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Besuch in Dänemark
von Reinhard Mumm

LeerDeutsche reisen nach Dänemark, unter ihnen Michaelsbruder und Mitglieder des Berneuchener Dienstes, und Dänen besuchen Mitteleuropa, unter ihnen Mitglieder des „Theologischen Oratoriums” - aber begegnen wir einander? Wissen wir überhaupt einiges voneinander? Wir müssen schon zueinander fahren und aufeinander zugehen, wenn wir uns kennenlernen wollen. Im Gebet wissen wir uns verbunden, doch wenn diese Verbindung lebendig sein soll, dann muß man einander in die Augen sehen, miteinander essen, wandern und singen, auf den anderen hören und zu ihm sprechen.

LeerWeil das nötig ist, hatte Nils Jørgen Riis, der Leiter des Oratoriums, mich nach Emborg am Mossø zum Sommerkonvent eingeladen, um dort etwas zu sagen über Probleme, Herausforderungen und Möglichkeiten einer Bruderschaft im Wechsel der Generationen. N. J. Rüs ist, wie die meisten Mitglieder seiner Gemeinschaft, Sognepræst, d. h. Gemeindepfarrer. Er wohnt in Hurup / Thy, einem kleinen Ort an der Westküste von Jütland, wo die Christen treu am Gottesdienst teilnehmen. Als Treffpunkt des Jahreskonvents hatte man ein 1961 erbautes katholisches (!) Jugendheim erwählt samt der Kirche, die der lutherischen Bruderschaft für die Gebetszeiten zur Verfügung stand. Die kleine römisch-katholische Kirche in Dänemark hat mit Bedacht hier einen Platz erworben, nicht weit von den freigelegten Ruinen des Øm-Klosters, einer Gründung der Zisterzienser, die König Frederik II. 1560 abbrechen ließ, um das Renaissanceschloß Skanderborg zu erbauen. In einer reizvollen Landschaft am größten See Dänemarks in Mittel-Jütland, zwischen Wäldern und Wiesen, entstand diese neue Einkehrstätte. Bei einem Weg durch die helle Nacht des Nordens zeigte Bruder Riis mir einen strohgedeckten Bauernhof, der von ausländischen „Kleinen Schwestern Jesu” bewirtschaftet wird. So planvoll geht die katholische Kirche vor, und zugleich hält man sich offen für ökumenische Gemeinsamkeiten.

LeerHier verbrachten 25 bis 30 Mitglieder des Oratoriums drei Tage in ähnlicher Ordnung, wie wir sie kennen, mit den vier Tagzeitengebeten, biblischer Besinnung, theologischen Vorträgen und der Feier der Eucharistie. „Sind wir uberhaupt eine Bruderschaft? ” So fragten sich unsere dänischen Bruder, und diese Frage wird nicht von allen einhellig beantwortet. Geschichte und Ordnung des Theologischen Oratoriums unterscheiden sich von der der Michaelsbruderschaft. Bereits 1927 bildeten sich die ersten Oratorien, Gebets-gemeinschaften unter den Studenten der theologischen Fakultäten an den beiden Universitäten in Aarhus und Kopenhagen. Es ist ein Wunder des Geistes, daß diese Oratorien sich immer neu gebildet haben, durch mehr als ein halbes Jahrhundert. Da ging es auf und ab. Zeitweise hatten sie mehrere Oratorien an einem Ort; denn wenn mehr als zwölf sich zusammenfanden, gründeten sie ein neues Oratorium. Dann wieder war es nur eine Handvoll junger Männer. „Unsere eigentliche Bruderschaft ist die Jungbruderschaft”, sagte N. J. Riis, als ich von der Jungbruderschaft St. Michael berichtete, „wir Alteren setzen nur die angefangene Gemeinschaft fort. ” (Vielleicht besuchen einmal Jungbrüder aus Deutschland das Oratorium in Aarhus? Das könnte für beide Seiten fruchtbar sein.)

