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Einzelner - Gemeinschaft - Gemeinde
von Theodor Schober

Leer50 Jahre Michaelsbruderschaft bedeuten ein halbes Jahrhundert bewußt gelebter Kirchengeschichte in bewegter Zeit. Eine evangelische Bruderschaft bedarf der dauernden Besinnung und praktischen Bewältigung des Dreiecks ‹ Einzelner - Gemeinschaft - Gemeinde › unter der Führung Gottes als einem gegenseitigen Lernprozeß und Erfahrungsraum der geistlichen Führung.
  • Wo der Einzelne nur als notwendiges Teil der Gemeinschaft gesehen wird, verkümmert seine Individualität.
  • Wo die Gemeinschaft nur als Addition mehrerer Einzelner gewertet wird, schwindet ihre sammelnde und bewahrende spirituelle Bedeutung.
  • Wo die Gemeinde in ihrer armseligen Verfassung mißachtet wird, entarten Einzelne und Gemeinschaft zu elitären Größen, die jenes Christusbild verleugnen, das Bonnhoeffer, der ein Kenner des gemeinsamen Lebens war, so beschreibt: „Christus als Gemeinde existierend.”
  • Wo eine Gemeinde die in ihr lebenden Bruderschaften nicht annimmt - im Sinne des Annehmens Christi -, begibt sie sich der Möglichkeiten, neue Kräfte zur gemeinsamen Erneuerung zu empfangen.
LeerGemeinschaften in Form diakonischer Dienstgemeinschaften oder bruderschaftlicher Kommunitäten verstehen sich nicht
  • als soteriologische Heilsanstalten
  • als Selbstzweck zur eigenen Erbauung
  • als Serviceorganisation oder Zusammenschlüsse zur Erreichung kirchenpolitischer Ziele oder zur Erhaltung liturgischer Traditionen
  • als soziologische Zweckmäßigkeiten zum Abblocken von Fehlentwicklungen des Zeitgeistes,
Leersondern
Leerals Zusammenschlüsse von Menschen, die beim Fragen nach der Führung Gottes in ihrem Leben für die Ausübung ihrer den Begabungen entsprechenden Dienste am Nächsten diese jeweilige Form des gemeinsamen Lebens als hilfreich empfinden
  • zur Stärkung des Glaubens
  • zur Bewahrung der Liebe
  • zur Festigung der Hoffnung.
LeerNicht eine Regel oder ein Gelübde halten solche Bruderschaften letztlich zusammen, sondern der lebendige Herr, der durch
  • sein Wort an den Einzelnen und die Gemeinschaft
  • das gemeinsame Gebet
  • den immer neu geübten Lobpreis
  • seine Gegenwart im Abendmahl
  • die gemeinsam erfahrene Sündenvergebung
  • den gemeinsamen Dienst mit Scheitern und Erfolg
Leereine Gemeinschaft erhält, solange er will.

LeerDas durch seine Gegenwart
  • mögliche Miteinander trotz aller negativen Erfahrungen mit brüderlicher Nähe und Distanz zugleich
  • tätige Füreinander auch angesichts mancher Antipathien
  • von Fall zu Fall gelebte Prinzip der Stellvertretung unter Ausschöpfung der verschiedenen Begabungen
  • bestimmte geistliche Sorgen umeinander und geduldige Warten aufeinander
Leerprägen die Umgangsformen solcher Bruderschaften mehr als traditionelle Einübungen.

LeerDas Kriterium solcher Gemeinschaften ist also weniger eine Frage der Abgrenzung gegen andere, als vielmehr ein Ja dankbar und bewußt praktizierter Zugehörigkeit der Glieder zu ihrem Kyrios, aus dem immer neu die Bereitschaft erwachst, sich von ihm zum Zeugnis und Dienst in die Welt senden zu lassen. Dieses Verständnis von Sammlung um der Sendung willen verlangt offene Türen in der Welt und zugleich Räume der Geborgenheit für die Heimkehrenden.

LeerHier kann eine in reformatorischen Kirchen entstandene Gemeinschaft viel lernen von katholischen und orthodoxen Kommunitäten in dankbarer und zugleich kritischer Ökumenizitat - und umgekehrt. Gerade solche Gemeinschaften können Begegnungszentren und Sprachschulen der praktizierenden Ökumene werden, wenn sie bereit sind, ohne Verleugnung der eigenen Frömmigkeitsgeschichte und Glaubenserfahrung durch bewußte Förderung ökumenischer Charismatiker und ohne unbiblisches Beharren oder Drängen im Blick auf Einheit den lebenden Christus auch im anderen zu erkennen und zu preisen.

LeerAuch die Mitglieder der Michaelsbruderschaft brauchen die Einbindung in ihre jeweilige Ortsgemeinde
  • damit sie verbunden bleiben mit allen, die Christus durch die gleiche Taufe zur Gliedschaft an seinem Leibe begabt hat,
  • damit sie geerdet bleiben im Alltag dieser von Katastrophen geschüttelten, von Irrtum und Abfall gefährdeten säkularisierten Welt, für die Christus auch gestorben ist,
  • damit sie barmherzig bleiben mit den Gescheiterten und Gestrandeten und nicht in die Rolle des wegblickenden Priesters und Leviten fallen,
  • damit sie demütig bleiben und immer wieder neu erleben, wie Gott heute seine Wunder tut in mancher Gemeinde, die einem Totenfeld glich und im Rauschen des österlichen Geistes ein Pfingsten erlebte.
LeerAuch die Zukunft der Michaelsbruderschaft lebt von dieser Verheißung.

Präsident Dr. Schober

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Quatember 1981. S- 129-131

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-27
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