du Wissen, den anderen technisches Geschick; wieder anderen den Sinn für das Schöne und die Fähigkeit, es zu gestalten zur Verherrlichung Deines Namens und zu unserer Freude. Heiliger Gott! Du hast durch die Feuersäule dem Volke Israel den Weg gewiesen in das verheißene Land und hast vor allen anderen Menschen Jesus, unseren Bruder, verklärt im strahlenden Glanze Deiner Herrlichkeit.

LeerWir bitten Dich: Segne dieses Fenster, laß es unter uns sein ein Zeichen Deiner Gegenwart und Deiner zukünftigen Herrlichkeit - durch Ihn, unseren Herrn Jesus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir in der Einheit des Heiligen Geistes lebt und regiert in Ewigkeit."

Quatember 1981, S. 45-48

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-27
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