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von Reinhard Mumm |
Wenn wir uns alljährlich zum Liebesmahl beim Michaelsfest versammeln, werden Tischreden gehalten zu den drei Themen „Bruderschaft”, „Kirche” und „Vaterland”. Durch viele Jahre war das ein fester Brauch. Dann sind wir hier und da von diesem Brauch abgewichen, weil manchen Brüdern diese Themen zu abgegriffen erschienen oder auch problematisch geworden waren. Nun kehren wir, im 50. Jahr seit der Stiftung der Michaelsbruderschaft, zu der vertrauten Trias zurück. Zum Thema „Bruderschaft” ist Vieles und Vorzügliches geschrieben worden. Wer abermals ansetzt, dazu etwas zu sagen, und nicht nur wiederholen mochte, was bereits gesagt worden ist, muß es ganz persönlich tun, unter der Frage: Wie ist mir die Bruderschaft begegnet? Das will ich versuchen. Vielleicht wird mancher auf diese Weise seinen eigenen Weg zur Bruderschaft, seine Fragen an die Bruderschaft und an sich selbst oder auch seine kritische Distanz zur Bruderschaft deutlicher erkennen und klaren können. Ehe ich eine Bruderschaft kennen lernte, kamen mir andere Lebensformen nahe, die der Bruderschaft verwandt und doch von ihr unterschieden sind, die Freundschaft und die Kameradschaft. Einige Freunde fand ich in der Schulzeit, später im Studium wurden es mehr. Viele, ja die meisten Freunde sind in jungen Jahren im Krieg gefallen; das Andenken an sie begleitet mich bis heute. Einige wenige Freundschaften haben sich durch die Jahrzehnte erhalten und bewahrt. Freundschaft ist etwas Großes, ein Reichtum, den ich jedem Menschen wünsche, ein Verbundensein, das auch über weite zeitliche und räumliche Abstände sich wie selbstverständlich wieder einstellt, wenn die Freunde einander begegnen. Aber Freundschaft ist etwas anderes als Bruderschaft. Freunde können auch Brüder sein, doch können Freunde auch nicht Brüder sein und dennoch gute Freunde. Jede der beiden Lebensformen hat ihr besonderes Recht. Kameradschaft fand ich im Arbeitsdienst und als Soldat. Hier kann ich nur andeuten, was sie für mich bedeutet hat. Wer mehr als acht prägende Lebensjahre die Uniform getragen und den ganzen Krieg als Soldat im Westen, im Süden und im Osten miterlebt hat, weiß, was Kameradschaft bedeuten kann. Kameraden können Freunde werden; aber Kameradschaft bezeichnet eine eigenständige Beziehung zwischen Männern, die tief reichen kann, ohne daß sich jedesmal eine Freundschaft entwickelt. Mir sind auch Kameraden begegnet, die ich als Bruder ansprechen konnte, Männer verschiedener Berufe. Dankbar nenne ich an dieser Stelle Willy Kramp, mit dem ich noch heute die Anrede „Bruder” tausche. Es bewegt mich, wenn ich dann und wann den nun alt gewordenen Männern begegne, die einst meine Kameraden waren, welch herzliches Band uns verbindet, ungeachtet dessen, daß wir durch Jahrzehnte uns nicht mehr gesehen haben und unsere Lebensführung und Weltanschauung uns unterscheiden. Eine Art von Bruderschaft ist mir früh begegnet durch den Kirchenkampf 1933/34 in Berlin und dann in den kurzen Semestern meines Studiums in Greifswald und Marburg, in anderer Weise auch in Halle an der Saale. Als junge Menschen liebten wir die klare Entscheidung. Wer sich zur Bekennenden Kirche hielt, den achteten wir als Bruder. Von denen, die auf der anderen Seite standen, den „Deutschen Christen”, hielten wir uns fern. Wir schätzten auch nicht, die in der Mitte standen und zu vermitteln suchten. Von manchem Gelehrten, der der Bekennenden Kirche nicht beigetreten war, hätten wir viel lernen können. Doch in unseren Augen gehörte er zu den Unentschiedenen und darum mieden wir seine Vorlesungen. Junge Menschen lieben klare Farben, weiß oder schwarz, aber nicht grau. Wie vielschichtig alles ist, lernt man später. In Greifswald sind wir Dietrich Bonhoeffer