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von Hans Georg Oestreicher |
Am Sonntag nach Michaelis, 6. Oktober 1985, wurde in Karlsruhe der neugewählte Bischofskoadjutor des Katholischen Bistums der Altkatholiken in Deutschland, Dekan Dr. theol. Sigisbert Kraft (Karlsruhe), in einem feierlichen Gottesdienst zum Bischof geweiht. Die Wahl hatte am Pfingstmontag in Offenburg stattgefunden. Die Bischofsweihe fand in der evangelischen Christuskirche statt, die in unmittelbarer Nähe des Ökumeneplatzes steht und Nachbarkirche der altkatholischen Christi-Auferstehungs-Kirche ist. Viele hundert Christen aus allen Konfessionen waren nach Karlsruhe gekommen, um in dankbarer Mitfreude und ökumenischer Verbundenheit diesen großen Festtag der Altkatholiken zu erleben und mitzufeiern. Das gemeinsame Gebet setzte ein deutliches Zeichen für die Einheit, die, wie Bischof Kraft im Gemeindebrief seiner bisherigen Gemeinde Karlsruhe geschrieben hatte, „bei allen noch bestehenden Trennungen in dem ‚einen Herrn’, ‚dem einen Gott und Vater aller’, und in uns in der ‚einen Taufe’ (Eph. 4, 5) grundgelegt ist”. Weiter hatte er dort geschrieben: „So wird uns der Tag der Bischofsweihe von neuem dazu mahnen, unbeirrbar Wege zu gehen, die uns zur Einheit in der Vielfalt führen.” Vor dem Gottesdienst hatten sich die altkatholischen und anglikanischen Bischöfe und Priester, ferner Gäste aus der Ökumene, darunter Bischöfe und Äbte als Vertreter der orthodoxen, römischkatholischen und evangelischen Kirchen, sowie Brüder und Schwestern aus verschiedenen Kommunitäten und Bruderschaften in der Christi-Auferstehungs-Kirche versammelt, um dann unter dem Geläut der Glocken beider Kirchen gemeinsam zur Christuskirche hinüberzuziehen. Auch dieser gemeinsame Weg, ein gemeinsamer Weg der vielen Vertreter der verschiedenen, noch getrennten Kirchen, und nicht zuletzt das gemeinsame Glockengeläut waren hoffnungsvolle Vorzeichen, hinweisend auf die ersehnte Einheit, die Christus schenken wird. Der Hirtenstab ist ein Geschenk der Evangelischen Michaelsbruderschaft, der Bischof Kraft seit vielen Jahren angehört. „Christus spes - Christus, die Hoffnung” (1.Tim, 1,1l), der Wahlspruch des neuen Bischofs, ist auf der Stirnseite der Mitra geschrieben, während auf der Rückseite zu lesen ist: „OIKOUMENE”. In der fruchtbaren Spannung zwischen diesen beiden Aussagen, die im Grunde in einem großen Zusammenhang gesehen und verstanden werden müssen, wurde die Bischofsweihe vollzogen und gefeiert, und in dieser Spannung und Weite möchte unser Bruder Sigisbert Kraft sein neues Amt führen. Diese Absicht entspricht seinem bisherigen Weg, den er schon vor langer Zeit betreten hat und auf dem er sich schon in vielen Bemühungen und mit manchem Erfolg eingesetzt und unermüdlich gearbeitet hat für die Sache der Ökumene, für die sichtbare Einheit der Kirchen. Erinnert sei hier an seine Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut, in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, beim „Gotteslob” und beim Zustandekommen der Vereinbarung zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Katholischen Bistum der Altkatholiken in Deutschland über die gegenseitige Einladung und Zulassung zur Eucharistie. Auch als Bischof will Bruder Kraft der Ökumene dienen, die Einheit der Kirche fördern mit allen ihm dazu verliehenen Kräften. Das hat er vor den vielen Zeugen seiner Weihe laut versprochen. Auf Grund seines Auferstehungssieges ist Christus unsere Hoffnung. Diese unsere Hoffnung, nämlich den auferstandenen Christus, in österlicher Freude einer hoffnungslosen Welt glaubwürdig zu verkündigen und mit Wort und Tat zu bezeugen, mit diesem Auftrag und in dieser Verantwortung Bischof zu sein und Kirche zu leiten in der Nachfolge der Apostel, um der Menschen willen, denen Gottes Liebe in und durch Christus gilt - so versteht der neue Bischof sein Amt. Möge sein Wirken mit Gottes Hilfe und durch Gottes Geist und Gnade weiterhin fruchtbar werden für die Erneuerung und sichtbare Einheit der Kirche Jesu Christi, zu der hin wir gemeinsam - auch gemeinsam mit unseren altkatholischen Brüdern und Schwestern - unterwegs sind. Quatember 1986, S. 36-38 |
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