Symbol   Quatember

Startseite
Inhalt
Inhalt 1982
Autoren
Themen
Stichworte


Nach innen und nach oben
von Wolfgang Krönig

LeerGesammeltes Gebet, dargestellt in einem Frauenkopf mit geschlossenen Augen und gefaltet erhobenen Händen - das ist in großer Einfachheit und Eindringlichkeit die Aussage dieses Holzschnitts. Da ist nichts Ablenkendes; da ist keine „Außenwelt”; vielmehr bewirkt das Kopftuch, rahmend das Antlitz und die ganze Gestalt in sich einbergend, daß alles Äußere, aber auch alles „Äußerliche” von Kleidung und Schmuck hier keinen Platz hat, daß alles der inneren Sammlung zu dienen hat. Das Antlitz selbst in seiner herben Schlichtheit ist nach innen gerichtet. Leicht zur Seite gewendet, steil aufgerichtet, fügt sich die Gestalt, zusammen mit den emporgerichteten Händen, zu einer einzigen gemeinsamen Gebärde des Betens - ernst, ja feierlich.

LeerZwei Richtungen sind es, die in diesem Bilde sich als bestimmend erweisen: Zunächst diejenige einer Bewegung nach innen. Vor dem dunklen Grund, der das Bild umfaßt, sehen wir Gesicht und Hände sich begegnen, fast sich berühren. Es ist eine innerbildliche Richtung, fast Bewegung; sie weist unmißverständlich darauf hin, daß das Gebet nach innen zielt, daß es eine „Bewegung nach innen” ist.

LeerZugleich aber ist unübersehbar auch die zweite Richtung: nach oben; sie steht nicht im Widerspruch zur anderen. Denn die ganze Gestalt ist emporgerichtet; ihr nach innen und nach unten gesenkter Blick wird von den betend gefalteten Händen nach oben gelenkt. Nach innen und zugleich nach oben richtet sich alles Beten.

LeerAuf dem Antlitz aber liegt ein Wechsel von Licht und Schatten, von unruhigen Linien, gleichsam ein Widerschein der inneren Bewegung des Gebetes. Doch wie kann in einem Bilde anschaubar werden, was nicht anschaubar ist, was „eigentlich” nichts Äußeres, was ein innerer Vorgang ist? Auf eine Antwort weist jenes Goethe-Wort, das, in einer umfassenderen Bedeutung gemeint, auch im vorliegenden Sinn-Zusammenhang erhellend sein kann:
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen,
denn was innen, das ist außen.
Linie

LeerDas Erhellende dieses Worts erweist sich gleichsam auf einer zweifachen Ebene: auf derjenigen des Bildes und auf derjenigen der Sache, die es meint, wobei beides sich untrennbar miteinander verschränkt. Denn: rechtes Beten verlangt nach angemessenem Ausdruck, es prägt den Betenden und seine Haltung. Der Leib ist Ausdrucksträger der Seele. Das Wort aber ist Ausdrucksträger des Geistes. Rechtes Gebet verlangt nach Verleiblichung im Wort. So ist auch im Kunstwerk alle „Form” zugleich „Inhalt”. Auch dieses Bild ist Sinnbild, Sinnbild rechten Betens.

Paul Sinkwitz - Betende
Paul Sinkwitz - Betende - Holzschnitt (1952) Wv Nr. 393
© Dr. Peter Sinkwitz - Waldstraße 3 - D 57392 Schmallenberg


Quatember 1982, S. 2

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-29
Haftungsausschluss
TOP