und seinem Finkenwalder Prediger-Seminar begegnet. Zu ihm, diesem entschiedenen Mann und tiefgründigen Theologen, schauten wir auf. Er war noch jung, aber für uns, die noch Jüngeren, ein Vorbild, auf das wir mit Ehrfurcht sahen. Damals war er mit seinen Brüdern darauf eingestellt, auf die Ehe zu verzichten, weil die Kampfzeit es ihnen nahelegte, frei und verfügbar zu bleiben für jeden Einsatz und für einen Weg des Leidens. Solches Beispiel von Bruderschaft machte uns einen tiefen Eindruck. Ein persönlicher Bericht kommt nicht ohne Geständnisse aus. So muß ich gestehen, daß ich mich nicht erinnere, in Marburg 1938/39 der Michaelsbruderschaft begegnet zu sein. Das mag mancherlei Ursachen haben. Eine wesentliche Ursache liegt wohl darin, daß mir der christliche Glaube in meinem Elternhaus in einer ganz anderen Prägung begegnet ist. Meine Eltern waren bestimmt von der christlich-sozialen Bewegung Adolf Stoeckers und damit von einem evangelischen Christentum mit nationalen und pietistischen Zügen. Es war kein engherziger Pietismus, sondern eine Frömmigkeit ohne spezielle Vorstellungen von gottesdienstlichen Formen, die ihren Grund in der Bibel hatte und in der kirchlichen Sitte des Hauses. Rudolf Bultmann hörten wir, weil er sich zur Bekennenden Kirche hielt. In Hans v. Soden fanden wir einen väterlichen Berater, private Gespräche mit Julius Schniewind in Halle vermittelten mir einen tiefen Eindruck von diesem großartigen Mann. Aber Michaelsbrüdern bin ich nicht begegnet; ich kannte sie kaum oder gar nicht. Nicht in Marburg, sondern erst einige Jahre später, mitten im Krieg, kam ich mit der Michaelsbruderschaft in Berührung. Es war wohl 1943, als ich während eines Fronturlaubs, vermittelt durch Verwandte der Familie Stählin, die ich freilich noch wenig kannte, nach Straßburg eingeladen wurde, um dort an einer Tagung im Thomasstift teilzunehmen. Hier horte ich Wilhelm Stählin und erlebte auch eine Feier der „Deutschen Messe” mit, die mir aber recht fremd blieb. Von diesem Erleben her habe ich Verständnis für Menschen, die nicht auf Anhieb von der Michaelsbruderschaft und den Ausdrucksformen ihres geistlichen Lebens positiv beeindruckt sind, die vielmehr ihre Fragen haben und sich zurückhalten. Wir sind verschieden nach unserer Anlage und unseren Bedürfnissen. Manche sind nach ihrer Natur oder der Führung ihres Lebens auf eine Gemeinschaft wie die Michaelsbruderschaft angelegt, andere brauchen Zeit und müssen erst bestimmte Wege gehen, bis sie den Zugang zu einer so geprägten Bruderschaft finden. Wenn sie ihn gefunden haben, sind damit noch nicht alle Fragen beantwortet. Auch wer Michaelsbruder geworden ist und weiß, was die Bruderschaft ihm bedeutet, kann dennoch gelegentlich einen gewissen Abstand empfinden. Wer dergleichen an sich selbst erfahren hat, wird Verständnis aufbringen für einen Bruder, dem es ähnlich geht. Hinzu kommt der unvermeidliche Wechsel der Generationen. Die Vater werden abgelöst von Söhnen und Enkeln, und es kann nicht Wunder nehmen, daß neue Geschlechter manches anders sehen und sich anders verhalten als die, die vor ihnen das Gesicht der Bruderschaft prägten. Angesichts dieses Wandels besinnen wir uns auf die Grundlagen und Anfänge, um von daher zu prüfen, was heute unseren Weg bestimmt, was uns jetzt aufgetragen ist, und wie wir unseren Weg fortsetzen sollen. „Bruderschaft” haben die Stifter die Gemeinschaft genannt, zu der sie sich in einem bewegenden Gottesdienst, dessen Ordnung erhalten blieb, am 1. Oktober 1931 in der Kreuzkapelle der alten Universitäts-Kirche in Marburg miteinander verbanden und zu deren erstem Leiter sie Karl Bernhard Ritter wählten. Mitten im Krieg brachte Wilhelm Stählin eine programmatische Schrift unter dem Titel „Bruderschaft” heraus, die noch heute sehr lesenswert