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Der Michaelskampf des Isenheimer Altars
von Henry Eckly

Eine ikonographisch-theologische Betrachtung über die „Versuchung des Antonius”

LeerDas Unterlinden-Museum zu Colmar im Oberelsaß beherbergt eines der großten Kunstwerke der Malerei, den Isenheimer Altar. Er zieht jährlich mehr als 300 000 Besucher aus aller Welt an. Dieser „Fronaltar” wurde von dem Antoniterorden in dessen Präzeptorei von Isenheim, einem kleinen Dorf 30 km von Colmar, errichtet. Der Initiator des gemalten Teiles ist Guido Guersi (/dagger; 1516), ein gebildeter Theologe, der, wie die meisten Präzeptoren, aus Frankreich kam. Er ist zweimal auf dem Altar, unter der Gestalt des Antonius, des Ordensheiligen, dargestellt. Er hat an der Entstehung des Werkes einen wesentlichen Anteil; als Auftraggeber hat er dem Maler die Aufgabe gestellt, aber ihm auch das vielseitige theologische Rüstzeug in die Hand gegeben, sie auszuführen.

LeerWir kennen heute den Maler etwas genauer. Er heißt Mathis Gotthard Nithart. Vermutlich um 1480 in Würzburg geboren, starb er 1528 in Halle. Er geriet in Vergessenheit und wurde unter dem falschen Namen Grünewald wieder entdeckt. Er malte den Altar von 1512 bis 1516. Das Werk entstand durch das Zusammenwirken dieser beiden begnadeten Männer. Er ist eine kostbare Frucht aus französischem und deutschem Wissen und Können, aus lateinisch-germanischer Sensibilitat und Gestaltungskraft, gewachsen auf dem reichen Kulturboden des Brückenlandes Elsaß; ein einzigartiges Meisterwerk europäischer Kunst und Kultur.

LeerDa er als Wandelaltar angelegt ist, können durch Umwenden von zwei Flügelpaaren drei Schauseiten gezeigt werden. Die letzte Schauseite, aus einem Schrein und zwei Seitenflügeln bestehend, war dem Ordensheiligen Antonius († 356) gewidmet. Athanasius hat im 4. Jahrhundert das Leben des Heiligen niedergeschrieben. Darin wird erzählt, wie der Eremit in seiner Einsamkeit versucht wurde. Wilde Tiere griffen ihn an. Er verdankt seine Rettung der wunderbaren Hilfe Christi. Diese Legende steht hinter dem Bild von der Versuchung des Antonius. Zwei bemerkenswerte Abänderungen sind jedoch festzustellen: aus den Tieren der Wüste werden phantastische Tiergestalten, und Christus ist durch den Erzengel Michael ersetzt.

Versuchung des hl. AntoniusLeerDie Bildkomposition ist in ein großes „X” hineingestaltet, dessen Schenkel aus den Bilddiagonalen bestehen. Sie können als die Grundlinien des Bildes angesehen werden. Das Bild hat zwei Teile, die eine untere und eine obere Welt darstellen. Sie stehen im Gegensatz zueinander. Der untere Teil wird von der Gestalt des hilflos am Boden liegenden Antonius bestimmt: er ist von einer Rotte von Untieren umringt, die auf ihn eindringen. Dieser Teil beherrscht flachenmäßig und inhaltlich das Bild. Das dramatische Geschehen wird durch die Intensität der Bewegungen und der Farben noch gesteigert. In Kontrast zum satten Blau des Eremitenmantels erstrahlt der Himmel der oberen Welt in einem lichtvollen Blau, von dem Ruhe und Frieden ausgehen. In einer Goldaura thront Gott-Vater. Im Unterschied zur imposanten Gestalt des Antonius scheint er in weite Feme gerückt. In der linken Hand hält er das Zepter, Zeichen seiner Allmacht, mit der Rechten zeigt er abwärts, auf den unter seinen Füßen tobenden Michaelskampf.

