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von Jürgen Boeckh |
Im Rückblick auf die Kindheit schreibt Augustinus in seinen Confessiones (1,11): „Schon als Knabe hatte ich von dem ewigen Leben gehört, das uns verheißen ist durch die Erniedrigung unseres Herrn, der herabsteigt zu unserem Hochmut; und ich wurde schon mit dem Zeichen seines Kreuzes bezeichnet und wurde mit seinem Salz gewürzt.” Erst viel später, im Alter von dreiunddreißig Jahren, ließ er sich taufen. Die signatio crucis, die Bezeichnung mit dem Kreuz, und die datio salis, die Darreichung des Salzes, standen am Anfang des Katechumenats. Das Katechumenat war in der Kirche der Frühzeit nicht nur Lehre, sondern Einübung im Christentum, verbunden mit zeichenhaften Handlungen. Wer mit dem Kreuz bezeichnet wurde, der trat gewissermaßen in die Vorhalle der Kirche ein. An anderer Stelle (de peccatorum meritis 2,26) schreibt er: „Ich meine, daß auch (schon) die Katechumenen . . . durch das Zeichen Christi . . . geheiligt werden und, was sie empfangen, zwar nicht der Leib Christi, aber dennoch heilig ist, heiliger als die Speisen, durch die wir uns sonst ernähren.” In einer Predigt bezeichnet Augustinus die signatio crucis als Empfängnis. Im Schoß der Mutter Kirche wird der neue Sprößling dann durch „angemessene Nahrungsmittel” ernährt, bis er - in der Regel in der Osternacht - in der Taufe „von neuem geboren” wird „aus Wasser und Geist”. Die verschiedenen Initiationshandlungen sind später, als die Kindertaufe zur Regel wurde, alle mit der eigentlichen Taufhandlung verbunden worden. In Luthers Taufbüchlein von 1523 finden wir noch einen Exorzismus zu Beginn, die signatio crucis, die datio salis, einen weiteren Exorzismus, das „Hephata” (die Öffnung von Ohren und Nase) außerhalb der Kirche vor der eigentlichen Taufhandlung. In den evangelischen Taufordnungen lutherischer Tradition (im Unterschied zur reformierten) ist von diesen zeichenhaften Handlungen in der Regel nur die signatio crucis übrig geblieben. So heißt es in der Agende der Evangelischen Kirche der Union (II. Band 1964), nachdem der Taufbefehl zitiert wurde: „Der Pastor macht das Zeichen des Kreuzes an Stirn und Brust des Täuflings und spricht: Nimm hin das Zeichen des Kreuzes an Stirn und Brust, darum, daß du durch Jesus Christus, den Gekreuzigten, erlöst bist.” In dem Entwurf einer neuen Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden (1984) ist die Handlung noch etwas weiter ausgeführt. Dort lesen wir: „Der Pfarrer wendet sich zum Täufling . . .: weil Jesus Christus dieses Kind annimmt, segnen wir es mit dem Zeichen des Kreuzes. Der Pfarrer bezeichnet den Täufling mit dem Kreuz. Er spricht dazu: Nimm hin das Zeichen des Kreuzes (+). Du gehörst Christus, dem Gekreuzigten.” Und in einer Anmerkung wird noch gesagt: „Die Bezeichnung mit dem Kreuz kann entweder so erfolgen, daß der Pfarrer nacheinander Stirn, Brust und beide Schultern des Täuflings berührt, oder so, daß der Pfarrer dem Täufling ein Kreuz auf die Stirn zeichnet.” In dem schon erwähnten Entwurf einer Taufordnung für eine neue lutherische Agende wird unter den Elementen der Taufliturgie bei der Taufe eines Erwachsenen oder eines älteren Kindes (erstmalig in einer evangelischen Taufordnung unserer Zeit?) auch die Bezeichnung mit dem Kreuz (obsignatio crucis) interpretiert: „Das Kreuz ist für viele das Christuszeichen schlechthin. Die Bezeichnung mit dem Kreuz ist deshalb ein wichtiges symbolisches Element der Taufliturgie. So kann der Täufling mit dem Kreuz bezeichnet werden und diese Handlung mit einigen freien Worten gedeutet werden. Hier steht dann vor allem die Totalität der Christushingabe im Mittelpunkt. Die Bezeichnung mit dem Kreuz kann im Zusammenhang mit der Übergabe eines Kreuzes stehen. Dieses Kreuz dient dann entweder zur Tauferinnerung oder steht im Zusammenhang mit Überlegungen, wie sich Christen in der Öffentlichkeit kenntlich machen. Die Bezeichnung mit dem Kreuz kann zusammen mit einer Meditation über das Altarkreuz der Taufkirche oder eine Kreuzesdarstellung stehen. Dann sollte die Brücke zu Römer 6 geschlagen werden.” Es ist immer schwierig, einen poetischen Text in eine andere Sprache so zu übertragen, daß Form und Inhalt in gleicher Weise dem Original entsprechen. Friedrich Hofmann ist es gelungen, durch Übernahme des Versmaßes und gleichlautende Anfangszeilen den Charakter des Liedes im Deutschen zu bewahren, so daß es auch nach der im Hymnen-Buch angegebenen Melodie von W. Jones († 1800) gesungen werden könnte. Die Kommunität Casteller Ring hat sich dafür ausgesprochen (gegen „Nun danket all. . .” EKG 231 als Ersatzmelodie), anderen ist die englische Melodie zu sentimental. Wer den englischen Text genau liest, kann noch deutlicher als in der deutschen Übersetzung erkennen, daß Henry Alford um die σφραγις-Symbolik, die in der Kirche der ersten Jahrhunderte eine wichtige Rolle spielte, wußte: σφραγις als Siegel, auch als Brandmal zur Kennzeichnung des Eigentums an Tieren oder Menschen (Sklaven) wurde von den Juden als Terminus für die Beschneidung verwendet, von den Christen auf die Taufe selbst, auf die Salbung nach der Taufe oder auf die signatio crucis angewandt; im vierten Jahrhundert wurde das Kreuzzeichen auch allgemein σφραγις (signum, signaculum) genannt. In der zweiten Strophe wird deutlich, daß das Kreuz als „Brandmal” auf der Stirn des Täuflings für den „Sklaven Christi” nicht mehr nur Schande, sondern ebenso auch Ruhm bedeutet. In anderer Weise als der Sklave des Altertums seinem Herrn, gehört der Getaufte dem Herrn Christus. In der letzten Strophe des Liedes werden wir an die Offenbarung des Johannes erinnert. Den „Knechten unseres Gottes”, die „mit dem Siegel auf der Stirn gezeichnet” sind (7, 3), gilt die Verheißung (2, 10): „Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.” Quatember 1986, S. 66-68 |
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