ist. Nur einen kurzen Auszug konnten wir in den posthumen Sammelband einfügen, der unter dem Titel „Freiheit und Ordnung / Symbolon 4. Folge” 1980 erschien (Stuttgart/Kassel). Im gleichen Jahr ließ Gérard Siegwalt eine französische Übersetzung unter der Überschrift „La communauté fraternelle” im Verlag Cerf-Oberlin (Straßburg-Paris) erscheinen. Es wäre unmöglich gewesen, dieses Buch „Fraternité” zu nennen, weil man dann sofort an die Ideale der französischen Revolution denken müßte. Die Bruderschaft, zu der wir uns bekennen, wurzelt ja nicht in der Aufklarung, sondern im Neuen Testament und der folgenden Geschichte der Kirche. Solche Übersetzungsfragen machen deutlich, wie sehr wir Anlaß haben, uns immer neu über den Grund unserer Bruderschaft zu besinnen; zudem zeigen sie, wie die Michaelsbruderschaft über den deutschen Sprachraum hinauswächst in andere Kulturbereiche hinein. Unsere Bruderschaft nimmt ihr Vorbild an der Philadelphia (Bruderliebe) und der adelphotes (Brudergemeinde), von denen die Apostel schreiben (vgl. Röm. 12, 10; 1. Petr. 2,17; 5, 9) und die in dem Kreis der um Jesus sich scharenden Jünger ihr Urbild besitzt. Aus den Berichten der Evangelien erkennen wir die konzentrischen Kreise der Apostel und Anhänger Jesu. Den innersten Kreis bilden die Drei, die Zeugen besonderer Geheimnisse sind, Petrus, Johannes und Jakobus; dann folgen die Zwölf und schließlich die Siebzig, die ausgesandt werden. Diese Bruderschaft des Neuen Testaments war nicht organisiert, aber durch den Ruf Jesu entstanden, und sie hat sich in seiner Nachfolge als geistlich bestimmte Gemeinschaft bewährt. In der vermutlich spätesten Schrift des Neuen Testamentes, dem 2. Petrusbrief, steht das Wort: „Wartet und eilet zu der Ankunft des Tages Gottes . . ” (3, 12). Hier wird eine aufregende Spannung beschrieben, aus der wir nie entlassen werden und die uns lebendig erhält. Angewandt auf die Michaelsbruderschaft und den ihr verbundenen Berneuchener Dienst will diese apostolische Mahnung uns erkennen lassen, daß wir beides brauchen, die Kontinuität und das Weiterschreiten, die Treue zu den Anfängen und die Bereitschaft, gewisse Tritte zu tun angesichts des Wandels, dem alles Lebendige unterliegt, und dies mit dem festen Blick auf das Ziel, dem wir entgegengehen, der Parusie, der kommenden Gegenwart des Herrn. Der Grund, von dem die Michaelsbruderschaft immer wieder ausgeht und den wir weder andern können noch andern wollen, ist beschrieben in der Urkunde aus dem Jahr 1931. Dort wird, wie bereits in dem vorangegangenen Berneuchener Buch, an die Not der Kirche erinnert und die Zuversicht ausgesprochen, daß den „Kirchen der Reformation ein Beruf verliehen ist an der ganzen Christenheit”. Unmißverständlich bekennt sich die Bruderschaft zur Kirche Christi im Sinn des dritten Artikels der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse. „In dem Kampf um die Kirche bedrohen uns widergöttliche Mächte ... Darum verpflichtet die Bruderschaft ihre Glieder zur Gemeinschaft im täglichen Gebet.” Die Bruderschaft ist ganz auf die Kirche bezogen und weiß sich in sie eingefügt. Das gilt gleicher Weise für den einzelnen Bruder. „Auch da, wo wir allein handeln, wissen wir uns von der Bruderschaft getragen und in ihr gebunden.” In diesem Sinn suchen wir festzuhalten, was unser Leben prägt und erfüllt. Wir wollen uns nicht dem Zeitgeist anpassen; allzu rasch weht er aus entgegengesetzten Richtungen. Wohl aber achten wir auf die Zeichen der Zeit und hören aufmerksam den Menschen um uns herum zu, damit unsere Worte und Taten verstanden werden. Wir müssen uns davor hüten, ständig von dem zu reden, was früher war, und um so mehr achthaben auf die offenen und verborgenen Fragen unserer Zeit, die auf eine Antwort warten. Der Vater des abendländischen