LeerVom Michaelskampf berichtet der Seher der Offenbarung: „Es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten wider den Drachen. Und der Drache stritt und seine Engel und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel. Und es ward gestürzt der große Drache, die alte Schlange, die da heiftt Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt. Er ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen . . . Der Teufel hat einen großen Zorn und weiß, dad er wenig Zeit hat.” ( Offenbarung 12, 7-12 ). Dieser Zorn kommt deutlich zum Ausdruck durch die Gebärden der Höllentiere der unteren Welt. Das Erscheinen Michaels ist - in einer Lichtwolke - nur angedeutet. Man sieht, wie er spielend und mit sieghafter Überlegenheit den Feind angeht; er kann es sich leisten, das Schwert umgekehrt zu handhaben. Er hält es an der scharfen Schneide und schlägt mit dem kreuzförmigen Knauf dem letzten noch kämpfenden Engel Satans aufs Haupt. Der wehrt sich vergeblich mit einem stumpfen Schwert ohne Klinge. Seine Kumpane haben ihn im Stich gelassen.

LeerSie fliehen oder stürzen haltlos in die Tiefe, in das von ihnen angelegte Feuer der völlig zerstörten Behausung des Einsiedlers. Dieser Michaelskampf spielt in der damaligen Glaubenswelt eine große Rolle. Der Typus des Erzengels Michael als Drachentöter wurde besonders vom Monte Gargano in Apulien und vom Mont St. Michel in der Normandie her verbreitet. Das Fest des Erzengels Michael und aller Engel am 29. September war ursprünglich der Kirchweihtag von St. Michael an der Via Salaria in Rom. Die Christusnähe des obersten aller Engel wurde im Hochmittelalter als Sakramentsnähe interpretiert (E. Dinkler-v. Schubert, Art. Michael, in RGG. 3. Auflage, Sp. 932 f.). In den Sitten und Gebräuchen der bäuerlichen Welt spielte der Michaelstag im Spätmittelalter - und darüber hinaus - eine große Rolle. Auch in der theologischen Aussage unseres Bildes kommt dem Michaelskampf eine entscheidende Rolle zu. Er hat nicht zufällig seinen Platz zwischen Gott und den Menschen, an der Grenze zwischen der oberen und der unteren Welt, an der Einbruchsstelle des göttlichen in das menschliche Geschehen. Mit Absicht wird gezeigt, wie das untere Weltgeschehen im Vordergrund steht und sich dem Auge aufdrängt, wä hrend Michael nur angedeutet ist und sein Kampf für das natürliche Auge unsichtbar; der Michaelskampf ist ein „geistlicher Kampf”, der sich im Verborgenen abspielt. Denken wir an die Geschichte Bileams (4. Mose 22, 21-35) oder an den Propheten Elisa (2. Könige 6, 8-23). Er muß seinem Diener die Augen öffnen, damit er die „Schutzwehr” Gottes sehen kann und erkennen, daß die Situation nicht hoffnungslos oder verloren ist. Wollten die Isenheimer mit ihrem Altar und insonderheit mit der Darstellung der Versuchung des Antonius den Menschen ihrer Zeit einen ähnlichen Dienst leisten?

LeerUm diese Frage zu beantworten, müssen wir nach der Zweckbestimmung des Altars fragen. Das Mittelalter sieht die Welt und die Menschen mit anderen Augen an als wir. Es weiß noch um die Einheit und Ganzheit des Menschen. Deshalb versorgen die Antoniter ihre Schutzbefohlenen nach „Leib und Seele” und stellen die Kunst in den Dienst des „Heils und der Heilung”. Im Hôtel-Dieu in Beaune (Burgund) steht der Hochaltar (von R. van der Weyden, † 1464) im Krankensaal des Hospitals, so daß die Kranken von ihren Betten aus an der Messe teilnehmen konnten und ständig die Bilder des Altars vor Augen hatten. Es war die Zeit, als die Kunstwerke zur „Bibel der Armen” wurden. Auch der Isenheimer Altar enthält eine vielseitige, tiefgründende Bilderpredigt, der man Schritt für Schritt nachgehen muß, weil nichts dem Zufall überlassen ist und jede Haltung bis in die Einzelheiten hinein ihre Wichtigkeit hat. Da der Altar die Gemeinschaftsarbeit eines Theologen und eines Malers ist, kann man sagen: er ist gemalte Theologie. Deshalb genügen kunsthistorische Untersuchungen nicht, so nötig und wichtig sie sind. Die Bilder des Altares wollen meditiert werden, mit dem Auge des Glaubens gesehen, denn sie sind von Gläubigen für gläubige Menschen gestiftet und geschaffen worden.

