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Das Evangelium im indischen Gewand
von Heinz Hahn

LeerMit der Aufführung: „Inder musizieren und tanzen das Evangelium” im Rahmen der Internationalen Orgelwoche Nürnberg beendete die Tanzgruppe des Instituts für christliche Kunst aus dem südindischen Madras in der Gustav-Adolf-Kirche ihre erste Europareise, bei der sie einen nachhaltigen Eindruck von ihrem kirchenmusikalischen Wirken vermittelte. Der vom Laienverband der lutherischen Missourikirche ins Leben gerufene „Christian Arts and Communications Service” erweiterte 1969 seine kirchliche Basis durch die Darbietung von indischer Musik, Dramen und Tänzen sowie Filmprogrammen. Die Gruppe besteht aus vier Tänzerinnen, drei Sängern und Sängerinnen, einem Tanzmeister, sieben Musikanten mit indischen Instrumenten und dem Direktor Dr. S. Suviseschamutu mit seiner Frau.

LeerSie ist in den letzten Jahren in vielen Orten Südindiens aufgetreten, nach Thailand gereist und wurde in Deutschland durch Aufnahmen des Norddeutschen Rundfunks bekannt. Ihre Arbeit geschieht in einer vom Hinduismus geprägten Umwelt des indischen Bundesstaates Tamil Nadu, wo die Christen neben den Muslims eine religiöse Minderheit von 6 v. H. bilden. Gegenüber den uralten, mannigfachen Kultformen der altindischen Religion mit einer Überbetonung der individuellen Heilserwartung und Erfüllung der Kastenpflichten hat die biblische Botschaft einen Wandel eingeleitet, wonach der Mensch von Gott erschaffen, dem andern gleichwertig und von Christus erlöst wurde. Mit der wachsenden Überzeugung, daß jeder als Glied der menschlichen Gemeinschaft sein Leben vor Gott verantwortet, wurde eine Bewußtseinsveränderung in der Gesellschaft ausgelöst.

LeerWenn die frohe Kunde des weltweiten christlichen Glaubens Mentalität und Religionsverständnis der Hindus ansprechen und durchdringen soll, muß sie in ihrem Gewand und Akzent verkündet werden. Der Tanz, in dem Bewegung, Gebärde, Wort und Musik eine Einheit sind, ist in Indien eng mit der Ausübung der Religion verbunden und wird in den Tempeln ausgeübt. Darum übernehmen auch Christen diese Form zur Ehre des Dreieinigen Gottes und zur Darstellung der Botschaft Jesu. Geschichten der Bibel, Gleichnisse Jesu und christliche Tugenden werden nicht nur nach ihrem Lehrgehalt erklärt, sondern in ihrer ganzen Lebensfülle körperlich greifbar. Die Tänzerinnen bewegen sich dabei gleichsam in die Mitte des Evangelium hinein und führen ihre Zuschauer an die Liebe Jesu heran. Der klassische Tanz Indiens, der „Dialekt der Seele”, wird auch hier zum Mittel, dem Menschen etwas verständlich zu machen, was durch gewöhnliche Mittel nicht mitgeteilt werden kann. Der Tänzer wird zum Verkündiger des Wortes.

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LeerMission bedeutete über lange Zeit und in vielen Ländern Verkündigung der frohen Botschaft mit den kulturellen Ausdrucksformen des Herkunftslandes der Missionare. Man verurteilte - praktisch - jahrhundertelang durch Beschränkung auf abendländische Lieder, europäische Denkmodelle, Bilder, Bauten und Liturgien die Kultur der zu Missionierenden. Diese Entfremdung ging Hand in Hand mit Kolonisierung und Industrialisierung und leistete dem Widerstand gegen eine Religion mit fremdartiger Kultur Vorschub. Darum erklärte der Zentralausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen in Dresden: „Wir haben gelernt, daß der eine Glaube in den verschiedenen Kulturen seine Heimat finden muß”, und im Bericht von Nairobi hieß es: „Wir brauchen einander, um die verlorene Fülle des Bekenntnisses zu Christus wiederzuerlangen und neue Dimensionen der Verkündigung zu entdecken.”

LeerDeshalb wurden auch von der Tanzgruppe aus Madras Geschichte und Tradition in die Körpersprache des klassischen indischen Tanzes aufgenommen und die gute Nachricht von Jesus in den indischen Kontext übersetzt. Das Programm ihrer ersten Europareise auf Einladung des evangelisch-lutherischen Missionswerkes durch Skandinavien, die Schweiz und die Bundesrepublik Deutschland umfaßte nach einer Einführung in die Stilmittel der verschiedenen Tanzhaltungen zum Ausdruck von Gemütsverfassungen, Sachverhalten und Geschehnissen die Darstellung der Geburtsgeschichte Jesu von der Verkündigung bis zur Flucht nach Ägypten, des Gleichnisses vom verlorenen Sohn und verlorenen Groschen sowie als Höhepunkt der Aufführung die tänzerische Gestaltung der sieben Bitten des Vaterunsers.

LeerDie zunächst für das europäische Empfinden fremdartige Form der Darbietung in Sprache, Musik, Gesang und Bewegung führte nach Überwindung des „exotisch” Erstmaligen zu einer überraschenden Inspiration und Einbeziehung des Publikums als mitfeiernder Gemeinde in eine faszinierende Vielfalt der Verkündigung. Bei nur einmaligen Aufführungen war es jedoch zu bedauern, daß die Ankündigung des Auftretens der Tanzgruppe wenig Anziehungskraft besaß. Der auch bei einem kleinen Zuhörerkreis entzündete Funke der Begeisterung und Ergriffenheit, den der überzeugende Einsatz aller Mitwirkenden immer wieder auslöste, wäre Anlaß genug, weitere Kreise mit dieser Gruppe bekannt zu machen.

Quatember 1983, S- 238-239

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© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-09
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