Mönchtums Benedikt von Nursia sagte in seiner Regel: Zur Beachtung sollen alle aufgerufen werden, „weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist”. Welche Weisheit liegt in dieser weit über tausend Jahre alten Erfahrung! Hören wir deshalb auf die Stimme junger Freunde; sie können uns gute Einsichten vermitteln. Hier und da taucht unter uns die Frage auf: Warum finden viele Söhne von Brüdern nicht den Weg in die Bruderschaft? Haben wir ihnen ein so mäßiges oder entmutigendes Beispiel gegeben, daß sie sich nicht bewogen fühlen, in unseren Kreis einzutreten? Das kann so sein; aber wir sollen uns nicht quälen mit solchen Fragen. Einmal gibt es Söhne, die dem Weg des Vaters gefolgt und Michaelsbrüder geworden sind, manchmal erst nach langer Zeit. Zum anderen zeigt die gesamte Geschichte: Geistliche Erfahrungen lassen sich nicht wie selbstverständlich vererben. Jeder Mensch ist eine neue Schöpfung Gottes und hat seine eigene Lebensführung, die nicht in unserer Hand liegt. Wir möchten weitergeben, was wir empfangen haben; aber es bleibt ein Geheimnis der Führung Gottes, wo und wie das geschieht, und je und dann geschieht es auch, nur oft auf eine andere Weise, als wir denken. Noch eine Frage bewegt uns in den letzten Jahren in zunehmendem Maß. Die Bruderschaft begann ihren Weg als eine Gemeinschaft von Männern, die zumeist verheiratet waren. Von ihren Anfängen her ist sie geprägt als ein Bund von Männern, die sich zum geistlichen Kampf gerufen wußten. Nun erleben wir einen Wandel in der Beziehung der Geschlechter zueinander und in der wachsenden Selbständigkeit der Frauen. Dies wirkt sich auf die Ehe und Familie aus. Wir sind gefragt, wie wir solchem Wandel Rechnung tragen im Leben der Bruderschaft. In unseren Konventen und Gottesdiensten, auch in den Arbeitskreisen der Bruderschaft und in unserer Zusammenarbeit mit dem Berneuchener Dienst werden bereits weithin neue Wege beschritten. Haben wir früher Feiern der Aufnahme oder der Einführung in ein bruderschaftliches Amt nur unter uns gehalten, so ist es heute vielfach Brauch geworden, Frauen und Gäste dazu einzuladen und an den Gesprächen zu beteiligen. Lediglich die geschlossenen Konvente bleiben den aufgenommenen Brüdern vorbehalten. Wenn die Frauen gleichzeitig einen Konvent unter sich halten, kann das sehr hilfreich sein. An Hauskreisen und Familienfreizeiten nehmen unsere Angehörigen und Gäste teil. Dies kann allerdings nur freiwillig geschehen. Es muß unseren Frauen und Kindern überlassen bleiben, wieweit sie einer Einladung folgen können und wollen. Wir tun gut, uns diese Fragen gründlich, aber mit Geduld zu stellen, weil es in geistlichen Dingen nicht geraten ist, etwas zu fordern. Aus den Schriften des Neuen Testaments lernen wir, welche hohe Bedeutung Frauen in den ersten christlichen Gemeinden hatten. Bruderschaft und Schwesternschaft schließen sich nicht aus, sie gehören zueinander. Wir lernen freilich auch, den Unterschied der Geschlechter zu wahren, ohne sie in ihrer Beziehung zu Gott zu werten. Mann und Frau gehören in Christus zusammen. Das ist aber etwas anderes als die moderne Emanzipation. Eine Bruderschaft kann mit gutem Grund eine Gemeinschaft von Männern bleiben, wenn sie in ihren Lebensformen dem Einssein mit Christus mit den Frauen den rechten Ausdruck gibt. Es ist nötig, die Reste einer einseitig männlich-patriarchalischen Tradition zu überwinden, wie es auch nötig ist, eine Gleichmacherei, die den geschöpflichen Unterschied übersieht, zu vermeiden. Beide Lebensformen sind berechtigt, der einer Bruderschaft von Männern, die dem Leben mit den Frauen Raum gibt, wie die Form einer geistlichen Gemeinschaft, die Männer und Frauen als Mitglieder aufnimmt. Da gibt es geschichtliche Prägungen, die nicht egalisiert werden müssen. Wenn ich