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LeerFragen wir nach diesen Menschen, so erfahren wir, daß es Pilger und Kranke waren, die in der Präzeptorei Unterkunft und Pflege fanden. An der alten Römerstraße Mainz-Basel günstig gelegen, kehrten neben den Rompilgern auch Jakobspilger ein, die nach Santiago de Compostela in Spanien wallfahrteten. Neben dieser größeren Gruppe wurden etwa zehn bis zwanzig Kranke gepflegt unter der Obhut von acht Chorherren und ihrem Abt, unterstützt von Pflege- und Dienstpersonen. Chirurgische Eingriffe waren keine Seltenheit. Der Spitalorden der Antoniter genoß großes Ansehen, besonders wegen seiner Erfahrung in der Pflege von Hautkrankheiten, unter denen dem nach ihm genannten „Antoniusfeuer” eine besondere Wichtigkeit zukam. Diese Krankheit wurde durch verdorbenes Korn übertragen, daher der Name „Mutterkornbrand”. Weil die Glieder verdorrten und abstarben, heißt sie auch „Ergotismus gangraenosus”. Da die Krankheit ein Brennen verursachte, hieß sie im Mittelalter „Ignis sacer” (Himmelfeuer). Die Antoniter aber nannten sie „Höllenfeuer” (Ignis gehennalis).

LeerDies zu wissen hilft uns, die Höllentiere besser zu verstehen. Die meisten dieser Greuelgestalten haben verstümmelte Glieder. Daran erkennen wir, daß die Höllentiere es mit dem Höllenfeuer zu tun haben und nicht, wie manche glauben, mit den „sieben Todsünden” des Hans Baldung Grien. Dieser Straßburger Maler hat die Predigten des Geiler von Kaysersberg illustriert. In einem Buch von 1511, „Der Granatapfel” genannt, ist eine Gruppe von Teufeln dargestellt, welche die sieben Todsunden verkörpern. Sogar gemalte Teufel können phantasiebegabten Menschen zur Versuchung werden und sie auf Irrwege fuhren. Es,mag sein, daß Guersi wie auch Meister Mathis den „Granatapfel” in ihrer Hand hatten und sich von ihm inspirieren ließen, aber doch nicht verführen! Sie konnten in ihrem Fall sagen: „Warum in die Feme schweifen, sieh, das Böse liegt so nan!” Das Böse liegt in der Krankheit deshalb so nah, weil „der Böse” (nach Hiob 2,7) als der Urheber der Krankheit angesehen wird: „Da schlug der Teufel den Hiob mit bösen Schwären vom Scheitel bis zur Fußsohle”. Die Höllentiere bezeichnen in sinnbildlicher Darstellung die Höllenmachte, die nach damaliger Auffassung die Krankheiten und Anfechtungen verursachten. Diese Auffassung ist umso glaubwürdiger, wenn man in Betracht zieht, daß das Antoniusfeuer von Fieberzuständen mit Halluzinationen begleitet war, die solche Trugbilder und Spukgestalten mit sich brachten.

LeerZum weiteren Verstandnis der Höllentiere gehört die Deutung ihres Angriffs. Sie möchten dem Heiligen seine geistliche Waffenrüstung entreißen. Dadurch wäre er geschwächt, und sie könnten ihn umso leichter in ihre Gewalt bringen. Deshalb zwickt die gepanzerte Eidechse (ein Basilisk) mit ihrem Schnabel dem Heiligen die rechte Hand, damit er den Rosenkranz (Sinnbild des Gebetes) und seinen Stab (Zeichen seiner wundertätigen Macht) fallen läßt. Deshalb versucht das gehörnte Ungeheuer, ihm den Mantel zu entreißen, der mehr ist als nur ein schützendes Kleidungsstück. Das Buch in der Lederhülle (ein Meß- oder Stundenbuch) konnte dem Heiligen genommen werden; auch kann er es nicht hindern, an den Haaren gezaust zu werden. Man muß zugeben, daß dies für einen so großen Einsatz wenig Weh und für einen so spektakulären Aufwand wenig Erfolg bedeutet. Die Untiere mit ihren bösglotzenden Augen, fletschenden Zähnen, gehörnten Häuptern, aufgehobenen Stecken, können Antonius schrecken und ihm Angst einjagen, aber bezwingen können sie ihn nicht. Nicht einmal sein Kleid ist versehrt. Deshalb geht es hier um ein Scheingefecht. Die meisten Ausleger sehen das, aber sie sagen uns nicht, weshalb es so ist und warum Antonius, allem Augenschein zuwider, nicht verloren ist.