LeerDie Mitglieder des Theologischen Oratoriums leben in gewisser Weise durchaus als eine Bruderschaft. Aus jahrzehntelanger Erfahrung ist ihr „Dansk Tidebag” (Dänisches Tagzeitenbuch) hervorgegangen, ein mehrbändiges Werk, in dem alle Stundengebete so mit Noten ausgeführt sind, daß niemand hin- und herblättern muß. Aus einer Station heraus ziehen sie singend in die Kirche ein, und gerade die jungen Brüder führen die älteren mit festem Gesang an. Abgesehen vom Sommerkonvent versammelt man sich in neun Regionalbereichen zu gemeinsamen Treffen zwei- oder dreimal im Jahr.

LeerDoch dann machen sich wieder die Unterschiede bemerkbar. Ganz überwiegend handelt es sich in Dänemark um Theologen, Pastoren und Professoren, aus denen sogar einige Bischöfe hervorgegangen sind; nur wenige Männer aus anderen Berufen fanden sich hinzu. So überwiegt das Interesse an theologischen Gesprächen. Hinzu kommt eine Neigung zum Individualismus. Die Bereitschaft zum Opfer an Zeit, Kraft und Geld ist recht ungleichmäßig vorhanden, und das Gemeinschaftsleben läßt bei manchen zu wünschen übrig. Wir wissen, wie auch wir mit solchen Schwierigkeiten zu ringen haben. Ein intensives Gemeinschaftsleben gibt es nur in den Oratorien der beiden Universitäten.

LeerDie dänischen Brüder nahmen mich herzlich auf. Ihr besonderes Interesse galt unserem Berneuchener Haus Kloster Kirchberg und der Einrichtung des Helferamtes, weil sie beides nicht kennen. In aktuellen theologischen und kirchlichen Fragen zeigt sich eine große Bandbreite. Einige unter ihnen stehen der Lutherischen „Sammlung” und der „Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Erneuerung” nahe und sind kritisch eingestellt gegenüber der auch in Dänemark eingeführten Ordination von Frauen, andere neigen moderneren Anschauungen zu. Soweit ich es bemerken konnte, verhielten sie sich rücksichtsvoll gegenüber den jeweils anders Denkenden und respektierten weitherzig den verschiedenen Stil, der einige Jüngere von den Älteren unterscheidet. Die dänische Volks- und Staatskirche ist in ihrer äußeren Gestalt ziemlich einheitlich und festgefügt. Die Vielfalt der Landeskirchen lutherischer, reformierter und unierter Prägung, wie wir sie in Deutschland und jenseits der deutschen Grenzen kennen, ist ihnen fremd. So fügt man sich in Dänemark in die Gegebenheiten der Kirche und ihrer Gemeinden und beschränkt sich darauf, privat oder bei den Zusammenkünften die Formen geistlichen Lebens zu pflegen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten, durchaus parallel zu der Entwicklung in Deutschland, herausgebildet haben.

LeerWarum gehen wir aufeinander zu? Jede geistliche Gemeinschaft hat ihre eigene Prägung und Geschichte; dabei soll es auch bleiben. Aber wie zur Zeit des Neuen Testamentes Juden- und Heidenchristen sich mit ihrer verschiedenen Tradition und charakteristisch unterschiedlichen Ausprägung begegnet sind, um die umfassende Einheit der Kirche in aller mannigfachen Vielfalt zu erfahren, so ist es auch unsere Aufgabe, diese ökumenische Weite und umfassende Katholizität wahrzunehmen. Als Bruderschaft, die bereits in sich selbst nationale und konfessionelle Grenzen überschritten hat, kommt es uns zu, den Brüdern in anderen Völkern zu begegnen, um zu erfahren, welcher geistliche Reichtum uns in der Kirche Christi geschenkt ist. Daß wir solchen Reichtum immer nur „in irdenen Gefäßen” haben, gehört zur irdischen Gestalt der Kirche.

LeerDieser Bericht ist geschrieben, um andere zu ermutigen, ähnliche Erfahrungen zu machen und das Band der Liebe zu knüpfen zwischen den Brüdern und Schwestern in aller Welt.

Quatember 1981, S 232-234

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-27
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