zurückblicke auf mehr als dreißig Jahre, die mich allmählich und wechselvoll, dann immer mehr mit der Michaelsbruderschaft verbunden haben, kann ich nur dankbar sein, daß es diese Bruderschaft gibt und daß ihre Stifter und Väter ihr eine leibhafte Gestalt, Regel und Ordnung gaben. Diese leibhaft-geistliche Gestalt hat sich durch fünfzig krisenreiche Jahre erstaunlich bewährt. Wer in der Bruderschaft lebt und sie aus einer leitenden Verantwortung kennt, weiß sehr genau, wieviel an ihr menschlich, zeitgebunden und hinfällig ist. Wir verbergen uns nicht die Krisen, die es gab und die es gegenwärtig gibt, und wollen nicht mehr scheinen als wir sind. Doch gibt es auch Zeichen der Hoffnung, die freilich etwas anders aussehen, als wir zu denken gewohnt sind. Die Michaelsbruderschaft hat hier und da geistliche Kinder geboren Oder auch geistliche Freundschaften gewonnen, durch die weitergegeben wird, was wir empfangen haben. Ich denke an die mannigfachen Bruder- und Schwesternschaften und Kommunitäten, mit denen wir uns in gegenseitiger Fürbitte und vielfachen Beziehungen, im Einzelnen unterschiedlich, verbunden wissen. Wer in ihre Hauser einkehrt oder ihre Versammlungen besucht, erlebt etwas von dem gleichen Geist, von dem wir uns bewegt wissen. Ähnliches gilt von manchen Erfahrungen in Kirchengemeinden und ökumenischen Begegnungen, denken wir nur an die zunehmenden Feiern der Osternacht, an die Ökumenischen Gebetswochen, an Erfahrungen in der Meditation und Seelsorge bis hin zu mancher diakonischen Tat, von der keine Zeitung berichtet. Was Bruderschaft bedeutet, weiß ich nicht besser zu sagen, als es Gérard Siegwalt ausgedrückt hat: „Es ist der Glaube an den dreieinigen Gott, der das Leben der Bruderschaft bestimmt. Dieser trinitarische Glaube, der sich zur Reformation des 16. Jahrhunderts bekennt, ist dennoch aufgeschlossen für die Wirklichkeit der Einen, Heiligen, Allgemeinen und Apostolischen Kirche; daher weiß sich die Bruderschaft zur ökumenischen Haltung gerufen. Er schließt nicht nur die Kirche ein, sondern die Menschlichkeit, nicht nur den Menschen in seiner leiblichen, seelischen und geistigen Wirklichkeit, sondern auch den Kosmos. Diese Aufgeschlossenheit für die Fülle der biblischen Offenbarung, diese weite Sicht, dieser geistliche Reichtum und, im Leben der Bruderschaft als praktische Auswirkung dieser Haltung, die brüderliche Gemeinschaft mit Menschen verschiedenster Herkunft, die sich über alle Verschiedenheit hinaus gebunden wissen an Christus und an den Geist der Wahrheit und der Liebe, dies alles hat mich ganz besonders ergriffen und überzeugt.” Das Wichtigste und das, was mich vor allem bewogen hat, in die Bruderschaft einzutreten, das ist die geistliche Hilfe, die sie ihren Gliedern gewährt. Diese Hilfe wird uns angeboten in der Regel, zu der wir uns verpflichten, durch den Dienst eines Helfers, den jeder sich wählt, durch die brüderliche Gemeinschaft, die sich erweist in Freud und Leid. So sieht sich ein jeder getragen durch die Mißerfolge und Prüfungen seines Lebens hindurch, mit seiner Sünde und durch die in der angebotenen persönlichen Beichte erfahrene Vergebung, so wird er zubereitet zum Michaelskampf (Apokal. 12 und Eph. 6), zu dem jeder Christ aufgerufen ist. Die Evangelische Michaelsbruderschaft versteht sich nicht als eine auserwählte Mannschaft, sondern als eine Gemeinschaft von Menschen, denen ihre Sünden verziehen wurden, die sich gerufen wissen, heute und immer, von der unergründlichen Liebe Gottes, die sie eint, indem sie sie zu Brüdern aller Menschen macht. In all dem versucht die Bruderschaft nach dem Apostelwort zu leben: Nicht daß wir Herren seien über euren Glauben, sondern wir sind Gehilfen eurer Freude. Quatember 1981, S. 134-143 |
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