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LeerZur Lösung dieser Frage soll der Kranke beitragen, der so auffallend im linken Vordergrund kauert. Sein aufgedunsener Leib, voller Schwären, zeigt drastisch alle Verwüstungen und trägt an sich alle Symptome der im Hospital gepflegten Krankheiten. Diese Figur kann deshalb als der Vertreter der Kranken angesehen werden. Er ist das Konterfei, in dem sich die Kranken samt ihrem Schicksal wiedererkennen konnten. Umso mehr als der Mann ihre Tracht trägt, namlich jene große Kapuze, die durch Vorschrift den Pfleglingen des Spitals überreicht wurde und nach alter Sitte von allen kenntlich getragen wurde. Aber nun hat dieser Kranke an Stelle der Füße rätselhafte Flossen; man weiß nicht so recht, was sie bedeuten. Ich nehme an, daß es Schwanenfüße sind. Der Schwan, so verkündet die Symbolsprache der Mythologie, erhebt eine Totenklage und fängt an zu singen, wenn es ans Sterben geht. Daher der Ausdruck: Schwanengesang. Wollten die Isenheimer durch diesen Hinweis andeuten, daß der Kranke dem Tode geweiht ist und als Sterbender seinen Schwanengesang erhebt? Nach dem Zustand des Leibes zu schließen, ist solch eine Auffassung nicht abwegig. Es kommt hinzu, daß unter allen Figuren des Bildes dieser Mann der einzige ist, der sein Angesicht Gott zuwendet und in der Tat seine Not zum Himmel schreit.

LeerNun ist zu unserer Aufklärung in der rechten Ecke eine helle Schrift angebracht. Durch die Horizontale steht sie in Beziehung zum Kranken und durch die nach oben weisende Diagonale ist sie auf Michael und seinen Kampf bezogen. Nicht nur durch die Stellung, auch durch den Inhalt ist diese Schrift mit der Not der Kranken und dem Sieg Michaels verklammert. Sie enthalt ein gekürzt wiedergegebenes Zitat aus der „Vita Antonii” und lautet: „Ubi eras Ihesu bone, ubi eras? Quare non affuisti, ut sanares vulnera mea? - Wo warst du, guter Jesu, wo warst du? Warum erschienest du nicht, um meine Wunden zu heilen?” Hier haben wir einen weiteren Hinweis, daß Satan als der Urheber der Krankheit und der Anfechtung anzusehen ist. In dieser Frage wird das Anliegen der hilfesuchenden Kranken ausgesprochen. Aber darüber hinaus taucht hier die existenzielle Frage des ausgehenden Mittelalters auf, die Frage jener geplagten und heimgesuchten Menschen nach einem gnädigen Gott. Ist es Zufall, daß Martin Luther zur Zeit, als das Bild gemalt wurde, mit der Antwort auf diese Frage rang? Und ist es nicht die prophetische Größe Luthers, daß er die Antwort in der „rechtfertigenden Gnade” fand, die für das Abendland so geschichtsträchtig werden sollte? Guido Guersi konnte durch die Hand von „Meister Mathis” nur eine zeitgemäße Antwort geben. So überzeitlich genial die Malerei ist, die Botschaft des Altars gehört ins späte Mittelalter.

