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Das Bleibende der Eucharistie
Sigisbert Kraft

LeerSeit dem Beitrag von P. Beda Müller O. S. B. „Fortdauer der Realpräsenz” in „Quatember” 3/81 ist das Gespräch über einen christlichen Brauch in Gang gekommen, über den hier mit der ungewöhnlichen Überschrift „Das Bleibende der Eucharistie” einige Überlegungen vorgetragen werden sollen.

LeerWir sagten: Christlicher Brauch! Tatsächlich finden wir die aufbewahrten eucharistischen Gaben nicht nur in der römisch-katholischen Kirche, sondern auch bei Orthodoxen, Anglikanern und Altkatholiken. Die orthodoxe Ostkirche kennt freilich die „Aussetzung” in der Monstranz nicht; in den beiden zuletzt genannten Kirchen wird sie mancherorts, vor allem in Kreisen, die mehr „traditionalistisch” geprägt sind, vorgenommen.

LeerDer eigentliche Sinn, von dem dieser Brauch auch herrührt, besteht in der Bereithaltung des Heiligen Brotes für die Kommunion von Kranken und sonst am Gottesdienst Verhinderten.

LeerHier wird in den reformatorischen Kirchen eine (aus „katholischer” Sicht manchmal zu karge) Kurzform der Abendmahlsfeier geübt. Im „katholischen” Raum hat man in den letzten Jahren da und dort auf ähnliche Weise begonnen, Krankeneucharistie zu feiern. Diese Übung vermag freilich nicht recht Fuß zu fassen. Dabei ist keineswegs nur eine entgegenstehende Gewohnheit stärker, sondern ein wichtiger theologischer Grund, der schon für die frühe Kirche bedeutsam war: Wird die Heilige Speise aus dem Kreis der feiernden Gemeinde an andere draußen weitergetragen, dann weitet sich dabei der Kreis der „Circumstantes”. Die verhinderten Abwesenden werden in diesen Kreis, in diese „Communio” hineingenommen. Für sie wird keine eigene „Privatmesse” gefeiert. Sie gehören, auch auf dem Krankenbett, in die Gemeinde hinein. So wird einer Privatisierung und Subjektivierung ihrer eucharistischen Frömmigkeit gewehrt. Deren Richtung darf nicht nur: „Der Herr und meine Seele” heißen, sondern: „Der Herr und die Gemeinschaft der Seinen, in die ich gehöre, auch wenn ich nicht anwesend sein kann”. Es scheint, daß im reformatorischen Raum die „Privatmesse” ins Krankenzimmer gewandert ist, noch dazu in der eigentümlichen Weise, daß der Liturg dabei meist nicht kommuniziert, es gar nicht bei jedem Kranken kann. Auch diese geistliche Schwierigkeit ist dort gelöst, wo die Heilige Speise aus dem Gemeindegottesdienst überbracht wird. Dabei bedarf es dann auch gar nicht der Ordination. Diesen Dienst kann jeder geeignete Mitchrist übernehmen. Es wäre sogar sinnvoll, würden Familienangehörige ihren Kranken das Heilige Brot aus dem (sonntäglichen) Gottesdienst mitbringen.

LeerDieser solchermaßen erweiterte Kreis der Kommunikanten setzt die würdige Aufbewahrung der eucharistischen Speise voraus. (Dabei war es aus praktischen Gründen schon in der alten Kirche üblich, nur das Brot zu reservieren.) Daß dann der Aufbewahrungsort auch zum Zeichen für das Geschehen wird, daß der stille Beter in der Kirche damit einen „Ort” hat, an dem er der Gegenwart des Herrn in besonderer, leibhafter Weise gewiß sein kann, folgt aus alledem - ist aber nicht das Primäre! Durch die aufbewahrte eucharistische Speise wird, so scheint es, der Kirchenraum zum Ort, an dem die heilige Feier nicht nur beginnt und wieder schließt, sondern weiterschwingt wie ein Grundton, der nach dem Verklingen einer Melodie weitergehalten wird. Dabei ist es freilich sinnvoll (und im neueren Kirchenbau bewußt angestrebt), diesen Aufbewahrungsort vom Altarraum abzusetzen und vielleicht mit einem kleineren Bezirk des Kirchenraumes zu verbinden, der das persönliche, stille Gebet enger zu umschließen vermag.

LeerEs ist auffällig, daß die Aufbewahrung der eucharistischen Speise in Taizé auch für viele, zumeist junge Menschen aus reformatorischen Kirchen ebenso unproblematisch erscheint, wie der dort geübte Brauch, nicht täglich die Feier zu begehen, sondern die Austeilung der Heiligen Gaben an Wochentagen mit dem Morgengebet zu verbinden. Diese Übung hat in der Liturgie der „vorher geheiligten Gaben” ihren Ursprung, wie sie schon sehr früh im christlichen Osten an Fasttagen gehalten und heute noch an bestimmten Tagen gefeiert wird. Von anderen Bräuchen, die im Zusammenhang mit der Aufbewahrung der Eucharistie üblich waren oder sind, soll in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein, weil sie zum Teil aus der Mitte mehr an den Rand der Frömmigkeit führen. Das Berichtete aber könnte zum mindesten die Grundlage für ein Gespräch und für ein besseres Verständnis solcher „katholischer” Bräuche unter den getrennten Christen führen.

© Dr.theol. Sigisbert Kraft
Quatember 1982, S. 97-98

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-08-29
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