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von Leopold Achberger |
Im Frühjahr 1985 feierte die Universität Graz den 400. Gründungstag ihrer ersten Fakultät: der römisch-katholischen Theologischen Fakultät, die lange Zeit die einzige blieb. Sie ging aus dem von den Jesuiten im Jahre 1573 gegründeten Gymnasium hervor. Der damalige Erzherzog Karl aus dem Hause Habsburg hatte sie nach Graz gerufen, damit sie mit ihrer Schule ein Gegengewicht gegen die „Stiftsschule” der evangelischen Stände schüfen. Diese Schule hatte fast Hochschulniveau; an ihr wurden die Schüler zu Männern in der Verwaltung und in der Wissenschaft herangebildet. In der letzten Phase der Stiftsschule war ihr bedeutendster Lehrer der Mathematiker und Astronom Johannes Kepler, der hier die Gesetze der Planetenbahnen errechnete. Die Jesuiten erhielten von den Herrschern aus dem Hause Habsburg alle erdenkliche Hilfe, während den evangelischen Ständen ein Recht nach dem anderen entzogen wurde, bis schließlich um 1600 die Stiftsschule ganz aufgehoben und ihre Lehrer ausgewiesen wurden. Aber schon früher bauten die Jesuiten ihr Schulwesen aus; das Gymnasium hatte schließlich sechs Klassen und konnte so auf den Besuch einer Hochschule vorbereiten. 1585 wurde die theologische Fakultät als erste einer künftigen Universität gegründet, zu der im Laufe der Jahre die Artisten-Fakultät kam, und sehr viel später die juridische und erst im 19. Jahrhundert die medizinische. Das jesuitische Gymnasium hatte mit seinem geistigen und geistlichen Einfluß die politischen Maßnahmen der Gegenreformation zu dem Erfolg geführt, daß in wenigen Jahren das evangelische Leben aus dem öffentlichen Leben völlig verschwand. Nur in der Gebirgsgegend des oberen Ennstales hielten die Bauern heimlich am evangelischen Glauben fest; man nannte sie „Geheimprotestanten”. Die Steiermark war in der Öffentlichkeit wieder ganz katholisch. Einen schweren Rückschlag erlitt das jesuitische Schulwesen durch die Aufhebung des Jesuitenordens durch Papst Clemens XIV. im Jahre 1773. Kaiser Josef II. „degradierte” die Universität zu einem Lyceum, das zu einer Art Fachschule zur Heranbildung eines tüchtigen Priester-, Lehrer- und Beamtenstandes wurde. An dieses Lyceum wurde eine medizinisch-chirurgische Lehranstalt angeschlossen. In ganz Österreich gab es nur zwei vollwertige Universitäten: die in Wien und in Prag. 1827 hob Kaiser Franz dieses Lyceum wieder in den Rang einer Universität. Sie heißt deswegen auch nach ihren beiden Gründern: Universitas Carolina-Francisca. Nach manchen Schwierigkeiten waren alle vier Fakultäten in die Universität eingegliedert. Was uns Evangelische aber besonders angeht, ist die Entwicklung der römisch-katholischen Fakultät seit dem Zweiten Weltkrieg. Die „Ökumenische Bewegung” griff auch auf sie über: einige ihrer Professoren suchten den Kontakt mit evangelischen und griechisch-orthodoxen Theologen und Laien. Es kam zu gelegentlichen Gesprächen, auch zu gemeinsamen Gottesdiensten. Es entstand ein „ökumenischer Arbeitskreis”, zu welchem auch die Methodisten kamen. Aus dieser Arbeit erwuchs das „Institut für ökumenische Theologie und Patristik”, das sich intensiv mit den Fragen der in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften befaßt und eine gediegene Buchreihe mit den bei den Tagungen gehaltenen Vorträgen herausgibt. Das Institut ist der römisch-katholischen Fakultät angeschlossen. So viel ich weiß, ist dieses Institut für Ökumenische Theologie und Patristik im Rahmen einer römisch-katholischen Fakultät das einzige in Europa. Beim Vergleich der Umstände um 1585 und den jetzigen, 400 Jahre später, kann man nur sagen „Welch eine Wende!” und den Wunsch aussprechen, daß auch an anderen theologischen Fakultäten ähnliche Institute entstehen möchten. Quatember 1985, S. 242-243 |
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