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„Die großen Dome”
von Horst Hildemann

Leer„Die großen Dome” haben mich stärker als irgend ein anderer Beitrag in den beiden ersten Nummern des „Quatember” dieses Jahres beschäftigt. Geweckt wurde mein Interesse nicht zuletzt durch die so gegensätzlichen Stellungnahmen (Edith Thomas und Gerd Muschinski, H. 2/1983), die mich veranlassen, meinerseits einen Versuch zu wagen, die Position von Maria Loohuus in ihrem Gedicht zu deuten. Das m. E. beste, tauglichste Kriterium für eine Wertung der Gedichtaussage bietet wohl der Beitrag von H. Gerlach „Symbol und Offenbarung”, der sinnigerweise mit den beiden Briefen in Heft 2/1983 abgedruckt worden ist.

LeerIch möchte mich auf einige Kernsätze aus „Symbol und Offenbarung” beschränken, die dazu dienen könnten, das Gedicht in die Problematik einzubeziehen. Heilige Schrift - Sprachsymbol. Gott offenbart sich in, mit und unter dem biblischen Wort. Von der Grunddefinition her gesehen (Symbol als Beziehung einer sinnlichen Erscheinung zu einem Sinngehalt) kann ein Sakralbau von der Qualität eines großen Domes ohne weitere Begriffsmodifizierung als Bausymbol gelten, denn auch Architektur ist - ich zitiere - „ein Formhaftes”, ist „Teil der Inkarnation”. Das Sinnzeichen weist stets über sich hinaus: „Was träfe auf einen Dom zu, wenn nicht dieses ‚Über sich hinaus’?” „Wo in Gesprächen die Geister sich scheiden”, da ist der Intellekt der Menschen unserer Tage „am Werk”. Aber wo das bildhafte, schauende Denken der Meditation verweilt, um Anteil am Wesen des Gottesgeheimnisses zu gewinnen, da vermag das Geheimnis erahnt zu werden von dem, der die Stille wagt.

LeerDie Predigtkirche ist in dieser Betrachtungsweise eine Kombination von Sprach- und Bausymbol. In den Domen richtet sich der Blick auf den Altar, ihn allein. Er ist wiederum Symbol, Symbol der Anbetung. Tisch - wohl. Aber was für ein Tisch! Ein Tisch „in, mit und unter”, der Tisch der Eucharistie, ein Tisch, an dem der Herr in besonderer Weise gegenwärtig wird. Wenn Gott auf den Lobgesängen Israels thront (Ps. 22,4) - wo könnte das aktueller geschehen als auf dem Thron-Tisch der Eucharistie mit ihren Preis- und Dankliedern. Auf diesem Tisch, in, mit und unter dem Altar wohnen wahrhaftig die einzigen dem Menschen gemäßen Weisheiten, die Reichtümer der Erkenntnis Gottes.

LeerLernen wir wieder das Schauen meditativen, bildhaften Denkens: Manches eher verdunkelnde als erleuchtende Kanzelwort wird verschwiegen werden können zugunsten einer Wahrheitsfindung in der Anbetung, die wieder das Wunder schaut. Das ist, so meine ich, die Absicht des Gedichtes, den Geschmack für's Menschliche neu zu wecken.

LeerDie Andacht glüht. Eine solche Intention vermag ich nicht als lieblos oder engherzig zu bezeichnen, im Gegenteil. Traurig kann man schon sein - aber wohl eher über das, was uns in Sachen Stille, Meditation, Anbetung, Symbolverständnis verlorengegangen ist. Von „Garantieleistung” eines Domes keine Rede. Wenn aber kein Windlein in die Asche fährt und nach der verschütteten Glut sucht - wie wird es da brennen können? Der Mensch von heute sehnt sich schmerzlich danach, angezündet zu werden - außer und über allem Intellekt, damit ein Wesentliches in ihm in Bewegung gerät, ja: symballousa (Luk. 2,19)!

LeerNein, wir bestimmen nicht, wo das Heilige wohnt, verfügen nicht darüber. Aber es ist nun einmal so, daß in den großen Domen der Glaube von Jahrhunderten, von Generationen Gestalt angenommen hat. Und diese „Inkarnation” ist so wirkkräftig geblieben wie das Sprachsymbol eines Apostelwortes oder das Tonsymbol des „Agnus Dei” aus einer Messe von Palestrina. Der Wind des Geistes weht zwar, wo er will, aber ich meine doch, daß die alten Symbole zu den „Inseln unter dem Winde” gehören. Wir verfügen nicht über sie, aber Gott hat sie in seine Verfügungsgewalt genommen. Und unter diese Gewalt dürfen wir uns stellen, ganz getrost.

LeerDome werden - Edith Thomas hat recht - vermutlich keine mehr gebaut werden können. Aber wir haben noch die großen Dome! Und wir haben das, was einst in diesen Domen gewachsen ist an Reich Gottes! Und das, was zu diesem Wachstum geschenkt, gelebt und geopfert, gedankt und angebetet worden ist. Das wollte Maria Loohuus doch sagen.

Quatember 1983, S. 250-251

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 13-04-09
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