LeerEs ist die Botschaft der Theologie und der Kirche jener Epoche, wie sie ihren Ausdruck in den Glaubensliedern der Zeit findet. Denken wir an den Hymnus Dicimus grates tibi von Philipp Melanchthon (1539), der in zwei verschiedenen Ubertragungen im Evangelischen Kirchengesangbuch Aufnahme gefunden hat: Mit dem Lied „Herr Gott, dich loben alle wir” von Paul Eber (1561) und mit dem Lied „Heut singt die liebe Christenheit” von Nikolaus Herman (1560). Darin heißt es:
Michael führt der Engel Schar,
ein hoher Fürst ist er fürwahr;
unter seim Fähnlein schweben
all Engel, streiten Tag und Nacht
wider des Teufels List und Macht
und seim Mord widerstreben.
Der alte Drach, der feiert nicht,
all Augenblick tracht' er und dicht',
wie er uns mög obsiegen,
an Leib und Seel, Ehr, Gut und Hab
beschädigen und brechen ab
mit seinem Mord und Lügen.
Gar oft erregt er Ketzerei,
Aufruhr, Mord, Krieg und Tyrannei,
Gotts Ordnung er zerrüttet.
Die Mächte er zusammenhetzt,
all Bündnis trennt er und verletzt,
sein Zorn er gar ausschüttet.
Wo ihm nicht wehrt der Engel Schar,
unser Leib, Seel, Blut, Haut und Haar
kein Stund blieb unverletzet.
Mit Feur und Wasser, Wind und Schnee
uns alle er verderbete,
so hart er uns zusetzet.
LeerDies sind wichtige Zeugnisse. Sie kommen von Zeitgenossen, die als authentische Träger der damaligen Theologie und des Glaubenslebens gelten konnen. Die hier zuerst angeführte Strophe beginnt ursprünglich: „Michael, unser Herre Christ, der oberst Engel, Gott gleich ist...”! Das Bild der Versuchung des Antonius erscheint wie eine Illustration zu diesen Liedern, und die Lieder sind ein Kommentar zu dem Bild.

LeerNun können wir den Sinngehalt des Bildes zusammenfassen: Ganz oben, am hochsten Punkt, thront der allmächtige Gott. Er zeigt mit seiner Rechten auf den kämpfenden Erzengel Michael, der den Teufel mit Leichtigkeit besiegt. Sein Schwert wird zum Kreuzstab, das heißt zu einer geistlichen Waffe. Der Teufel ist der Urheber der Unordnung des Leibes und der Seele. Von ihm kommen die Krankheiten und die Anfechtungen. Er tobt auf Erden seinen Zorn aus, aber seine Macht und seine Zeit sind begrenzt. Weil die Entscheidungsschlacht geschlagen und der Sieg gewonnen ist, wird sein Angriff zu einem Scheinangriff. Wenn wir die „geistliche Waffenrüstung” nicht aufgeben, die Gott uns gegeben hat, sind wir nicht verloren, wie das am heiligen Antonius zu sehen ist. Der „Schutzpatron” ist denselben Versuchungen und Angriffen der Höllenmächte ausgesetzt wie die Kranken und Hilfesuchenden. Aber er unterliegt nicht und ist nicht verloren. Deshalb ist für alle in ihrer Not und Anfechtung Hilfe und Hoffnung vorhanden durch den geistlichen Beistand Michaels und seiner Engel.

LeerDiese Schau mag manchen Zeitgenossen fremd oder überholt erscheinen, besonders wenn sie nicht dahinter gekommen sind, daß der Mythos ein erdichtetes Bild ist, das ständig die Wahrheit sagt. Wir haben andere Einsichten über die Krankheiten, aber die Krankheitsnot und die Anfechtungen sind geblieben. Die dämonischen Mächte wie die geistliche Hilfe sind heute noch da. Das Bild der Versuchung des Antonius zeigt uns, daß es zwischen der Welt der Dämonen und der Welt der Engel keinen neutralen Raum gibt, kein Zwischenland, in das wir uns zurückziehen konnen. Bewußt oder unbewußt stehen wir an einer der Fronten. Menschen unserer Zeit haben wieder den Beistand der Engel erfahren, so daß sie in dämonischer Zeit standhalten konnten. Davon hat Dietrich Bonhoeffer in seinem Gedicht zum Jahreswechsel 1944/45 Zeugnis abgelegt:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag:
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Quatember 1984, S. 130-137

© Joachim Januschek
Letzte Änderung: 12-09-08
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